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oder andersgearteten Mittler. Die logotherapeutische Sitzung stand keinesfalls unter einem explizit religiösen Vorzeichen. Vielmehr hatte ich sogar Bedenken, gleich dazu zu stehen, dass sich mir der innere Verbündete in Gestalt des Christusbewusstseins zeigte. Es erschien mir kitschig und als „Christus-Fan“ dachte ich erst, ich würde mir das im Kopf zusammenreimen oder ein-bilden. Dann aber entfalteten sich die Bilder in mir in solcher Leichtigkeit und rascher Abfolge, dass es sich unmöglich um „Kopfgeburten“ handeln konnte. Als ich diese Gedanken am Ende der Sitzung der Therapeutin gegenüber äußerte, meinte sie mit sanftem Lächeln: „In Wertimaginationen zeigt sich Christus oft – auch bei Menschen, die ihn gar nicht haben wollen.“

      Sich dergestalt in die Innerlichkeit zu versenken, mag nicht jederfraus, erst recht nicht jedermanns Sache sein. Es gibt genügend andere Möglichkeiten, sich von Christus berühren zu lassen und ihn in der Tiefe der eigenen Seele neu oder wieder zu entdecken. Verschiedene Anregungen dazu aus meinem eigenen Erfahrungsschatz, wie zum Beispiel Christusbegegnungen in der Systemischen Aufstellungsarbeit oder beim Holotropen Atmen, habe ich an anderer Stelle bereits gegeben.18 Genauso gut kann die Christusbeziehung beim Betrachten eines Bildes oder der Lektüre eines Gedichtes neu aufflammen, im Spiel mit einem Kind, beim Wandern in der Natur oder auch nachts im Traum. Lassen wir uns in unserer Tiefe berühren, wodurch auch immer. Der weltberühmte Franziskanerpater Richard Rohr definiert die Begriffe Mystik oder mystisch als „Religion, die auf Erfahrung beruht. Das ist alles.“19 Dabei ist ja nicht auszuschließen, dass uns Christus sogar in einem klassischen Gottesdienst begegnet. Bei Gott ist bekanntlich nichts unmöglich. Nur das Monopol auf die Vermittlung von Gotteserfahrungen können wir Kirche und ihren Vertreter*innen nicht länger einräumen. Dazu ist die Begegnung mit diesem Christus und die Rückbindung an ihn, re-ligio im Wortsinn, zu wesentlich.

      Mit dieser ersten These verhält es sich wie mit Artikel 1 unseres Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wenn wir uns tagtäglich im Umgang mit uns selbst, mit anderen und mit unserem Lebensraum daran erinnern und danach handeln würden, könnten wir uns weitere Normen und Vorschriften sparen. Sobald wir uns auf diesen Jesus von Nazareth be-sinnen und ihn in unserem Alltag zum Maßstab unseres Handelns machen oder uns zumindest darin üben, erübrigen sich alle weiteren Prämissen. So einfach könnte es sein. Aber da wir vor lauter Anweisungen, Vorschriften und Moralgedöns, das die Kirchen diesem Jesus angedichtet haben, gar nicht mehr wissen, was es bedeuten könnte, sich in unserem ganz normalen Leben freud- und kraftvoll an ihm zu orientieren und aus dieser Quelle zu leben, müssen wir uns ein paar Gedanken mehr dazu machen.

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