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braunen Eiferern keine weitere Angriffsfläche zu bieten, auch freiwillig gemeldet, als es darum gegangen war, den Luftschutzwart für das Mietshaus in der Großen Frankfurter Straße zu bestimmen. Dazu hatte er verschiedene Schulungsabende besuchen müssen und einiges gelernt.

      «Wir unterscheiden im Wesentlichen erstens Sprengbomben, die durch Erdstoß, Luftdruck, Luftsog und Splitterwirkung die umliegenden Häuser beschädigen, zweitens Brandbomben, drittens Splitterbomben und viertens Bomben mit chemischen Kampfstoffen. Und darum gilt … Alle!»

      «Die Volksgasmaske muss stets griffbereit sein!»

      «Richtig! Der Luftschutzraum im Keller bietet Schutz gegen Luftdruckwirkung, Bombensplitter und Mauertrümmer. Darum … Alle!»

      «Bei Luftalarm immer Ruhe und Überlegung bewahren!»

      Die erste Initiative der Luftschutzwarte habe der Entrümpelung des Dachbodens zu dienen. «Alles Brennbare ist zu entfernen!»

      «Wie denn?», hatte Kappe gemurmelt. «Dann muss ich ja auch die Dachbalken zersägen und abtransportieren … Aber wer hält dann bis zum Endsieg die Ziegel?»

      Nach erfolgter Schulung hatte er eine Armbinde bekommen: hellblau mit weißem Randstreifen und einem weißen Kreis. Mit seinen Laienhelferinnen hatte er als Erstes den Hausboden mit Feuerlöscheimern, Wasserbehältern, Feuerpatschen, Sand und Eimereinstellspritzen ausgestattet.

      Als in dieser Nacht erneut die Sirenen heulten und Voralarm gegeben wurde, ging es bei ihm besonders hektisch zu, denn Margarete und Marlies schliefen bei ihnen.

      «Schnell in den Keller runter!» Karl-Heinz konnte ihnen nicht zur Hand gehen, denn er war Flakhelfer und musste sich beeilen, um rechtzeitig in seiner Stellung zu sein. Er wollte schon die Treppen hinunterspringen, da schrie er auf: «Seid ihr wahnsinnig geworden? Welcher Idiot hat denn im Wohnzimmer den Vorhang nicht zugezogen? Und du, Vater, willst Luftschutzwart sein? Anzeigen müsste man dich!»

      «Und dann kurzer Prozess», murmelte Kappe. Aber sein Sohn hatte ja recht. Jeder Verstoß gegen die Verdunkelungsverordnung vom 23. Mai 1939 wurde hart geahndet, unterstellte man doch jedem, der einen Lichtstrahl nach außen dringen ließ, den alliierten Bomberpiloten damit zeigen zu wollen, wohin sie zu zielen hatten.

      Kappe kleidete sich in aller Eile an und holte das Luftschutzgepäck aus der Abstellkammer. Dazu gehörten die wichtigsten Papiere und vor allem die Lebensmittelkarten. Als seine Enkeltochter angezogen war, heftete er ihr Leuchtplaketten an den Mantel. Alle trugen sie. Ihr schwacher Schein sorgte im Dunkel dafür, dass man mit niemandem zusammenstieß. Während seine Familie nun in den Luftschutzkeller eilte, öffnete er in der ganzen Wohnung die Fenster und fixierte sie mit den Haken, die sich unten an den Wasserschenkeln befanden, damit sie bei einem Bombeneinschlag nicht aus dem Rahmen flogen. Dann sprang er ins Treppenhaus und bummerte gegen die Türen der Mieter, die partout nicht in den Luftschutzkeller wollten.

      «Frau Böse, wenn wir einen Volltreffer abkriegen, ist es aus mit Ihnen!»

      «Das ist doch das Beste, was einem passieren kann.»

      Kappe konnte sie nicht zwingen. Er rannte zum Dachboden hinauf, um zu sehen, ob dort alles in Ordnung war. Er öffnete eine Luke und steckte den Kopf hinaus. So prachtvoll hatte er den Sternenhimmel über Berlin noch nie gesehen. Doch es war ein Himmel ohne Gefühl und ohne Gnade. Eiskalt nahm er alles hin, was gleich geschehen sollte: das hundertfache Sterben. Wieder heulten die Sirenen, diesmal Vollalarm. Im Westen tauchten die ersten englischen Bomber auf und setzten ihre «Tannenbäume», damit die nachfolgenden Kameraden in ihrem Licht die Gebäude ausmachen konnten, auf die sie ihre Bomben werfen sollten. Die Lichtfinger der deutschen Scheinwerfer suchten die Flugzeuge zu erfassen, die Flak begann zu feuern. Kappe machte, dass er in den Keller kam. Dessen Decke hatte man mit Betonbalken und -pfeilern verstärkt, außerdem konnte man, sollte es einen Volltreffer geben, durch Mauerdurchbrüche in die Keller der beiden Nachbarhäuser gelangen.

      Die Mieter saßen auf alten Wohnzimmerstühlen, Korbsesseln und einem Sofa, durch dessen roten Samtbezug die Sprungfedern schauten. Die einen dösten vor sich hin, die anderen hielten einen kleinen Plausch, als hätten sie sich in Friedenszeiten mitten auf dem Alex getroffen, die dritte Gruppe starrte gegen die weiß gekalkte Wand und suchte, alles um sich herum zu vergessen. Die dürre Lehrerin aus dem dritten Stock betete, die Hauswartsfrau erzählte Schauergeschichten.

      «Bei meiner Schwägerin im Haus ist eine Frau bei lebendigem Leibe verbrannt, die war nachher so klein, dass man sie in einem Margarinekarton beisetzen konnte. Aber wenn hier eine schwere Luftmine einschlägt, dann reißt es uns die Lunge entzwei, und das ist dann ein leichter Tod.»

      «Halt’s Maul, alte Kuh», brummte Kappe.

      Der pensionierte Finanzbeamte aus dem zweiten Stock, der schon etwas wirr im Kopf war, flüsterte Kappe ins Ohr, dass er ihn bedauern würde.

      «Warum denn das?»

      «Na, wie wollen Sie denn heutzutage einen Mörder festnehmen? Die tragen doch alle Uniformen und werden für ihre Untaten noch mit einem Orden ausgezeichnet.»

      Kappe verzog das Gesicht und flüsterte: «Eine solche Bemerkung kann Sie ins KZ bringen.»

      «Wieso denn, ich meine doch die Tommies und die Amis oben in ihren Fliegenden Festungen, die uns die Bomben auf den Kopf werfen.»

      Dann wurde es ernst, man hörte das Dröhnen der Flugzeugmotoren und registrierte den ersten Einschlag. Die Erwachsenen richteten sich auf und warteten mit angespanntem Körper auf das Unvermeidliche. Die Kinder weinten. Margarete presste ihre Tochter an sich.

      Kappe sah zur Decke hinauf. Noch rieselte kein Kalk herab, noch vibrierte die Grundplatte ihres Hauses nicht. Jede Sekunde aber konnte …

      Kappe versuchte, sich dadurch abzulenken, dass er an den Mordfall Irmgard Klodzinski dachte. Aber das fiel ihm schwer, weil sie bisher nur wussten, dass sie nichts wussten.

      Da kam der Einschlag, die Explosion. Alles bebte und wankte, die Lampe an der Decke flackerte erst, dann erlosch sie ganz.

      «Es ist aus mit uns!», schrie die Hauswartsfrau.

      Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:

      An der Ostfront wiesen unsere tapferen Truppen auch gestern starke

      Angriffe der Sowjets in schweren Kämpfen ab.

      Im hohen Norden setzten schnelle deutsche Kampfstaffeln ihre Angriffe gegen den Transportverkehr auf der Murmanbahn fort und beschädigten drei Züge schwer.

      In Italien kam es auch gestern im Landekopf von Nettuno außer beider seitiger Späh und Stoßtrupptätigkeit zu keinen wesentlichen Kampfhand lungen.

      Bei Cassino griff der Feind infolge seiner hohen Verluste aus den Vortagen gestern nicht weiter an.

      Deutsche Schnellboote führten in der vergangenen Nacht ein Unterneh men unter der englischen Küste trotz feindlicher Zerstörerangriffe plan mäßig und ohne Verluste durch.

      Kappe schaltete die Goebbelsschnauze, den Volksempfänger, den Piossek mit ins Büro gebracht hatte, wieder aus. Was das Oberkommando der Wehrmacht nicht bekanntgab, war sein Überleben beim gestrigen Luftangriff. Drei Häuser weiter war die Sprengbombe eingeschlagen, und es hatte sechs Tote gegeben.

      Es war, wie es war, und Kappe hielt sich an das, was einen guten deutschen Beamten ausmachte: Er sah sein Glück in der Pflichterfüllung. Also vergaß er die, die im Dienste töteten, und konzentrierte sich auf den einen privaten Mörder, der die Fahrkartenverkäuferin Irmgard Klodzinski erschlagen hatte. Mal zog er mit Gerhard Piossek, mal mit Gustav Galgenberg durch die Reichshauptstadt, um mehr über diese Frau zu erfahren. Anzufangen war im Hause Geisenheimer Straße 45, und da wollten sie zuerst mit der Hauswartsfrau reden.

      «Wie heißt die noch mal?», fragte Kappe, dessen Namensgedächtnis nicht das Beste war.

      «Lammkoth …», antwortete Galgenberg, «… äh … Kammloth!» Hildegard Kammloth war ebenso herb wie übergewichtig und genau der Typ von Frau, vor dem Kappe Angst hatte. So klang seine Stimme fast piepsig, als er sie

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