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wusste, dass nicht nur ihre Augen unbeweglich auf ihn gerichtet waren. Jeder Kunde im Laden schien nur ihn anzustarren. Anstelle einer Antwort legte er einen Geldschein auf den Tresen, murmelte etwas wie »stimmt so« und verließ fluchtartig das Geschäft. Draußen wagte er dieses Mal keinen Blick zurück. Er schleifte Huey am Lost Anchor vorbei und fragte sich, ob es für ein Bier wohl noch zu früh war. Doch es fehlte ihm tatsächlich an Mut, auch nur zu testen, ob die Tür schon aufgeschlossen war.

      Stattdessen floh er zurück in die Behaglichkeit seines Zimmers, wo er sich zunächst im Spiegel einer genauen Musterung unterzog. Das Ergebnis war befriedigend und enttäuschend zugleich. Er sah aus wie immer. Er setzte sich in seinen Sessel, zog Huey auf seinen Schoß und versuchte, das Hochgefühl vom frühen Morgen zu rekonstruieren. Es gelang ihm nicht. Dann ließ er das seltsame Verhalten seiner Mitmenschen Revue passieren und fand trotz intensiven Grübelns keine Erklärung. Hatte er einen Fehler gemacht? Oder lag es vielleicht an Huey?

      Er musterte den schlafenden Cocker auf seinem Schoß. Nein, Huey war genauso in Ordnung wie er selbst. Etwas anderes musste sich verändert haben. Es mussten die anderen sein. Die alteingesessenen Dorfbewohner. Sie hatten sich verändert. Aber warum?

      Immer wieder blickte Colin auf seine Uhr. Die Zeiger wanderten träge über das Zifferblatt und ließen sich von seiner Unruhe nicht anstecken.

      »Um die Mittagszeit im Lost Anchor«, hatte Jasper gesagt. War halb zwölf zu früh für die Mittagszeit? Es war fast elf. Wenn er ganz langsam ging, fast kroch, würde er den Anchor gegen halb zwölf erreicht haben. Er erhob sich, ließ Huey, der ihn nur kurz ungläubig anstarrte und dann weiterschlief, auf den Sessel gleiten und machte sich auf den Weg.

      Beim Betreten des Lost Anchor fiel Colin ein Stein vom Herzen. Zum einen, weil sich nicht augenblicklich eine Grabesstille über den Raum senkte, als er ihn betrat, zum anderen, weil Norma und Jasper bereits wieder an dem runden Kaffeetisch mit der zerkratzten Marmorplatte hockten und ihm fröhlich zuwinkten. Erleichtert ließ er sich auf einen Stuhl fallen.

      »Gott sei Dank. Ich hatte schon Angst, in einem schlechten Gruselfilm gelandet zu sein.«

      »Was meinst du?«, fragte Norma und bedeutete dem Wirt, er möge Colin ein Bier bringen.

      »Ich meine so etwas wie Die Körperfresser kommen oder Das Dorf der Verdammten oder was sonst noch unter diese Rubrik fällt, such es dir aus.«

      Noch während er sprach, bemerkte Colin auf Jaspers Gesicht einen selbstgefälligen Ausdruck, der ihm nicht angemessen erschien.

      »Was gibt’s denn da zu grinsen? Ich hatte einen absolut fürchterlichen Morgen. Alle haben mich angestarrt wie einen Außerirdischen. Ich weiß gar nicht, wann ich mich das letzte Mal so unwohl gefühlt habe.«

      »Dann hatte ich also Recht. Es geht schon los. Ich wusste ja, dass sie nicht lange brauchen würden, um sich ein paar Opfer zu erwählen.«

      »Opfer?« Colin bemerkte kaum das Bier, das gerade vor ihm abgestellt wurde. »Ich bin ein Opfer?«

      »Natürlich bist du das. Und du bist eine verdammt gute Wahl. Du bist ein Fremder, noch nicht lange im Dorf, hast keine Familie, und niemand weiß, warum du überhaupt hier bist.«

      »Weil es hier schön ist, verdammt nochmal!«

      »War, Colin. Schön war. Bis zu diesen beiden Morden. Früher hat es hier nämlich keine Morde gegeben. Aber jetzt. Jetzt, wo du hier lebst. Verstehst du es jetzt endlich, Colin? Meine schöne Gemeinde mutiert gerade zum Hexenkessel.«

      Colins Hand fand das Bierglas, hob es mechanisch an, traf den Mund und ersparte es sich so, antworten zu müssen. Er konnte es einfach nicht glauben. Und doch: Aus Jaspers Mund klang es logisch. In den Augen des ganzen Dorfes war er soeben zum potentiellen Gewaltverbrecher befördert worden. Norma tätschelte ihm den Rücken.

      »Sei nicht traurig. Du bist nicht der Einzige, dem diese zweifelhafte Ehre zuteil geworden ist. Es gibt noch ein paar weitere Verdächtige in den Augen der Leute. Aber du stehst natürlich sehr hoch im Kurs. Zumal du Mrs Summers gefunden hast.«

      »Lucy«, entfuhr es Colin, und er hätte es gern zurückgenommen, als er Jaspers unergründlichen Blick auf sich spürte. Stattdessen ergänzte er: »Sie ist auch fremd hier. Wird sie auch verdächtigt?«

      »Lucy ist nicht fremd hier. Jeder kennt sie. Sie ist im Nachbardorf aufgewachsen«, sagte Norma und wandte sich zum Tresen um. »Wir hätten gerne drei Portionen Bratkartoffeln!«, rief sie quer durch den Schankraum. Irgendwo am anderen Ende wurde dies mit einem Grunzen beantwortet.

      Colin sprach die Frage aus, die ihm auf der Seele brannte. »Wenn sie aus dem Nachbardorf stammt, warum wohnt sie dann bei Mrs Grey? Hat sie keine Familie?«

      »Oh, doch. Und viel davon. Viel mehr, als sie verkraften kann. Aber das ist eine andere Geschichte«, meinte Jasper. Colin hätte die Geschichte gern gehört, vertagte dieses Gespräch aber auf unbestimmte Zeit, als Jasper sich jetzt vorbeugte und nach seiner Hand griff. »Wir müssen es beenden, Colin. Wir müssen den Mörder finden und Unschuldige wie dich vor dem Mob bewahren.«

      »So weit wird es ja wohl nicht kommen. Dies hier ist Mittelengland und nicht der Wilde Westen. Niemand wird mich am nächsten Baum aufknüpfen.«

      Er wollte lachen, doch Norma und Jasper blickten ihn so ernst an, dass es ihm verging. Er schluckte. Er dachte nach. Er dachte an die vergangenen Wochen, in denen er hier eine wirklich angenehme Zeit verbracht hatte. Er dachte an die Freundlichkeit der Dorfbewohner, die über Nacht verschwunden war. Und irgendetwas sagte ihm, dass er es auch nicht schlimmer machen konnte, als es schon war.

      »Gut. Was werden wir also tun?«

      Norma unterdrückte einen Jubelschrei und Jasper schlug vor Begeisterung mit der Faust auf den Tisch. Dann flüsterte er Colin über denselben hinweg zu: »Wir werden machen, was du am besten kannst. Wir werden tanzen.«

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