Скачать книгу

ja, es wäre großartig, ein Bier miteinander zu trinken (oder besser noch jeder von uns eines).

      Nachdem ich Deinen letzten Brief dreimal gelesen hatte (er löste ein eigenartiges Gefühl der Erleichterung in mir aus), habe ich noch etwas weiter darüber nachgedacht, woran es wohl liegt, dass ich immer mehr Geschmack an Liturgie finde. Ich glaube, es ist Folgendes: Die Worte der Glaubensbekenntnisse sind fest und zuverlässig, ohne in Klischees zu verfallen. Natürlich sind es nur Worte, und somit haben sie ihre Grenzen. Wenn man versucht, Gott zu beschreiben, ist das etwa so, als wollte man den Mond mit Schneebällen treffen, findest du nicht, Adrian? Mehr als sieben oder acht Meter hoch werden wir die Schneebälle wohl kaum auf die Reise schicken, und das ist praktisch nichts, wenn man bedenkt, dass der Mond rund 400000 Kilometer von uns entfernt ist. Wenigstens sind die Worte der Glaubensbekenntnisse ein guter Anfang.

      Es gibt viel zu viele wabbelweiche Wörter auf der Welt – und nicht zuletzt in der christlichen. Du hast schon einmal erwähnt, dass Gott keinen Wert auf diese öden, farblosen Blumen von der Tanke legt. Ich habe so eine Theorie, dass er auch keine Gartenmöbel aus Plastik mag. Weißt Du, welche ich meine, Adrian? Man lässt sich auf einen dieser weißen Plastikstühle nieder und merkt gleich, dass sie beängstigend wackelig sind, und aus dem netten Päuschen im Garten mit einem Pimm’s mit Limonade und Eis wird nichts, weil man unversehens auf der Terrasse eine Rolle rückwärts macht.

      Die moderne Technik und insbesondere die sozialen Netzwerke machen es möglich, dass ständig Millionen von Wörtern zirkulieren, und manche der Klischees, die regelmäßig unter Christen die Runde machen, bringen mich schier zur Verzweiflung. Erst heute ist mir das wieder passiert. Bei Facebook postete heute Morgen jemand: „Glaube heißt nicht zu glauben, dass Gott etwas tun kann, sondern zu glauben, dass er etwas tun wird!!!“ Die drei Ausrufezeichen zeigten die atemlose Begeisterung, mit der diese Äußerung abgesetzt wurde – und all das raubt mir in der Tat den Atem. Man braucht nur eine einzige Gehirnzelle kurz in Gang zu setzen, um zu merken, dass das völliger Quatsch ist. Falls Gott uns nicht unmissverständlich über seine exakten Zukunftspläne informiert (was in der Regel bedeutet, dass er einen Engel mit einem Newsflash auf die Reise schickt, und das kommt äußerst selten vor), wissen wir meistens einfach nicht, was er als Nächstes tun wird, und wenn wir etwas anderes behaupten, ist das nichts als hohle Anmaßung. Gott hat es so an sich, dass er Gott ist, und auch wenn ich mich aufblase und so tue, als wüsste ich, wie diese Krebsbehandlung oder jene Familienkrise ausgeht, weiß ich es in Wirklichkeit eben nicht. „Glaube“ von der Art, Gott herumzukommandieren oder zu einem Flaschengeist zu machen, ist äußerst unzuverlässig und dazu verdammt, genauso zusammenzubrechen wie jener Plastikgartenstuhl, in den meine wohlbeleibte Tante Gladys ihren umfangreichen Hintern zu pflanzen versuchte. Die Glaubensbekenntnisse hingegen haben etwas beruhigend Antiquiertes und Solides an sich, wie Eichenholz. Sie haben sich durch eine lange Zeit hindurch bewährt. Millionen Menschen haben sich mit ihrem ganzen Gewicht auf sie gestützt, und sie haben unverrückbar gehalten.

      Gedanken darüber gemacht, wie wir das Christentum „vermarkten“. Besondere Sorgen mache ich mir wegen des verbreiteten Marketingversprechens, wer Jesus folge, werde infolgedessen stark sein. Manchmal sehe ich Werbeanzeigen für Konferenzen, bei denen ich am liebsten wegrennen und mich verstecken möchte: „Komm und sichere dir deinen Platz bei der weltweiten Einberufung der siegreichen Kämpfer Gottes!“ Häh? Wer besitzt denn so viel unverfrorene Tollkühnheit, sich bei einer solchen Veranstaltung blicken zu lassen? Gibt es vielleicht im Programm auch ein Seminar mit dem Titel „Demut für Leute, die sich für siegreiche Kämpfer halten“? Muss ich mich als siegreicher Kämpfer nominieren lassen, und erkläre ich mich einfach selbst dazu?

      Mich machen solche Sachen furchtbar müde, Adrian. Vielleicht sollten wir unsere eigene Konferenz aufziehen: „Komm und sichere dir deinen Platz beim Kreistreffen der Trottel ... jeder ist willkommen, mit Ausnahme derer, die meinen, sie wären über den Trottelstatus hinaus ...“

      Jesus war nicht immer stark. Manchmal gelang es ihm nicht, seine Emotionen im Zaum zu halten. Er fühlte sich unendlich einsam in Gethsemane und flehte seine Freunde an, mit ihm zu wachen und zu beten, einfach bei ihm zu sein und wach zu bleiben. Und seine letzten Worte vor seinem Tod waren ein qualvoller Aufschrei der Verlassenheit. Das ist wohl kaum das Porträt eines Kämpfers, wie wir es kennen.

      Vor diesem Hintergrund bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich gerne so wäre wie der kleine gelbe Vogel, der sich in letzter Zeit bei unserem Haus in Colorado herumtreibt. Seit ein paar Wochen werden wir regelmäßig beim ersten Morgengrauen von seinem Lobgesang aus dem Schlaf gerissen. Schlafmangel ist nicht das einzige Resultat unseres mitteilsamen gelben Gastes: Unsere hintere Veranda ist über und über mit seinen Hinterlassenschaften besprenkelt. Jemand gab mir den Tipp, mir in dem Plastikgartenmöbelgeschäft eine große Plastikeule zu kaufen; die würde unseren anhänglichen Vogel verscheuchen. Fehlanzeige. Das Eulenimitat ist zu einem komfortablen Sitzplatz für unseren sprenkelfreudigen gefiederten Freund geworden.

      Nach meiner Theorie ist der Vogel immerzu auf der Suche nach seinen Eltern. Vor ein paar Monaten entdeckte ich auf unserer hinteren Veranda ein Nest. Bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass es eine zwitschernde Schar flauschiger, dürrer kleiner Knubbel enthielt, die lauthals hungrig nach ihrer Mutter zu schreien schienen. Inzwischen hat sich die Nestfamilie zerstreut, aber dieses eine heranwachsende Exemplar will seine Familie so leicht nicht aufgeben. Es sehnt sich verzweifelt danach, sich wieder mit ihr zu vereinen.

      Ich glaube, ich möchte am liebsten weder stark noch schwach sein, sondern mich nur immerzu danach sehnen, dort zu sein, wo Jesus ist, und dabei zu sein bei dem, was er tut.

      Eine Sache fällt mir noch zum Thema Marketing ein. Du hast von Scargill gesprochen. Dabei musste ich an die Art und Weise denken, wie Organisationen und Firmen sich manchmal selbst präsentieren. Die meisten Gruppen haben Mission Statements und Slogans, von denen sie sich erhoffen, dass sie auf den Punkt bringen, was sie machen und wer sie sind. Freilich bringt so eine Selbstbeschreibung die gefährliche Möglichkeit mit sich, dass man sich einbildet, nur weil man sich so nennt, entspräche das auch den Tatsachen.

      Das ging mir kürzlich während eines siebzigstündigen Transatlantikfluges durch den Kopf (okay, es waren nur neun Stunden, aber es fühlte sich wie siebzig an). Die betreffende Fluggesellschaft preist sich selbst als „The Friendly Skies“ an, was so hundertprozentig danebenlag, dass es schon zum Lachen war.

      Eingepfercht in der Touristenklasse, wurden wir mit jener nasekräuselnden Geringschätzung behandelt, die man sonst Leuten vorbehält, die in winzigen Aufzugkabinen gewaltige Darmwinde von sich geben. Jede Bitte (zum Beispiel um ein Glas Wasser, was in der dehydrierenden Atmosphäre eines Flugzeugs ja wohl kaum einen Luxus darstellt) wurde als Belästigung aufgefasst. Die Flugbegleiter schienen sich mehr für einen Belegschaftsplausch zu interessieren als für ihre Gäste und behandelten uns alle wie ungezogene Kinder, die einen Ausflug mit der Sonntagsschule verderben, indem sie der alten Miss Hitchens einen krabbelnden Krebs hinten in die Buxe stecken. Am Ende des Fluges machte die Chefstewardess eine Ansage, die sich so anhörte, als wären wir ihre seit Jahren verschollenen Verwandten, von denen sie sich nun tränenreich verabschiedet, sodass wir uns alle fragten, warum sie uns dann wie eine peinliche Krätze behandelt hatte, für die es keine Salbe gibt. Bei Gemeinden habe ich dergleichen auch schon erlebt – diejenigen, die sich endlos darüber auslassen, wie wichtig doch Beziehungen seien, haben oft sehr schlechte Beziehungen ...

      Sobald wir Aussagen über uns selbst in die Welt setzen, stehen wir unter dem Druck, ihnen auch gerecht zu werden. Wenn eine Gemeinde verkündet: „Besuchen Sie unsere mitreißenden Gottesdienste und rechnen Sie damit, Wunder zu erleben!“, dann handelt sie sich damit zwei riesige Probleme ein. Erstens: Wenn wir den Leuten sagen, sie sollen mit einem Wunder rechnen, wenn sie zu uns kommen, werden einige kommen und mit einem Wunder rechnen. Großartig, wenn das dann auch geschieht ... Und zweitens: Keine Gemeinde kann immer, jede Woche, mitreißend sein. Ich war schon in einigen solchen Gemeinden, in denen alles als „überwältigend“ beschrieben wird: von den Predigten über das Gebäude bis hin zum Kaffee hinterher. Ein Sonnenuntergang auf Hawaii ist überwältigend. Das Great Barrier Reef ist überwältigend. Eine in Wasser aufgekochte zermahlene Kaffeebohne dagegen ist angenehm – aber nicht überwältigend.

      Ich

Скачать книгу