ТОП просматриваемых книг сайта:
.
Читать онлайн.Bald darauf erreichen wir die Stadt, und ich kaufe mir eine Dose Pils. »Schließlich sind wir in Neustadt an der Dose«, lautet mein Kommentar.
Potsdam und Sanssouci
Bei der Suche nach einem rechten Beginn für dieses Kapitel bin ich fast am Verzweifeln, denn wenn ich an Potsdam und sein berühmtes Schloss denke, kann ich nur Karl Valentins epochaler Erkenntnis zustimmen: »Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.« Zum Glück kommt mir doch noch etwas in den Sinn, das noch nicht gesagt worden ist: Potsdam ist eigentlich gar keine Landeshauptstadt, sondern nur der 13. Berliner Bezirk. Denn wenn es eine Landeshauptstadt wäre, hätte es wenigstens einen Verein in der Fußballbundesliga. Dann fällt mir aber ein, dass nur zwei von 13 Flächenstaaten mit einem Verein in der Saison 2016/17 vertreten sind, nämlich Bayern und Rheinland-Pfalz, und außerdem gibt es den Frauenfußballklub Turbine Potsdam.
Wie die meisten Kinder habe auch ich den Städtenamen Potsdam ungewöhnlich früh kennengelernt, nämlich mit den ersten Zungenbrechern: Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschkasten. Den Potsdamer Postkutschkasten putzt der Potsdamer Postkutscher.
Reist man nicht mit der Postkutsche, sondern mit der S- oder Regionalbahn nach Potsdam, kann man am dortigen Hauptbahnhof das fast großstädtische Treiben beobachten. Im Minutentakt kommen Busse und Straßenbahnen an oder fahren wieder ab. Steigt man in ein solches grüngestrichenes Gefährt ein, freut man sich im ersten Moment, dass man als VIP begrüßt wird. Doch dann merkt man sehr schnell, dass ViP nur die Abkürzung für »Verkehrsbetriebe in Potsdam« ist.
Sightseeing ist in Potsdam weithin mit der Straßenbahn möglich, obwohl die Magistrale, die Brandenburger Straße, Fußgängerzone ist.
Daz gantze eyland muß ein paradeys werden, hatte 1664 der Fürst Moritz von Nassau dem Großen Kurfürsten angeraten, und Voltaire hatte ein wenig später den Charakter Potsdams wie folgt auf den Punkt zu bringen versucht: Athen und Sparta, Feldlager und Garten Epikurs, Trompeten und Violinen, Krieg und Philosophie.
Alle Sehenswürdigkeiten aufzuzählen, die Potsdam ausmachen, ist in diesem Rahmen unmöglich, also beschränke ich mich auf die, zu denen ich eine besondere Verbindung habe. Auf der Langen Brücke, die zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt gelegen ist, stehe ich gerne am Geländer und sehe zu, wie die Dampfer anlegen und abfahren. Die gewaltige Architektur des »Mercure Hotels«, ehemals das »Interhotel Potsdam«, empfinde ich als störend, viele Potsdamer wollen aber nicht, dass man ihr Denkmal an die DDR-Zeit abreißt. Jubeln lässt mich dagegen der Anblick des neuerrichteten Stadtschlosses, heute Sitz des Landtages.
Früher sind wir oft und gern vom Bahnhof durch die Stadt zum Schloss Sanssouci gegangen. Und ich habe mich immer gefreut, wenn jemand keine Blumen, sondern eine Kartoffel auf das Grab Friedrichs des Großen gelegt hat, der in der DDR nur »Friedrich II. von Preußen« genannt wurde.
Blicke ich die Schlossfassade hinauf und lese in großen Lettern Sans, souci, muss ich sofort an das Buch Das Komma von Sans, Souci von Heinz Dieter Kittsteiner denken, in dem er die Inschrift mit »Ohne Rütchen sorgenfrei« übersetzt und als eine Anspielung auf eine venerische Erkrankung Friedrichs versteht, die der sich kurz vor seiner Vermählung zugezogen hatte. Sie soll zur Kastration geführt haben, ohne die der König unweigerlich gestorben wäre. Ein Hinweis auf diese Geschichte fände sich auch in einem Bericht des Leibarztes Johann Georg Zimmermann, in dem von einem grausamen Schnitt die Rede sei.
Nicht der Alte Fritz, sondern Friedrich Wilhelm IV. hat August Borsig beauftragt, die Wasserspiele und den Springbrunnen in Sanssouci wieder instand zu setzen. 1842 lieferte der König vom Feuerland, so der Titel einer meiner Romane, eine Dampfmaschine mit achtzig Pferdestärken für das neue Pumpwerk in Potsdam, das im Stil türkischer Moscheen erbaut wurde.
Manchmal sind wir auch am Bahnhof Potsdam Park Sanssouci aus der Bahn gestiegen und haben uns dem Schloss vom Neuen Palais her genähert. Die Wanderung ging dann weiter zum Ruinenberg, die Pappelallee hinunter, durch die russische Kolonie Alexandrowka hindurch zum Schloss Cecilienhof und schließlich am Ufer des Jungfernsees entlang bis zur Glienicker Brücke.
Einmal kamen wir am Fontane-Archiv vorbei, das in der Villa Quandt auf dem Pfingstberg untergebracht ist, und ich stolperte über einen Stein. »Heb den bloß nicht auf und …«, warnte mich ein guter Freund, der wusste, was mir hier vor Jahren widerfahren war. Da hatte man mich erst zu einer Lesung aus meinem Buch Mord und Totschlag bei Fontane ein-, dann aber wieder ausgeladen, weil meine Literatur dem hohen Niveau des Hauses doch nicht entspreche.
Später habe ich aber doch noch mehrere Lesungen in Potsdam gehalten, einmal sogar bei einer Open-Air-Veranstaltung in einem Park hinter der Viereckremise.
Gern steige ich auch am Bahnhof Babelsberg aus der S-Bahn, schlendere durch den Park, bewundere das Schloss sowie die alte Berliner Gerichtslaube und gehe dann zur Glienicker Brücke.
Das Filmmuseum Potsdam und der Filmpark Babelsbergs dürfen natürlich nicht vergessen werden, ebenso wenig das Holländische Viertel.
Beenden möchte ich dieses Kapitel mit dem Hinweis, dass schon in der frühen Bronzezeit an der Einmündung der Nuthe in die Havel Menschen gesiedelt haben und die slawischen Heveller hier später eine Burganlage errichteten. Am 3. Juli 993 und damit rund fünfzig Jahre vor Berlin wurde der Ort als Poztupimi zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Von wegen, Potsdam sei nur ein Anhängsel Berlins!
Brandenburg an der Havel und der Beetzsee
Viele verstehen nicht, warum Brandenburg an der Havel als Wiege und Keimzelle der Mark nicht deren Landeshauptstadt ist und warum Brandenburg an der Havel so einen umständlichen Namen hat und nicht einfach Brandenburg-Stadt genannt wird wie etwa Mexiko-Stadt.
Früher, als ich in Hannover meine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte, fuhren die Interzonenzüge nach Berlin noch über Magdeburg und Brandenburg an der Havel. Vom Zugfenster aus bekam ich einen guten Eindruck von der Stadt, und da beschloss ich, sie einmal zu besichtigen.
Ich habe Brandenburg an der Havel dann sogar öfter besucht, mal mit der Familie, mal mit der Wandergruppe, mal allein zu einer Lesung. Vom Berliner Bahnhof Zoologischer Garten braucht man mit dem RE1 nur um die fünfzig Minuten bis nach Brandenburg. Ich habe dagegen fünfzig Tage gebraucht, um in Otto mit dem Pfeil im Kopf zu erzählen, wie im Jahr 1150 nach dem Tod des Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich das Land durch einen Erbvertrag an den Markgrafen Albrecht der Bär gefallen ist, der den aufmüpfigen Slawenfürsten Jaxa von Köpenick besiegte und 1157 die Mark Brandenburg begründete.
Alle Baudenkmäler der Stadt zu beschreiben – die Domkirche St. Peter und Paul, die Domklausur, die St.-Katharinen- und übrigen Kirchen, die mittelalterliche Stadtmauer der Alt- und der Neustadt, die vier erhaltenen Stadttortürme und das Altstädtische Rathaus – ist Sache der Reiseführer. Ich möchte jedoch erwähnen, dass es seit 1474 einen Roland in Brandenburg an der Havel gibt, so wie ja auch in Perleburg einer steht. Das versetzt mich als zeitweiligen Bremer natürlich in Entzücken.
Als ich Brandenburg an der Havel wieder einmal mit meinem Freund Volker bereise, mahnt er mich: »Von dir als Schriftsteller erwartet man, dass du bei allen Orten, von denen du in deinen Streifzügen berichtest, auf die Kollegen eingehst, die dort gewirkt haben.«
Ich mache mich kundig und stoße auf Namen wie Hans von Held, Julius von Voß, Heinrich Ludwig Bolze, Elisabeth Goedicke und Jean Wiersch, von denen ich noch nie zuvor etwas gehört habe. Nur Friedrich de la Motte Fouqué kenne ich. Selbstverständlich sind mir auch berühmte Söhne der Stadt wie Theodor Hosemann (1807–1875), der Maler, Illustrator und Karikaturist, nach dem eine Straße im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg benannt worden ist, der letzte Reichskanzler