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Und er antwortet ihnen und sagt: »Wer ist meine Mutter und meine Geschwister?«

      (34) Und er sieht ringsum auf die, die um ihn im Kreise sitzen, und sagt: »Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Geschwister! (35) Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.«

       Redaktion

      Der Abschnitt Mk 3,20-35 weist die für Mk typische Verschachtelungstechnik auf. Man vgl. die große Anzahl von Belegen – die eingeschachtelte Erzählung ist jeweils in Klammern gesetzt: 5,21-43 (V. 25-34); 6,7-30 (V. 14-29); 11,12-24 (V. 15-19); 14,1-11 (V. 3-9); 14,54-72 (V. 55-65). Die anderen Evangelien des Neuen Testaments, die das MkEv ausschreiben, machen die Verschachtelung häufig rückgängig, ein Grund mehr, diese als Stilmittel des Mk aufzufassen, der damit oft eine zusammenhängende Überlieferung auseinandergerissen und in sie, um einen größeren dramatischen Effekt zu erzielen, eine weitere Erzählung eingearbeitet hat.

      V. 20 ist aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen ganz auf Mk zurückzuführen.

      V. 21: Hier beginnt das Überlieferungsstück, das Mk zerrissen hat.

      V. 22-30: Jetzt folgt eingeschachtelt eine Geschichte über »Jesus und die bösen Geister«, in der Schriftgelehrte aus Jerusalem gegen Jesus den Vorwurf erheben, er habe den Beelzebul, d.h. er sei besessen (V. 22). Diese Attacke steigert den Vorwurf der Verwandten aus V. 21, Jesus sei von Sinnen, und wird von Mk den Schriftgelehrten in den Mund gelegt. Jerusalem ist für Mk die feindselige Stadt, in der Jesus getötet werden wird und die deshalb dem Untergang geweiht ist. Schriftgelehrte aus Jerusalem sind für Mk also die schlimmsten vorstellbaren Gegner.

      Anschließend (3,31-35) setzt sich die in V. 20-21 begonnene Erzählung fort:

      V. 31-32: Mk kennzeichnet »die Seinen« aus V. 21 nachträglich als leibliche Familie Jesu. Auf die Nachricht des Volkes hin (V. 32) definiert Jesus im Folgenden seine Familie neu.

      V. 33-35: Nur diejenigen können Bruder, Schwester oder Mutter Jesu sein, die den Willen Gottes tun. Auffällig ist dabei das Fehlen des Vaters Jesu. Den Schlüssel zum Verständnis liefert Mk 10,29-30:

      (29) »Es sagte Jesus: ›Amen, ich sage euch: Es gibt keinen, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen verlassen hat, (30) ohne daß er Hundertfaches empfangen wird: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker – unter Verfolgungen – und im kommenden Äon ewiges Leben‹.«

      Beide Stellen spiegeln eine Gemeinschaft der Nachfolge Jesu wider, die keinen Vater jüdisch-patriarchaler Art kennt. Das läßt sich wohl so erklären, daß Jesus zufolge alle denselben himmlischen Vater haben und deshalb keiner irdischen Väter bedürfen, die Machtansprüche erheben (vgl. Mt 23,9: »nennt nicht jemanden unter euch Vater auf der Erde!«).

       Tradition

      V. 21.31-35: Die von Mk vorgefundene Überlieferung umfaßt den Grundstock von V. 21.31-35. Sie kann als ideale Szene bezeichnet werden, in der sich Jesus über seine wahre Familie äußert.

      V. 22b-27: Dieses Stück hat eine Parallele in Q (vgl. Mt 12,22-30/Lk 11,14-23) und setzt sich aus zwei Einheiten zusammen. V. 22b-26: Die Einteilung in Angriff und Antwort als doppelgliedriges Bildwort (gespaltenes Reich und entzweites Haus) entspricht der typischen Form jüdischer Debatte. V. 27: Dieses Bildwort ist ein ursprünglich freies Logion.

      V. 28-29 sind ein Gesetzeswort bzw. eine Gemeinderegel, die im jetzigen Kontext etwas in der Luft hängt, weil vorher vom heiligen Geist nicht die Rede war. Zur Lästerung des heiligen Geistes in V. 29 vgl. Lk 12,10 (Q).

      V. 30 rundet den Vorwurf gegen Jesus ab (vgl. V. 22).

       Historisches

      V. 21.31-35: In der idealen Szene sind zwei Traditionskerne enthalten, die auf historisches Urgestein schließen lassen: a) Die Familie Jesu hielt ihn für »von Sinnen« (V. 21) und wollte ihn ergreifen. Eine solche Nachricht ist zu anstößig, als daß sie hätte erfunden werden können (zur weiteren Begründung s. zu Lk 2,7 unter »Historisches«). Zudem lassen Mt und Lk in der Verarbeitung des MkEv diese Notiz ersatzlos aus (vgl. Mt 12,46-50; Lk 8,19-21). Sie streichen sie also. b) Der Satz V. 35 reflektiert die soziale Struktur von Gemeinden in der Nachfolge Jesu nach »Ostern« (vgl. oben zur Redaktion). Der Vers spiegelt die Situation von ortsansässigen Konvertiten wider, die von ihrer Familie verstoßen worden waren (vgl. Lk 14,26/Mt 10,37), und verheißt ihnen eine soziale Ersatzfamilie. Geschichtlich ist dieser Satz aber nicht, denn er ist aus der Gemeinde abzuleiten. Jesus hatte überhaupt keine Ersatzfamilie im Blick, sondern das Reich Gottes, in dem er mit den Zwölfen herrschen und zuvor Israel richten werde (Mt 19,28).

      V. 23b-27: Jesus hat die Sätze Mk 3,27 im Gefühl des sicheren Sieges gesprochen und bezieht sich in ihnen auf Satan. Das gleiche gilt für V. 23b-26. Jesus selbst hat offenbar seine Wunder als Zeichen für das Hereinbrechen des Reiches Gottes aufgefaßt (Bultmann, 11); vgl. Lk 11,20.

      V. 28-29: Diese Worte sind unecht, denn sie gehen auf die Gemeinde zurück. Interessant ist, daß es eine zweistufige Sanktion gibt: a) Sünden und Lästerungen werden vergeben (vgl. zu Mt 18,15-18); b) Lästerungen gegen den heiligen Geist sind unvergebbar und werden mit der ewigen Verdammnis bestraft. Wahrscheinlich handelt es sich hier um uneinsichtige Übeltäter (vgl. Mt 18,17), die dann aus der Gemeinde ausgestoßen wurden.

       Zur Gleichnisauslegung

      Gleichnisse bilden die Mitte der Verkündigung Jesu. Die moderne Gleichnisforschung beginnt mit Adolf Jülicher (1857–1938). Er hatte den radikalen Unterschied zwischen Allegorie und Gleichnis herausgearbeitet. Allegorien seien Deutungen der verschiedensten Einzelpunkte eines Gleichnisses, das man nicht mehr verstand, da die Situation, in der es gesprochen wurde, unbekannt war. „Eine Allegorie liegt dort vor, wo ein Redeganzes erst durch Übertragung aller seiner Hauptbegriffe … auf ein anderes Gebiet zum wahren Verständnis gelangt“ (Jülicher I, 59).

      Jülicher sieht die allegorischen Deutungen, die Jesus in den Mund gelegt wurden, als spätere Zutaten an. Die Gleichnisse Jesu seien demgegenüber ein Stück wirklichen Lebens und richteten sich an einer Pointe aus. »(Z)wischen der Bildhälfte der Gleichnisse Jesu und ihrer Sachhälfte, d.h. der intendierten Sachaussage, um derentwillen das Bild ersonnen wurde, gibt es nur eine Berührungsstelle, einen Vergleichspunkt, ein tertium comparationis« (Schramm / Löwenstein, 136).

      „Vom Gleichnis unterscheidet Jülicher die Parabel, die nicht zwei Sachverhalte nebeneinander stellt, sondern den als Gleichnis dienenden Sachverhalt in Erzählung umsetzt“ (Bultmann, 188). Die Übergänge zwischen Gleichnis und Parabel verschwimmen aber oft, so dass ein Forscher wie Joachim Jeremias (1900–1979) auf eine Differenzierung verzichtet (J. Jeremias, 16). Außerdem macht hebr. maschal / aram. mathla keinen Unterschied zwischen Vergleich, Sprichwort, Parabel, Gleichnis (Wellhausen, 349).

      Von Jeremias stammt auch die Kritik an Jülicher, dieser habe versäumt, den historischen Ort der einzelnen Gleichnisse im Leben Jesu zu behandeln. Da Jülicher ferner – so Jeremias – den endzeitlichen Kontext des Reiches Gottes für die Gleichnisauslegung nicht hinreichend berücksichtigte, habe er die Aufgabe nur zur Hälfte erfüllt. Jeremias bilanziert: »(D)ie Hauptarbeit bleibt: es muß versucht werden, den ursprünglichen Sinn der Gleichnisse wiederzugewinnen« (J. Jeremias, 16). Diesem Votum schließe ich mich an, betone aber zugleich, dass diese Forderung nicht immer in die Tat umgesetzt werden kann.

      Mk 4,1-20: Das Sämannsgleichnis und seine Deutung

      (1) Und wiederum begann er am Meer zu lehren. Und zu ihm kommt eine sehr große Volksmenge, so daß er ins Boot steigt und auf dem Meer sitzt. Und das ganze Volk war beim Meer auf dem Land.

      (2) Und er lehrte sie viele (Dinge) in Gleichnissen und sagte ihnen in seiner Lehre:

      (3) »Hört! Siehe,

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