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der Beratung und Seelsorge sind mir immer wieder Menschen begegnet, die sich überarbeitet haben. Sie powern irrealen Zielen entgegen. Wenn dann der Organismus streikt, wenn seelische oder körperliche Krankheiten den so genannten »Fortschritt« stoppen, dann gibt es ein böses Erwachen.

      Fragen tauchen auf:

      – Was mache ich eigentlich?

      – Was will ich zutiefst erreichen?

      – Welche sinnvollen Ziele strebe ich an?

      – Ist Arbeit der Sinn des Lebens?

      Hitler ließ über dem Eingang zu einigen Konzentrationslagern in weithin sichtbaren Buchstaben den provozierenden Satz »Arbeit macht frei!« anbringen. Eine Unverschämtheit!

      Wer arbeitet, ist beschäftigt und kommt nicht auf dumme Gedanken. Auch heute gilt:

      – Wer schwer arbeitet, hat keine Zeit, über sein Leben nachzudenken.

      – Wer schuftet, fragt nicht. Das Tier wird getrieben, der Mensch kann fragen.

      – Wer wie ein Besessener arbeitet, verdrängt die existenziellen Fragen nach dem Leben, dem Sinn und dem Warum.

      Auch da erscheint der Teufel als geschickter Durcheinanderbringer.

      Skepsis und Skeptizismus haben sich als Prinzip weltweit breitgemacht. Skepsis bedeutet in Wirklichkeit: Sich der Wahrheit stellen. Skepsis ist kein Synonym für Unglauben. Der wahre Skeptiker stellt sich der Wahrheit. Und diese Wahrheit ist Christus und der christliche Glaube. Wer Christus vertraut, wird über Arbeit, über Ehrgeiz und Perfektionismus eine veränderte Sicht bekommen.

      Darum sollen im nächsten Kapitel die vielen Gesichter des Perfektionismus, um nicht zu sagen die Fratzen des Vollkommenheitsstrebens, untersucht werden.

       KAPITEL 2

      Perfektionismus hat viele Gesichter

      Den Perfektionismus gibt es nicht. Sein Erscheinungsbild ist vielschichtig, seine Ausdrucksformen zahlreich.

       Jeder ist seines Stresses Schmied

      Perfektionismus ist eine schlechte Angewohnheit. Er kann unser Denken und Handeln bestimmen.

      Wie sagte schon der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel vor ein paar tausend Jahren: »Nicht die Tatsachen entscheiden über unser Leben, sondern wie wir sie deuten.«

      ▪ Unsere Gedanken machen eine Sache gut oder schlecht.

      ▪ Unsere Gedanken beflügeln oder lähmen uns.

      ▪ Unsere Gedanken machen uns gelassen oder produzieren einen inneren Aufruhr.

      Eine nachdenkliche Geschichte kommentiert diese Aussage:

      Es war einmal ein Mann. Man nannte ihn Adam. Er hatte viele Jahre mehr schlecht als recht gelebt. Viele Probleme trieben ihn um, über die er sich Gedanken machte und die ihn über die Maßen stressten. Alle Kleinigkeiten dramatisierte er. Das machte schließlich ein Nervenbündel aus ihm.

      Eines Tages bekam er Krebs. Zuerst wurde er operiert und dann mit Strahlen behandelt. Leider blieben alle Eingriffe erfolglos. Er siechte dahin und der Tod klopfte an seine Tür.

      Kurz vor dem Sterben, sein handgeschriebenes Testament lag neben ihm, zog sein Leben noch einmal wie ein Film an seinem inneren Auge vorbei. Einige Ereignisse machten ihn hellhörig. Ein erster Freund, er war zehn Jahre alt, hatte sich über ihn lustig gemacht. Jedenfalls glaubte er das. Er trennte sich von ihm und wollte ihn sein Leben lang nicht wiedersehen. Mit 17 Jahren verliebte er sich das erste Mal. Das Mädchen hielt ein Rendezvous nicht ein und er wandte sich enttäuscht und verbittert von ihm ab. Ein Jahr lang war er untröstlich. Als er verheiratet war und die Katze des Nachbarn auf sein gepflegtes Rosenbeet einen Haufen setzte, führte er einen erbitterten Rechtsstreit, der ihm den ersten Herzinfarkt bescherte. Viele Beispiele mit ähnlichen Reaktionen streiften sein Gehirn. Er schüttelte den Kopf und musste ernsthaft lachen. Dann nahm er seinen Füllfederhalter und schrieb seinen Kindern folgenden Satz ins Testament: »Ihr Lieben, denkt immer daran, im Angesicht der Ewigkeit sind tausend Probleme unseres Lebens, die wir viel zu wichtig genommen haben, wie ein Windhauch – ohne jede Bedeutung.«

      Adam hat recht. Im Angesicht des Todes sind die meisten Probleme unseres Lebens, die wir verstärkt dramatisiert, zergrübelt und aufgeblasen haben, völlig überflüssige Aufregungen.

      Es sind also negative Gedanken, die den eigentlichen Stress beinhalten. Perfektionismus ist ein hässlicher Stressfaktor, der unser Leben einschnürt, es belastet und viele Energien unnötig auffrisst. Aber hinter dem Perfektionismus steckt eine falsche Leitidee:

      – »Nur wenn du vollkommen bist, hat man dich lieb!«

      – »Nur wenn du fehlerfrei arbeitest, kannst du bestehen!«

      – »Gut ist nicht gut genug. Hol das Letzte aus dir heraus!«

      Dieser innere Antreiber kann sich lebensbedrohlich auswirken.

       Der introvertierte und der extrovertierte Perfektionist

      Da ist Frau Fischer. Eine penetrant ordentliche und zuverlässige Frau. Sie ist Buchhalterin in einer Textilfirma und bei der Firmenleitung beliebt. Ihre Arbeit ist einwandfrei. Wenn sie nicht fertig wird, macht sie Überstunden. Sie will die Arbeit erledigen. Was nicht erledigt ist, bereitet ihr enorme Kopfschmerzen. Am Ende des Jahres war ihr »ein kleiner Patzer« bei der Jahresabschlussbilanz unterlaufen. Sie war untröstlich. Die Firmenleitung beklagte sich nicht, aber Frau Fischer lag mit sich im Krieg. Sie konnte zu Hause ihren Haushalt nicht schaffen, war unglücklich und nicht zu genießen.

      »Ich bin eine dumme Pute. Der Fehler hätte nicht geschehen dürfen. Eine ordentliche Buchhalterin ist gegen solche Fehler gefeit. Wenn mir das wieder passiert, werfen mich die Chefs raus. Ein Buchhalter muss perfekt sein, sonst kann er gleich gehen.«

      Was sind die Kennzeichen eines introvertierten Perfektionisten?

      – Er ist unerbittlich gegen sich selbst.

      – Er kann sich Fehler und Sünden nicht vergeben.

      – Er kann Fehler bei anderen entschuldigen, aber nicht bei sich.

      – Er wertet sich selbst ab.

      – Er leidet an sich.

      Herr Weber ist ein extrovertierter Perfektionist. Er ist Kontrolleur in einer Elektrofirma. Er ist genau und überkorrekt. Aber er hat eine Schwäche. Ihn ärgert ungemein, wenn eine Kollegin oder ein Kollege etwas vergisst. Jede Großzügigkeit des anderen ist ihm ein Dorn im Auge. Als Kontrolleur – auf diesem Posten ist er goldrichtig – sieht er alles, hört er alles und weiß alles. Seine Kollegen meiden ihn, weil sie in ihm einen »Stänkerer« sehen. Den Spitznamen trägt er seit Jahren. Wenn in der Firma von »Stänker« die Rede ist, weiß jeder, wer gemeint ist.

      Herr Weber ist verheiratet und hat zwei Söhne von 13 und 15 Jahren. Das Verhältnis zu ihnen ist mehr als schlecht. Wenn der Vater nach Hause kommt, geht die Kritik los. Irgendwas findet er immer. Einer seiner Söhne hat ihm eines Tages das böse Wort in Riesenlettern an sein Arbeitszimmer geheftet: »Wer sucht, der findet. Wer nicht sucht, findet auch immer.« Der Vater kann darüber nicht lachen. Ihn ärgert diese Kritik, weil er darin eine unverschämte Rebellion sieht.

      Was sind die Kennzeichen eines extrovertierten Perfektionisten?

      – Er sieht bei andern Fehler und Schwächen.

      – Er kritisiert die Unvollkommenheiten anderer.

      – Er kann sich leichter verzeihen.

      – Er macht lieber die Arbeit selbst, um nicht die Unvollkommenheit anderer ertragen zu müssen.

      – Er hat ständig

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