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      Klaus Vater

      Am Abgrund

      Kappes 13. Fall

      Kriminalroman

      Jaron Verlag

      Klaus Vater, Jahrgang 1946, studierte Politische Wissenschaften, bevor er ab 1972 als Redakteur arbeitete. 1990–99 war er wissenschaftlicher Referent der SPD-Bundestagsfraktion, ab 2000 Pressesprecher zunächst des Bundesarbeitsministeriums, später des Bundesgesundheitsministeriums, schließlich stellvertretender Sprecher der Bundesregierung. Vater hat diverse Sachbücher zum Arbeitsmarkt und zum wirtschaftlichen Strukturwandel veröffentlicht, 1992 erhielt er den Jugendbuchpreis «Emil» in Berlin für den Titel «Sohn eines Dealers» (1991).

      Originalausgabe

      1. Auflage 2011

      © 2011 Jaron Verlag GmbH, Berlin

      1. digitale Auflage 2013 Zeilenwert GmbH

      Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

       www.jaron-verlag.de

      Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin

      ISBN 9783955520120

      Inhaltsverzeichnis

       Cover

       Titelseite

       Impressum

       TAG EINS

       TAG ZWEI

       TAG DREI

       TAG VIER

       TAG FÜNF

       TAG SECHS

       TAG SIEBEN

       TAG ACHT

       TAG NEUN

       TAG ZEHN

       TAG ELF

       TAG ZWÖLF

       SCHLUSS

       Es geschah in Berlin …

      ERSCHROCKEN blickten sich die Fahrgäste des D-Zugs aus Stralsund an. Wie bei einem Erdbeben hatte sich der Boden des Perrons bewegt. Ein Grollen in der Erde folgte. Die riesige Halle des Stettiner Bahnhofs schwang für wenige Sekunden wie eine Glocke. Als der plötzliche Lärm verklungen war, setzten die Fahrgäste ihren Weg fort, verließen Dampfross, Waggons und Bahnsteig, um sich vor dem Bahnhofseingang eine Taxe zu suchen. Andere wurden von Freunden oder Verwandten in Empfang genommen. Einige trotteten zur Station Stettiner Bahnhof der U-Bahn-Linie C, um in die Friedrichstraße oder anderswohin zu gelangen.

      Auch vor dem Fernbahnhof war die Explosion zu hören gewesen, ein entsetzlicher Krach, dem ein Gerumpel in der Erde gefolgt war. Passanten hatten rasch die Quelle des Lärms entdeckt: Über einer Baugrube zwischen Stettiner Bahnhof und Gartenstraße stand eine zitternde graue Staubwolke. Nur die Spitze des 87 Meter hohen Turms der St.-Sebastian-Kirche ragte aus dem Staub hinaus.

      Während ein Zug – proppenvoll mit Urlaubern, welche an die Ostsee wollten – den Bahnhof in Richtung Stettin, Danzig oder Rostock verließ, drückten sich die Nasen der Fahrgäste eines Busses der Linie 2 die Nasen am Fenster platt. Nach und nach fanden sich Gaffer an der Baugrube ein.

      Die Grube war ein langer Einschnitt, 35 Meter breit und viele Meter tief. Tiefer als der Stand des Grundwassers. Sie war nicht offen wie beim Bau einer neuen Gasleitung, sondern zugedeckt. Tagelang hatten die Rammbären Stahlplanken in den Boden geschlagen.

      Dann war der Boden zwischen den Planken nach und nach ausgehoben worden. Kräne, an welchen eiserne Mäuler mit stählernen Zähnen hingen, hatten die Erde gepackt, hochgehoben und auf Transportbänder fallen lassen. Die Kinder aus der Gegend um den Bahnhof waren nicht müde geworden, dieses Schauspiel mit aufgerissenen Augen zu verfolgen. Während sich die gefräßigen Maschinen in die Tiefe arbeiteten, wurden die Stahlplanken mit Hilfe dicker Hölzer untereinander verbunden. Ein tiefer rechtwinkliger Einschnitt war so entstanden. Und im Laufe der Wochen eine langgezogene Baugrube. Sie war mittlerweile an den Außenwänden isoliert, ausbetoniert und mit einem flachen hölzernen Dach aus Holzbohlen versehen, so dass die Kinder nur noch durch Ritzen oder Schächte in die Grube schauen konnten.

      In diesem künstlich geschaffenen Raum sollte eine S-Bahn-Verbindung entstehen. Durch Sand, Mergel und Wasserläufe hindurch, unter Spree und U-Bahn-Tunnel entlang, würde sie unterirdisch vom Stettiner Bahnhof bis hinter die Yorkstraße führen. Es war ein Schnitt, der die Arterien, Venen und Nerven der Stadt nicht verletzte, sondern sie untertunnelte, umging, ihnen auswich. Die neue S-Bahn sollte die Vorstädte im Norden und im Süden mit dem Zentrum verbinden.

      Wenige Minuten nach dem verstörenden Krach auf der Baustelle traf ein Krankenwagen der Charité ein. Ein Fahrzeug der Feuerlöschpolizei mit Drehleiter folgte. Dann war die Polizei da. Die drängte zuerst einmal die Gaffer beiseite. «Weg da! Macht Platz! Macht Platz, hab ich gesagt … Wird’s bald!»

      Die Feuerwehrleute und ein Sanitäter der Charité stiegen auf eine Leiter, die zwischen den zerbrochenen Bohlen der Grubenabdeckung in die Tiefe führte. Einige Bretter ragten steil aus der Grube empor, andere waren zersplittert, wie von Riesenhänden zerbrochen. Auf der Seite zur Gartenstraße hin waren die Stahlplanken zur Seite gerutscht und unter dem Druck der Erde in die Grube gekippt. Dreck rieselte nach, Sand quoll hervor.

      Die Zuschauermenge wuchs weiter an. Polizisten versuchten, die Menschen zurückzudrängen.

      Zwei Bauarbeiter entstiegen der Grube, einer hielt ein Seil in den Händen. Sie stemmten ihre Füße gegen den Rand und zogen am Seil einen menschlichen Körper empor. Der Kopf des Mannes war bandagiert. Vorsichtig wurde er auf eine Bahre gelegt und in den Krankenwagen geschoben. Der Wagen fuhr sofort weg.

      Es war eigentümlich still geworden. Etwas war geschehen, das den Atem stocken und das Gerede verstummen ließ. Etwas, das auch hartgesottene Berliner sprachlos werden ließ. Lediglich aus der Grube waren gedämpfte Stimmen und ein metallisches Klirren zu hören, als würden Ketten gegeneinander geschlagen. Wie aus weiter Ferne war zu hören: «Fass mal mit an.» Und: «Zu … gleich!» Die Holzbalken ächzten.

      Plötzlich

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