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hatte, wollte ich, dass jeder in meinem Umfeld ihn auch ging, ob er wollte oder nicht – auch Max.

      Er war der erste meiner Zwangsbekehrten und Hauptleidtragender meines neugefundenen religiösen Eifers.

      Wenn ich ihn zur Schule fuhr, wollte er im Radio immer einen Rocksender hören: 96 WAVE. Aber das kam für mich gar nicht in Frage. Doch nicht in meinem Wagen! Da gab es nur christliche Rockmusik.

      Wenn ich ihn bei seiner Schule absetzte, ertappte ich ihn manchmal dabei, wie er einem Mädchen nachschaute. Erwischt bei lüsternen Blicken, dachte ich dann und schimpfte mit ihm, als käme er aus Sodom und Gomorrha.

      Wenn ich abends ins Wohnzimmer kam und er sich seine Lieblingsserie Beavis and Butt-Head anschaute, dann schaltete ich rasch um auf den ersten Prediger im Programm, den ich finden konnte.

      Ich wollte gar kein gesetzlicher und verurteilender Spinner sein, denn ich liebte meinen Bruder ja. Und weil ich ihn liebte, glaubte ich, dass ich dafür verantwortlich sei, ihn auf den richtigen Weg zu Jesus zu bringen, wenn ich ihn dort hinzerren musste.

      Aber anscheinend wollte er nicht, und ich konnte überhaupt nicht verstehen, wieso.

      Erst an dem Abend, als mein Vater gestorben war – das war sechzehn Jahre später –, begriff ich, dass ich ihn dadurch genau in die entgegengesetzte Richtung getrieben hatte.

      Ich erinnere mich noch ganz genau an diesen Abend. Als die Freunde gegangen waren, die unserer Familie in der schweren Situation beistanden, war es ein Uhr nachts. Es war die längste Woche unseres Lebens gewesen, und wir wollten jetzt nichts als Ruhe, also ließ sich Max im Fernsehsessel meiner Mutter nieder, und ich streckte mich auf dem Sofa aus.

      Plötzlich begann Max von den inneren Kämpfen zu erzählen, die er damals durchgemacht hatte. Wie er so gern eine Beziehung zu Gott gehabt hätte, es ihm aber einfach zu schwer erschien.

      „Dabei soll es eigentlich gar nicht schwer sein“, erklärte ich ihm.

      „So hat es aber für mich immer ausgesehen“, entgegnete er. „Als wir auf der High School waren, habe ich dich beobachtet, und du hattest all diese Regeln, all die Sachen, die du nicht sagen oder anschauen oder nicht anhören durftest. Ich wollte kein geheuchelter, falscher Christ sein, aber wenn richtiges Christsein bedeutete, so zu leben wie du, dann wusste ich, dass ich es nicht schaffen würde. Das war einfach zu schwer für mich.“

      Wir redeten eine ganze Weile, und ich entschuldigte mich bei Max. Ich sagte, es täte mir wirklich leid, dass ich den Anschein erweckt hätte, man müsse sich zu Beginn einer Beziehung zu Gott auf jede Menge Einschränkungen und Regeln einlassen. Ich hätte aber im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht, dass es beim Evangelium weniger darum gehe, was Gott von uns will, als vielmehr darum, was er für uns will.

      Dieses Gespräch hat dann tatsächlich etwas in Gang gebracht, und zwar nicht nur bei Max, sondern auch bei mir. Ich musste immer wieder daran denken, was er gesagt hatte. Es sei ihm einfach zu schwer vorgekommen. Dieser Gedanke verfolgte mich regelrecht.

      Hatte es so gewirkt, wenn ich darüber gesprochen hatte? Zu schwer? Soll es so aussehen? Soll es so sein?

      Wie viele Menschen wohl den Gedanken wieder aufgeben, eine Beziehung zu Gott einzugehen, weil sie glauben oder man ihnen gesagt hat, dass sie erst alle möglichen Bedingungen erfüllen müssen, bevor man ihn kennenlernen und mit ihm leben kann?

      In mancher Hinsicht ist Glaube ja tatsächlich schwer. Um einen alten Prediger vom Land zu zitieren: „Jesus hat gesagt, wir sollen unser Kreuz auf uns nehmen und nicht unsere Federkernmatratze.“ Das habe ich kapiert. Es kann schon manchmal ein schwieriges Unterfangen sein, auf dieser Welt und in dieser Zeit seinen Alltag mit Gott zu leben. Aber den Menschen den Eindruck zu vermitteln, dass erst etliche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um überhaupt mit Gott in Kontakt treten zu können, kann unmöglich das sein, was er sich gedacht hat, als er seine Botschaft an uns als „Gute Nachricht“ bezeichnete.

      Er hat seine Einladung gegen Ende der Bibel platziert: „Der Geist und die Braut sagen: ,Komm!‘ Und wer das hört, soll auch rufen: ,Komm!‘ Wer durstig ist, der soll kommen. Jedem, der es haben möchte, wird Gott das Wasser des Lebens schenken.“ (Offenbarung 22,17, Hoffnung für alle.)

      Also sagt Gott ja offenbar: „Komm, wie du bist“, aber die Botschaft, die wir daraus machen, lautet viel zu oft: „Verändere dich erst mal, dann kannst du kommen.“

      Statt meinem Bruder dabei zu helfen, Gott zu finden, hatte ich anscheinend für ein Spannungsfeld gesorgt, das ihn von Gott fernhielt. Ich hatte unabsichtlich die Saat für ein drittes Wort in seine Seele gelegt, ein Wort, das vielleicht das gefährlichste von allen ist: „Ich bin … nicht würdig.“

      Welche dritten Wörter füllen Sie bei sich selbst in die Lücke? Sind es eher positive oder negative Wörter? Oder sind sie so durcheinander, dass Sie sie gar nicht einordnen können?

      Wenn es Ihnen so geht wie Jamar, Heather, Max und mir, dann drehen sich Ihre dritten Wörter um Ihre Schwächen. Es sind Wörter, die wahrscheinlich in erster Linie damit zu tun haben, was Sie alles nicht sind, was Sie alles nicht können oder was Sie eben nicht tun, aber tun sollten. Und weil Ihr Charakter Risse hat und Ihre Kompetenz zweifelhaft ist, neigen Sie dazu, sich unfähig und unzulänglich zu fühlen.

      So denken wir nun mal.

      Es ist zwar eine Binsenweisheit, aber ich sage es hier trotzdem noch einmal: Jeder Mensch hat Schwächen. Wir geben ihnen alle möglichen Namen – Macken, Fehltritte, Fehler, Probleme, Sünden, Irrtümer, innere Dämonen, Süchte – aber jeder hat sie.

      Die zentrale Frage ist doch, was wir mit unseren Schwächen anfangen sollen.

      Dieses Buch ist das Ergebnis meines Ringens mit diesen und ähnlichen Fragen, die mich seit Jahren umtreiben, Fragen zur Selbstannahme, Fragen zur Selbstoptimierung, Fragen zur Diskrepanz zwischen dem, wer ich bin, und dem, als der ich gedacht bin, und wie man die beiden miteinander versöhnen kann.

      Ich gestehe, dass es nicht einfach war, dieses Buch zu schreiben, und dabei geht es ja nicht einmal um ein besonders kontroverses Thema. Es war schwer zu schreiben, weil das Thema chaotisch, unschön und schwierig ist.

      So wie das Leben eben, wie die Menschheit und wie Sie und ich.

      Wenn Sie jemals frustriert waren wegen Ihres Scheiterns und Versagens oder genervt über Ihre Schwächen, dann ist dies ein Buch für Sie. Aber ich warne Sie, ich werde Ihnen nicht fünfzehn Wege aufzeigen, wie Sie sich in nur fünfzehn Minuten täglich optimieren und in Ordnung bringen können. Ich werde Ihnen nicht zehn Regeln zur Perfektion oder sieben Geheimnisse des Erfolgs präsentieren.

      Ich möchte etwas tun, das, so hoffe ich zumindest, sehr viel wertvoller ist.

       Ich möchte echt und offen sein.

      Ich möchte offen und aufrichtig sein in Bezug auf unsere Kämpfe und auch in Bezug auf Sünde. Ich möchte offen und aufrichtig sein in Bezug darauf, wer Gott ist, wer wir sind und wer wir nicht sind, und ebenso in Bezug auf Selbstwertgefühl und Selbsthilfe. Ich möchte offen und ehrlich sein in Bezug darauf, dass wir es anscheinend nicht schaffen, etwas zu beheben und in Ordnung zu bringen … und es ja vielleicht auch gar nicht sollen.

      In diesem Buch geht es darum, herauszufinden und sich darauf einzulassen, wer Sie sind angesichts dessen, wer Gott ist. Es ist ein Buch darüber, ins Reine zu kommen mit dem Guten und dem Schlechten und dem Unaussprechlichen in unserem Leben, und darüber, wie wir es lernen können, zuzulassen, dass Gott unser Chaos zu unserem Wohl und zu unserem Besten nutzt.

      Dabei soll gar nicht außer Acht gelassen werden, wie komplex unser Leben ist und wie groß die Herausforderungen, vor die es uns stellt. Ganz und gar nicht. Aber es soll darin auch nicht in Selbstmitleid und Niederlage geschwelgt werden.

      Es soll in diesem Buch darum gehen, sich in diese Kluft zwischen der Person, die Sie sind, und der, von der Sie spüren, dass Gott Sie so gedacht hat, zu werfen und dort mit Gott in Kontakt zu treten. Es

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