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allem die älteren Leute beim Schneiden und Kauen ihre Probleme. Sie tunkten es in die Kaffeetasse oder bröckelten es in die Suppe. – Uns Kindern war das Brot vom Bäcker lieber; darum rissen wir uns – etwas, was ich heute kaum mehr verstehen kann. Gewiss, frisches Bauernbrot hatten auch wir gern, aber wenn es alt und trocken war und erst mühsam weichgekaut werden musste, ehe man es verzehren konnte, dann zogen wir schon mal die Nase hoch – und holten uns lieber anderswo, wenn die Dreschmaschine gerade im Dorf war, ein von uns so genanntes Maschinenbrot. Das bekamen alle Kinder des Dorfes jeweils dort gratis, wo gerade Getreide gedroschen wurde. Es waren meistens backfrische Brotschnitten mit Butter und Honig oder mit Butter und Marmelade bestrichen. Ein wahrer Genuss! Vielleicht auch deswegen, weil es nur sommers Maschinenbrote gab und weil dann alle Kinder sich darum rissen. Bekanntlich stecken hungrige Mäuler auch andere an. Wer gierigen Essern zuguckt, bekommt selber Appetit; dem läuft schon beim Hinschauen das Wasser im Mund zusammen.

      Natürlich hatten wir auch Hühner und Tauben und (während und kurz nach dem Krieg) Kaninchen, Gänse und Ziegen. Diese Tiere bedeuteten eine weitere willkommene Bereicherung für die Bauernküche. Zusätzlich lieferten die Gänse weiche Daunenfedern für die Betten, sehr wichtige Bestandteile des bäuerlichen Haushalts! Das Federnrupfen war anstrengend, und es brauchte auch dazu eine gewisse Geschicklichkeit und Erfahrung in der Handhabung.

      Weil wir gerade bei den kleinen Tieren sind: Damals trugen die Frauen winters noch edle Fuchspelze oder Muffe (vor dem Bauch getragen, um die Hände zu wärmen); das Material für letztere stammte von Iltissen oder Schafen. Um an Fuchspelze zu kommen, stellten wir im Winter, wenn die Pelze am dicksten und wärmsten waren, auf den Äckern hinterm Dorf eiserne Fallen auf; meist dort, wo wir Fuchsspuren im Schnee gesichtet hatten. – Marder und Iltisse wurden oft auch deswegen geschossen, weil sie gerne in die Hühnerställe einfielen und alles mitgehen ließen, was sich nicht verteidigen konnte, vor allem altersschwache Hennen, Eier und Küken. Mit den Hähnen nahmen sie es seltener auf; die wussten sich besser zu wehren.

      Was vor allem in den Wintermonaten in den bäuerlichen Menüs fehlte, waren Vitamine. Davon wusste man in jenen Jahren auf dem Land noch kaum etwas. Als ich 1946 nach Miltenberg ins Internat (Kilianeum) und an das dortige Gymnasium kam, wurden wir der Reihe nach vom Schularzt untersucht. Mehrere von uns waren unterernährt; bei mir und einigen anderen stellte der Doktor Rachitis fest (Englische Krankheit), eine Vitaminmangel-Erscheinung. Ich wusste bereits darüber Bescheid; in unserer Volkschule gab es mehrere Gleichaltrige, denen Rachitis bescheinigt worden war. Hühnerbrust, sagt der Volksmund zu unseren eingedellten Rippen. Unsere Mütter waren ahnungslos; sie kannten diese Kinderkrankheiten noch gar nicht, bevor sie vom Schularzt aufgeklärt wurden. Wer hätte sie denn auch rechtzeitig informieren sollen?

      Kostenloses Wasser aus der dorfeigenen Quelle

      Meine Heimatgemeinde Gaurettersheim galt von jeher als besonders aufgeschlossen für Neuerungen. 1905 gab es bereits eine allgemeine Wasserleitung. Sie wurde durch natürlichen Wasserdruck von der Quelle beim Paradies (Flurname) direkt zum Reservoir oberhalb der Kirche geleitet, und von dort wieder hinunter in die Häuser und Gehöfte. Alles ohne Pumpen, nur durch Eigendruck, ermöglicht durch die relativ hoch liegende Quelle und des oberhalb des Dorfes gelegenen Wasser-Reservoirs. Den einzelnen Haushalten wurde keinerlei Wasserpfennig abverlangt, nur die Zuleitungsrohre und das Installieren vom Hauptanschluss im Dorf zu den Höfen mussten von den Inhabern beglichen werden.

      Onkel Ludwig, der Schmiedemeister, hatte lange Jahre die Oberaufsicht über die Gesamtanlage dieser ortseigenen Wasserzufuhr; er, und später sein ältester Sohn Edwin, ebenfalls gelernter Schmied, sorgten dafür, dass die tief in den Boden hinein gebauten Wassertanks regelmäßig überprüft und von Zeit zu Zeit gereinigt wurden.

      Jahrzehnte später, ich glaube, es war in den 1970er oder 1980er Jahren, wurde unsere Gemeinde gezwungen, künftig auf die Wasserzufuhr aus eigener Quelle zu verzichten und sich der staatlichen Überland-Wasserleitung anzuschließen. Warum? Weil staatliche Wasserfachleute behaupteten, das ortseigene Quellwasser sei verseucht und infolgedessen gesundheitsschädlich. Das wurde zwar von den Dörflern lange Zeit bezweifelt, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig; sie mussten künftig für das (staatlich verordnete) Wasser zahlen, sofern sie keine eigenen Brunnen8 hatten.

      Man verwies in diesem Zusammenhang auf den alten, schon lange aufgelassenen Steinbruch am Paradies. Dort hatte man wegen des starken Grundwassers seit langem keine weiteren Steine mehr brechen können. Die Grube wurde daraufhin jahrzehntelang als Mülldeponie benützt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass in meiner Kindheit und Jugend dort alles entsorgt wurde, was man sonst nicht mehr verwenden konnte: Ausgetretene Schuhe, von Motten zerfressene Matratzen, verrostete Eimer, Reste von ruinösen Mauern etc. pp. Von getrenntem Müll und dessen Abtransport durch die Kreisbehörde war noch lange keine Rede. Man wusste es nicht anders, und das riesige Steinbruchloch am Paradies war dazu wie geschaffen, mit allerlei Ramsch gefüllt zu werden. Ich bin mir heute ziemlich sicher, dass das Verbot der weiteren Benutzung der ortseigenen Quelle als Trinkwasser absolut berechtigt, ja sogar dringend geboten war. Der verödete Steinbruch und die Wasserquelle lagen ja nur knapp hundert Meter auseinander! Somit war es höchstwahrscheinlich, dass der als Mülldeponie benützte alte Steinbruch das Quellwasser verunreinigt und vergiftet hatte.

      Eine andere Neuerung für die Dörfler war der frühzeitige Anschluss an ein Überland-Stromnetz, ebenfalls noch vor dem Ersten Weltkrieg. Erzeugt wurde die Elektrizität in Weikersheim an der Tauber; dort hatte man zu diesem Zweck das Flüsschen gestaut. Es wurde also, wie wir heute sagen würden, damals schon saubere und erneuerbare Energie erzeugt; eine echte Leistung für den kleinen Weiler, der damals kaum mehr als 250 oder 300 Einwohner hatte.

      Von unserem Nachbarn Kuhn weiß ich allerdings, dass er sich zunächst nicht ans allgemeine Stromnetz anschließen, sondern lieber weiterhin seinen eigenen Kraftstrom erzeugen wollte – und zwar mittels eines Dieselmotors. Noch vor und kurz während des Zweiten Weltkriegs hörten wir es über die Dorfstraße herüber, wenn bei Kuhns frühmorgens der Motor angeworfen wurde. Dann puffte stinkiger schwarzer Rauch empor, und wir wussten, gleich gehen auch beim Kuhns Michel die Lichter an.

      Heute können sich viele kaum mehr vorstellen, dass es mal eine Zeit gab, als man sich mit Stearinkerzen und Ölfunzeln behelfen musste. – Ich schon! Denn auf unserer Missionsstation in Rhodesien hatten wir zwar einen riesigen Generator, doch der lief meistens nur dann, wenn es wirklich dunkel war, früh und abends. Wer beispielsweise nach neun Uhr am Abend noch etwas tun wollte, musste Kerzen anzünden oder, und das war fast schon fortschrittlich, eine Petroleumlampe benützen.

      Ähnlich aufgeschlossen wie hinsichtlich Wasser und Strom waren die Bauern im Ochsenfurter Gau, wenn es um moderne landwirtschaftliche Geräte ging. Da gehörten sie immer zu den Ersten. Bei uns im Dorf gab es schon zwischen den beiden Weltkriegen die sogenannten Selbstbinder zum Getreideernten. Damals eine gewaltige Arbeitserleichterung; heute schon fast vergessen. Diese Mähmaschinen wurden von zwei, drei Pferden gezogen; sie mähten nicht nur die reifen Getreidehalme (Gerste, Weizen, Roggen, Hafer, Raps), sondern bündelten sie auch und schnürten sie mit Hanf- oder Sisalgarn in einzelne Garben. – Schon lange stehen auch diese Geräte im Museum. Die Ernten werden heute stattdessen mittels Mähdreschern eingebracht. Alles in einem einzigen Arbeitsgang – Mähen, Dreschen und auf einem mitfahrenden Gummiwagen die Körner abtransportieren. Das Stroh wird im gleichen Arbeitsgang gebündelt – oder, noch moderner, in riesige Ballen gepresst.

      Mein Neffe Peter, der heute Hof und Felder unserer Familie bewirtschaftet, besitzt einen umfangreichen Maschinenpark. Zusätzlich zu seiner Schulung als Landwirt und Viehzüchter machte er die Gesellenprüfung als Maschinenschlosser für landwirtschaftliche Geräte. So war er bestens geeignet, den väterlichen Betrieb weiterzuführen. Aber ohne Computer würde auch er heute nicht mehr auskommen. Sein Sohn, mein Großneffe Michael, peilt inzwischen eine ähnliche Ausbildung an – als Maschinenschlosser für den Agrarbereich.

      Kriegs- und Nachkriegsjahre im Ochsenfurter Gau

      Unser Papa war der Erst-Verantwortliche im Dorf als Schieder9;

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