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wollte nun Ganescha gar nicht mehr in der Nähe haben. Wenn Ganescha sich Lisa nur näherte, schlug Assan mit den Ohren und stieß wütende Trompetenstöße aus.

      Ganescha und Lisa berieten, was zu tun sei. Sie wollten nicht, dass der Elefant, der sie zusammengebracht hatte, sie nun auseinander brächte. Sie legten ihr ganzes Geld zusammen, borgten sich noch einen Großteil dazu und kauften die wunderschöne indische Elefantendame Calcutta. Sie führten sie Assan zu und hofften, dass der Elefantenbulle sich in die imposante Schöne verlieben würde. Aber so sehr Calcutta Assan auch umschmeichelte, so wenig interessierte der sich für sie. Seine ganze Liebe galt nach wie vor Lisa.“

      Balanca legte eine Pause ein. Niccolò wusste nicht, ob sein Großvater nur die Spannung erhöhen wollte oder aber Zeit brauchte, um Licht in die Vergangenheit zu bringe.“

      „Erzähle doch weiter“, drängte Niccolò. „Bitte.“

      „Nun, die Saison war bald zu Ende. Ganescha meinte, Assan müsse Lisa wieder entwöhnt werden. Lisa solle sich unters Publikum setzen und ihm die Vorführung überlassen. Was früher geklappt hätte, das würde auch heute möglich sein.

      Zur Abendvorstellung setzte sich Lisa nur widerstrebend unters Publikum und erwartete angespannt den Auftritt Ganeschas und Assans. Sie hatte vorher dem Elefantenbullen, der erkältet war, nach dem alten Zirkusrezept Elefantenkur, einen Eimer Tee gekocht, der zur Hälfte mit Weinbrand vermischt war, und genüsslich schlürfen lassen. Dann war sie mit schlechtem Gewissen davongeschlichen.

      Als Ganescha dann Assan in die Manege führte, umschloss Lisa ganz fest ihre Daumen. Der Elefant schüttelte auf Ganeschas Kommandos nur den gewaltigen Schädel. Seine hellen Trompetenstöße riefen immer dringender nach Lisa.

      Das Publikum begann zu lachen. Ganescha wurde unsicher und schließlich wütend. Als er mit dem Eisenpickel, den er sonst nie benutzt hatte, dem Bullen einen Stoß versetzte, schrie dieser auf. Er warf Ganescha mit einem Schlenker seines Rüssels in den Sand und stieg wie ein Pferd auf die Hinterbeine, um seinen Herrn zu zertrampeln.

      Die Zuschauer waren aufgesprungen und standen wie versteinert – jeden Augenblick musste der wütende Elefantenbulle den Mann unter sich zermalmen. Da stürzte Lisa in die Manege und sprang mit hochgereckten Armen zwischen Assan und Ganescha. Der Elefant setzte nun mit seinen Vorderfüßen behutsam auf dem Manegensand auf. Er grunzte vor Freude, sein Rüssel umspielte zärtlich Lisas Körper, dann tastete er über ihr Gesicht.

      Nun, Lisa brachte die Vorstellung problemlos zu Ende. Das Publikum dankte mit donnerndem Applaus. Hinterher sagten die Leute, dass alles doch nur Show gewesen sei.“

      Niccolò atmete erleichtert auf, doch dann sagte er: „Aber das ist doch immer noch nicht der Schluss der Geschichte.“

      „Du hast es wieder einmal getroffen, Kollege“, sagte der Großvater schmunzelnd. „Du willst also wissen, wie es wirklich ist.“

      „Das will ich wissen“, verlangte Niccolò, obwohl er ahnte, dass sein Wunsch nach einem glücklichen Ende sich nicht erfüllen würde.

      „Nun, Ganescha und Lisa haben schweren Herzens Assan und Calcutta an einen Zoo verkauft. Ich weiß nicht, ob die Elefantenliebe die beiden Riesen doch noch gepackt hat. Ich weiß nur, dass aus Ganescha wieder Fritz Müller und ein Bäckermeister wurde. Und Lisa hat nie im Operettentheater getanzt. Aus Fräulein Kowalke wurde Frau Müller. Sie verkauft wohl heute noch in ihrem Laden die Brötchen, die ihr Mann bäckt.“

      Balanca zog seine goldene Taschenuhr, die er an einem Lederband um den Hals trug, hervor, und warf einen Blick darauf. Sein Fuß trat ein paar Mal auf den Gashebel, dass der Motor hart und eilig tuckerte.

      „Feierabend“, sagte Balanca. „Die Welt haben wir zwar nicht sauber bekommen, aber immerhin ein paar Straßen gekehrt.“ Er hupte, dass der Weg frei wurde, und steuerte die Kehrwalze zum Maschinenpark der Stadtreinigung zurück.

      Auch als sie schon im Gedränge in der Straßenbahn standen, ging Niccolò die Elefantengeschichte nicht aus dem Kopf. War der Platz in der Liebe wirklich so eng? Reichte er gerade mal so für zwei? Ein Dritter war dafür wohl nicht vorgesehen. Und ein Vierter gar, wie die Elefantenkuh Calcutta, hatte wohl gar keine Chance. Und er, Niccolò Rosenbusch, liebte drei Frauen. Was sollte daraus nur werden?

      Er raunte dem Großvater zu: „Die Liebe, Balanca. Kann man denn gar nichts dagegen tun? Oder vielleicht dafür? Was soll man denn da bloß machen?“

      „Bist du denn verliebt, Kollege?“, fragte Balanca zurück.

      „Ich weiß nicht“, antwortete Niccolò. „Ich weiß nur, dass was passiert ist. So was wie ein Erdbeben. Oder eine Überschwemmung. Zur Zeit ist es ein ganz furchtbares Durcheinander. Mehr weiß ich leider nicht.“

      „Also eine Katastrophe“, mischte sich eine Frau ein, die neben ihnen stand und zwei hechelnde Möpse an sich drückte. Sie lachte verächtlich und sagte: „Anscheinend bist du tatsächlich verliebt, mein Junge. Nun sieh mal zu, wie du aus dem Schlamassel heil wieder heraus kommst. Ich jedenfalls habe es geschafft. Ich sage es jeden: Meinen Mann hat der Teufel geholt. Von mir aus kann der alle Männer holen.“ Und sie gab jedem ihrer Möpse einen schmatzenden Kuss auf den faltigen Kopf.

      Zu Hause schloss Niccolò sich Balanca an, der am Ufer des Atlantik seinen fünfminütigen Kopfstand absolvierte. Der Großvater war der Meinung, dass der Mensch wenigstens täglich einmal die Welt verkehrt herum betrachten müsse. Das diene der Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts und würde den Kreislauf in Schwung bringen.

      Nach dem Kopfstand fühlte Niccolò sich tatsächlich besser, wie Balanca vorausgesagt hatte. Er erledigte schnell die Schulaufgaben und setzte sich dann an Manuelas Computer, den die ganze Familie benutzte. Doch nur Niccolò kannte sich damit wirklich aus. Er musste sich nicht durch verwirrende Beschreibungen und Bedienungsanleitungen quälen, er probierte alles aus und merkte es sich dann.

      Manuela fand sich „halbwegs“ in dem für ihr Brillengeschäft zugeschnittenen Arbeitsprogramm zurecht, das hieß: Sie arbeitete sich von einer Katastrophe in die andere. Nachdem sie dann vergeblich das Hilfeprogramm befragt hatte, trommelte sie mit den Fäusten auf den Monitor, beschimpfte das „hirnlose Aquarium“ wegen seiner „ungenießbaren Datensuppe“ und flehte ihren Sohn an, dem „Unding“ ein wenig Vernunft beizubringen. Niccolò brachte dann den Rechner wieder zur Räson. Erklärungen, wie er das hingekriegt hatte, verlangte Manuela schon lange nicht mehr.

      Balanca benutzte den „außerirdischen Gehirnskasten“ ohnehin nur, um mit dem „Technik-Geist“ Schach zu spielen. Wenn er den unsichtbaren Gegner tatsächlich einmal besiegt hatte, sprang er vom Stuhl auf und rief: „Jetzt hab ich dich, Geist! Hast eben doch nur Chips in der Festplatte und bist längst nicht allwissend!“

      Niccolò rief das Universallexikon auf und gab Liebe ein. Auf dem Bildschirm erschien: – ein Begriff, mit dem eine Vielfalt von Gefühlen der Zuneigung charakterisiert wird, die auf Vereinigung mit dem geliebten Objekt zielen. Er erfuhr noch, dass man die Eltern, die Freunde, seine Freiheit und wohl auch sein Meerschweinchen lieben kann. In der christlichen Religion galt Jesus als Vorbild der Liebe, der durch seine Menschenliebe erst die wahre Liebe ermöglichte.

      „Ja, aber was ist denn nun die wahre Liebe?“, fragte er sich. War es vielleicht die personenbezogene Liebe zu einem Partner, die Sexualität mit einschließt? Er klickte auf Sexualität und bekam ein paar Seiten Text zu lesen, der ihn bald ermüdete. Sexualität hieß auf Deutsch Geschlechtlichkeit und bezeichnete laut Lexikonauskunft alle Vorgänge, die dazu dienen, eine geschlechtliche Fortpflanzung zu ermöglichen.

      Die Angelegenheit wurde immer verzwickter. Niccolò überlegte: Also, müsste er, um Paula zu lieben, Sex mit ihr haben. Aber wollte er sich denn mit Paula Klette fortpflanzen? Er war ja selbst noch ein Kind, wenn er es auch immer öfter gegen Manuela bestritt. Und wenn Paula womöglich Achtlinge zur Welt brachte wie diese Frau aus den USA, dann wäre er, Niccolò Rosenbusch, der Vater von acht Kindern. Das wäre bestimmt eine Weltsensation. Manuela würde einen Schreikrampf

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