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Eva sieht rot. Liza Cody
Читать онлайн.Название Eva sieht rot
Год выпуска 0
isbn 9783867548861
Автор произведения Liza Cody
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Автор
»Schluck’s runter«, sagte Crystal, als ob sie Gedanken lesen könnte. »Wehe, du sagst was. Halt die Klappe und hör dir an, was sich hier abspielt. Bella, du bist am längsten im Geschäft. Erzähl du ihr, worüber ihr gestern geredet habt.«
»Über drei tote Frauen haben wir geredet«, sagte Bella. »Sie haben alle in dieser Gegend gearbeitet. Sie kamen alle in diese Kneipe. Wir glauben, dass es irgendwer auf uns abgesehen hat.«
»Sie könnten auch zu zweit sein«, sagte Mandy. »Dawn ist mit zwei Kerlen abgezogen.«
»Aber ihr habt sie doch nicht gesehen«, sagte Crystal. »Das habt ihr zumindest den Bullen erzählt.«
»Na ja, irgendwie haben wir sie schon gesehen«, sagte Bella. »Aber andererseits auch wieder nicht. Bloß, dass es zwei Typen waren. Ich habe nicht besonders auf sie geachtet. Ich achte nur auf die, die auf mich achten. Tut mir leid, Crys.«
»Wir haben alle nicht aufgepasst«, sagte Stef. »Und jetzt laufen da draußen zwei Killer rum, und wir würden sie nicht wiedererkennen.«
»Vielleicht sind sie gar nicht da draußen«, sagte Mandy. »Vielleicht sind sie hier drin.«
»Und glotzen uns an«, sagte Stef.
»Und nehmen schon die Nächste aufs Korn«, sagte Mandy.
»Sucht euch eine andere Stammkneipe«, sagte ich. Sie sahen mich an, als ob ich nicht ganz dicht im Kopf wäre. Aber während sie schnatterten und sich gegenseitig Angst machten, hatte ich schon ein bisschen darauf geachtet, wie die anderen Gäste sie beäugten. Normalerweise sehe ich nur Menschen, Gesichter. Aber diesmal sah ich Männer, nichts als Männer. Wenn du die unterschiedlichsten Männertypen beobachten willst, brauchst du dich nur einmal mit einem Trupp Professioneller in eine volle Kneipe zu setzen.
»Dieser Pub hat seine Vorteile«, sagte Bella.
»Was für Vorteile?«
»Der Markt«, sagte Bella. »Viele Leute, die auf den Markt gehen, kommen auf ein Gläschen hier rein.«
»Er hat den ganzen Tag geöffnet«, sagte Mandy. »Wir können uns die Arbeitszeit selber aussuchen.«
»Der Wirt lässt uns in Frieden«, sagte Stef.
»Wir wohnen in der Nähe«, sagte Bella. »Die Blagen wissen, wo sie uns finden, und wir können sie ein bisschen im Auge behalten.«
»Du kannst ja noch von Glück sagen«, sagte Stef. »Du hast einen Opa als Babysitter. Aber mir haben die Bullen meinen Trevor weggenommen.«
»Ihr Freund«, sagte Bella. »Wegen Zuhälterei, hieß es.«
»Die haben mir meinen Babysitter eingelocht«, sagte Stef. »Das ist einfach nicht fair.«
»Scheiße«, sagte ich. »Heißt das etwa, ihr habt alle Kinder?« Und ich dachte immer, meine Ma wäre die größte Schlampe.
»Ein paar von uns«, sagte Bella. »Was dachtest du denn? Dass man keine Kinder haben darf, wenn man auf den Strich geht?«
»Davon hat sie kein Wort gesagt«, sagte Crystal. »Fang nicht schon wieder an. Bleib bei der Sache. Und die Sache ist doch die, dass ihr Hilfe braucht. Stimmt’s?«
»Wie soll man denen denn helfen?«, sagte ich zu Crystal. »Weil sie Geld verdienen wollen, müssen sie alleine sein. Sie müssen schon selber auf sich aufpassen.«
»Zeigt ihr die Gasse und den Parkplatz«, sagte Crystal. »Damit sie sich ein Bild machen kann.«
»Zeig du sie ihr doch«, sagte Bella. »Sie will nicht mit uns ›Schlampen‹ gesehen werden. Sie hält sich für was Besseres.«
Wie witzig! Ist dir das auch schon aufgefallen? Dass ausgerechnet die Leute, die auf dich runtersehen, dir vorwerfen, du würdest dich für was Besseres halten? Achte mal drauf, und du wirst sehen, dass ich recht habe.
Diese Schlampen sahen auf mich runter! Und nur, weil ich groß und kräftig und nicht feminin genug für sie bin. Und mir meine Brötchen mit ehrlicher Arbeit verdiene. Auf jeden Fall mit ziemlich ehrlicher Arbeit. Was Besseres als diese Schlampen? Und ob ich was Besseres bin!
»Was wollt ihr trinken?«, fragte Crystal schnell. »Los, Eva, wir holen eine Runde. Ich gebe einen aus.«
Also gingen wir an die Theke. Was mir nur recht war, ich hätte es keine Minute länger an dem Tisch ausgehalten. Sie waren solche Luschen, alle durch die Bank. Sie konnten es gar nicht abwarten, ins Kühlfach zu klettern und sich neben Dawn zu legen. Ich hasse Frauen, die herumstolzieren, als ob sie sagen wollten: »Hier bin ich, du kannst mich haben, und wenn du es auf die härtere Tour willst, bitte sehr. Ich kann sowieso nichts dagegen machen außer jammern.« So ein Benehmen bringt uns alle in Verruf.
Ich bin nicht so. Bin noch nie so gewesen. Werde nie so sein. Und ich bin froh drum.
»Es ist ein Job«, sagte Crystal. »Es ist doch bloß ein Job, Eva.« Wir standen an der Theke und warteten darauf, bedient zu werden.
»Was mich stört, ist gar nicht der Job«, sagte ich, obwohl es gelogen war. »Was mich stört, ist die Einstellung.«
»Du darfst sie nicht verurteilen«, sagte Crystal. »Ich habe Dawnie auch nie verurteilt. Eine Zeit lang dachte ich, sie würde sich ein bisschen Geld zusammensparen und Kosmetikerin werden. Fürs Schminken hatte sie nämlich ein Händchen. Und sie hätte ihren eigenen Salon aufmachen können. Sie hat ja auch nicht schlecht verdient. Aber sie konnte mit Geld nicht umgehen. Was sie verdient hat, hat sie ausgegeben. Sie hat nie was zurückgelegt. Es hat keinen Sinn, sich die Leute so zu wünschen, wie man sie gern hätte. Klüger, vorsichtiger oder stärker.«
»So was kann man lernen«, sagte ich.
»Kann man nicht«, sagte Crystal. »Okay, das eine oder andere kann man vielleicht doch lernen. Aber ich kann nicht lernen, groß oder hübsch zu sein. Du kannst nicht lernen, Einstein zu sein, und Dawn konnte nicht lernen, eine berufstätige Frau zu sein, nur um mir einen Gefallen zu tun. Jeder ist so, wie er ist.«
Und dann waren wir endlich an der Reihe. Der Wirt sagte: »Was soll’s denn sein, Crystal?«
Und Crystal wollte gerade die Bestellung aufgeben, als die Wirtin rüberkam und sagte: »Das geht aufs Haus, Crystal. Es tut uns sehr leid wegen deiner Schwester.«
Crystal sagte: »Danke, aber ich wollte eine Runde ausgeben, und wir sind zu fünft«
Die Wirtin sah zu dem Tisch, an dem Bella, Stef und Mandy saßen. Sie sagte: »Na gut, ausnahmsweise. Die Mädels sind bestimmt auch ziemlich fertig mit den Nerven.«
Und sie spendierte uns allen einen Drink, sogar mir. Es war nicht zu übersehen, dass jeder große Stücke auf Crystal hielt. Vielleicht, weil keiner sie so gut kannte wie ich. Ich kannte sie schon, als sie noch eine kleine Diebin und Schnorrerin war. Wahrscheinlich ist sie das heute noch. Woher hätte sie sonst den ganzen Trödel, den sie an ihrem Stand verkauft?
Aber so hatte sie überlebt, als sie noch gefroren und gehungert hat und nicht einmal einen Pinkelpott ihr Eigen nannte – mit Stehlen und Schnorren und damit, dass sie immer einen Doofen fand, den sie ausnehmen konnte.
Und ich habe überlebt, weil ich groß war und gelernt habe stark zu sein.
Und Dawn? Dawn hat schließlich nicht überlebt, deshalb kann ich sie kaum als Beispiel hernehmen.
Was ich meine, ist Folgendes. Vom Denken kriege ich Zahnschmerzen. Und Zahnschmerzen erinnern mich daran, warum ich Kies brauche.
»Wo willst du hin?«, fragte Crystal.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Nirgendwohin.« Ich kann es nicht ausstehen, wenn mich wer beim Denken stört.
»Was macht ihr da drüben?«, fragte die Wirtin. »Soll das so was wie ein Kriegsrat sein?«
»Eva will ihnen Selbstverteidigung beibringen«, sagte Crystal. Was für eine Frechheit.
»Gute Idee«, sagte die Wirtin.