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      Es ist eine Geschlechtskrankheit, wenn du so willst. Wir sind ansteckend, virulent.

      Ihr Kopf ruckt hoch: Was‽

      Sie wird durch Sex übertragen, also nimm Kondome mit. Ich lege eine Kunstpause ein. Oder töte dein Opfer, danach.

      Witzig! Doch sie sinkt aufs Kissen zurück. Mann, ich will einfach nur nach Hause …

      Das geht nicht.

      Schade; ein dünnes Lächeln. Und da ist es wieder: Ava fügt sich in ihr Schicksal. Ich nicke ihr zu. Wie geht es dir jetzt?

      Nicht so gut …

      Soll ich fortfahren?

      Sie zuckt die Schultern.

      +

      Im Menschenblut sind die lebenswichtigen Bausteine, die wir als Nahrung brauchen; dass neues Hämoglobin, neue rote Blutkörperchen im Knochenmark produziert werden können. Aber es ist noch viel mehr, es ist die menschliche Essenz, destilliert und lupenrein, der kostbare Lebenssaft!

      Klingt komisch, gibt Ava zurück.

      Bitte?

      Auch diese megaschlauen Erklärungen … Willst du mich etwa damit beeindrucken?

      Nein, lüge ich; wohl kaum. Noch vor Augen, wie sie gestern zu mir aufgeschaut hat: neugierig, lächelnd, und so wissensdurstig; als ich ihr, wie Pralinen, meine Gedanken aufs Bett gelegt habe – dieser unsicheren, kleinen Göre auf der Suche nach Orientierung und Halt in einer Welt, die verrückt geworden ist; oder es immer schon war. Und jetzt?

      Martin, bittet sie, schlägt die Augen auf.

      Was?

      Erklär mir alles …

      +

      Anfangs verträgst du nur Blut, auch das von Tieren, oder Menschenfleisch; später, nach und nach, kannst du deinen Körper wieder an normale Nahrung gewöhnen: an Cornflakes mit Kuhmilch, an den Burger mit doppelt Käse oder den Döner mit Salat, mit extra scharf. Schmeckt aber nicht mehr so, wie es schmecken sollte. Na ja. Für dich vorerst nur Babynahrung – während du zahnst. Und du bleibst zeitlebens abhängig.

      Wie wird man zum Vampir?

      Ah, sage ich. Durch einen Biss werden die Viren im Speichel übertragen, machen Ghule aus unserer Beute, sofern sie nicht sterben, weil der Erreger das Gehirn und das Nervensystem angreift – nur in Kombination mit dem Bakterium, das die Infektion abschwächt, wird ein echter Vampir draus. Dazu muss unser Blut in ihren Kreislauf gelangen. Alles klar?

      +

      Ein neues Glas, bis ich, mit schwerer Zunge, sinniere: Unsere Sucht nach Leben wird durch die Jagd gestillt, in der Nacht oder am Tag, was schwieriger ist; ein Rausch der Verführung und des Tötens im Spiel mit der gefangenen Maus.

      Verstehe. Ava richtet sich auf, hält meinem Blick stand: Und, war ich ein netter Zeitvertreib für dich? Hat es dir gut gefallen‽ Weißt du, ich habe jede Minute davon gehasst. Deinen Geruch. Wie du mich angefasst hast!

      Schwerfällig bewege ich die Hand, weiß gar nicht, was ich sagen wollte. Hör zu, ich –

      Du bist der große böse Wolf, nicht wahr? Und ich die Jungfrau in Nöten …

      Jungfrau, von wegen! Pennst doch mit jedem Kerl, der dir Aufmerksamkeit schenkt.

      Fick dich.

      Fick dich selbst.

      +

      Wir schweigen uns an.

      Schließlich sagt sie, mit starren Augen: Wer gibt euch das Recht, zu entscheiden, wer leben darf, wer stirbt: Bist du der Teufel oder Gott? Nee. Du bist nur ein Serienkiller im Anzug, mit deiner blöden Krawatte; und lächelnd nimmst du Leben, gerade so, wie es dir passt – als ob euch die Welt gehören würde, dir und deiner Brut.

      Hör mal …, beginne ich.

      Du bist schwanzgesteuert, ein Triebtäter, ein Psycho, der seine kranke Mordlust stillt.

      Genug. Das reicht jetzt.

      Hat dir eine das Herz gebrochen? Warst du ein Spielzeug für jemanden, der nur spielen wollte? Jagst du deshalb kleine Mädchen, weil sie dir nicht wehtun können? Kleine, unreife –

      Es reicht!

      Also was?, zischt sie. Ihr Ausdruck hat sich verändert: Eine Hand an der Wange zieht sie eine Flunsch, starrt auf ihre nackten Füße voller Blut.

      Geh duschen, sage ich.

      Was, schreit sie mich an. Dein Ernst‽ Du Schwein! Da liegt ein Mann, den ich gekillt habe.

      Nur Fleisch, sage ich, spüre aber, wie ich die Kontrolle verliere.

      +

      Neben uns fliegt die Haustür auf: Im Flur stehen Ruth und Johann, sichtlich angeschlagen. Dachte, du wolltest dich drum … kümmern?, säuselt sie; dabei lässt sie die Flasche fallen, klirr, und Rotwein sprenkelt die Tapete. Wieso steht dieses Taxi noch unten? Sag bloß –

      Nicht so laut, fluche ich. Kommt rein.

      Nein, ihr kommt raus, fordert Johann. Das wird sofort erledigt.

      Ich stehe auf; stehe dort, auf dem Parkett, und spüre die Körper um mich herum: ihre schlagenden Herzen, voller Blut – und den Toten. Nein, wir reden erst, sage ich mit möglichst klarer Stimme, und Ruth tritt kichernd ein, stolpert ein paar Schritte, ehe sie mir eine Hand auf die Brust legt: Ja, Meister, was immer Ihr befehlt.

      +

      Scheiße auch. Sie starren ins Bad: das schorfige Blut auf den Fliesen wie an Zähnen. Und jetzt?

      Kofferraum, sagt er. Was sonst.

      Wer fährt?

      Wir schauen Ava an – alle drei betrunken, wie so oft, träge am Tag, und nachts hellwach. Bin es so elend leid.

      Was?, keucht sie. Nein, das läuft nicht!

      Also entschieden.

      Komm mit ins Gästeklo, sagt Johann. Ich putz dir schnell den Mund ab.

      FÜNF

      Ava am Steuer, Ruth neben ihr – ich und Johann kleben am Rücksitz und bewegen uns kaum. Holprig lenkt sie das Taxi vom Bordstein, der zweite Gang knirscht; dann gleiten wir zur Kreuzung und biegen nach links in die Ringstraße ein.

      Uhrzeit: 5:14.

      Du fährst wie ne gesengte Sau, ruft Johann nach vorn, nippt am letzten oder am ersten Konterbier.

      Mann, ich hatte eine Stunde auf dem Übungsplatz, mit Papa, und sechs Fahrstunden.

      Wir lachen sie aus.

      +

      Dann der Flow … Wenn die Laternen im Takt der Musik vorbeiziehen mit diesem Heiligenschein aus Dunst. Wir hören Radio, irgendeinen Chillout-Sender, während die Vögel auf den Strommasten hocken und es mit jedem Kilometer heller wird: Sonnenaufgang, erst trübe, schmierig wie Butter auf Papier, dann grell! Wir ziehen die Köpfe ein. Der Regen glitzert, kleine Pfützen auf dem Asphalt. Ein Sonntag, an dem die Leute ausschlafen, später beim Bäcker die Brötchen holen fürs gemeinsame Frühstück.

      Wohin soll ich fahren?, fragt Ava.

      Geradeaus.

      Also, wir packen ihn in den Container, erklärt Johann, nach Dubai oder Schottland oder woanders hin. Fällt keinem auf, sobald ich am Rechner sitze. Er grinst.

      Gut, sage ich. Wie immer also. Aber wir müssen auch sein Taxi loswerden …

      Mache ich bei der Spätschicht heute; lassen die Karre solange stehen.

      Verbeulte Zäune, die Industrieruinen abgrenzen: Baukräne und Montagehallen. Ein heiles Fenster, eisüberkrustet. Eine Telefonzelle am Stadtrand; wir haben das Hafengebiet erreicht, dahinter: der Fluss, wo die Frachtschiffe vom Meer kommen oder ins Meer zurückgleiten.

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