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Franziskus. Esther-Marie Merz
Читать онлайн.Название Franziskus
Год выпуска 0
isbn 9783990402269
Автор произведения Esther-Marie Merz
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Das Schlussdokument der V. Konferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik, die von 13. bis 31. Mai 2007 im brasilianischen Nationalheiligtum Aparecida (São Paulo) tagte, trägt ganz sicher die Handschrift des Papstes. Der Kardinal von Buenos Aires war Mitglied der Redaktionskommission. Als Papst beweist er nun, dass er voll und ganz hinter diesem Dokument steht. Bei der ersten Begegnung mit der Präsidentin Argentiniens Cristina Kirchner überreichte er ihr ein Exemplar des Schlussdokuments von Aparecida. Und die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff bekam kurz darauf dasselbe Geschenk aus der Hand des Papstes.
Aparecida beklagt, dass die Urbevölkerung des Kontinents bei Entscheidungen über die Nutzung von Naturreichtümern praktisch ausgeschlossen sei. Amazonien werde geplündert, die Erde vergiftet, Wasser zum Handelsgegenstand degradiert und Wasserreserven monopolisiert (DAp 84). Weiters betont das Dokument die Bedeutung Amazoniens für die gesamte Menschheit. Ein Entwicklungsmodell sei zu schaffen, „das den Armen dient und das Gemeinwohl fördert“ (DAp 475).
Parrhesia: Seid corajudos!
Papst Franziskus erinnert, dass die Kirche in Amazonien von Anfang an präsent war, und will, dass sie auch weiterhin bestimmend für die Zukunft dieser Region sei. Das„amazonische Gesicht“ der Kirche soll immer mehr zum Ausdruck kommen. „Ich bitte euch, seid mutig, setzt euch ein mit Parrhesia2. Oder, wie wir in Buenos Aires sagen, seid corajudos (= kühn, wagemutig, verwegen)“.
„Wir verfassen Dokumente, aber sind zu wenig vor Ort.“
Besonders aufschlussreich war das Interview, das der Papst der TV Globo gegeben hat. Als der Reporter fragte, was er zu den Statistiken sage, die ein Zunehmen der Evangelikalen und Abnehmen der Katholiken in der brasilianischen Bevölkerung aufzeigen, wies der Papst auf die unzureichende „Präsenz“ der katholischen Kirche in bestimmten Regionen hin und sagte, dass wir zwar viele Dokumente verfassen, aber zu wenig vor Ort seien.
Papst Franziskus vergleicht die Kirche mit einer Mutter. Eine Mutter beweist ihren Kindern ihre mütterliche Liebe nicht nur durch Briefe und Erklärungen. Nein, sie ist da durch ihre fühlbare Gegenwart. Sie hat Zeit für ihre Kinder, „ist zärtlich mit ihnen, herzt sie, küsst sie, liebt sie“. „Wenn die Kirche mit tausend Dingen beschäftigt ist, diese Nähe verliert und nur über Dokumente mit den Menschen in Kontakt tritt, dann ist sie wie eine Mutter, die ihrem Kind nur Briefe schreibt.“
Für Amazonien ist dieser Vergleich von ganz besonderer Bedeutung. Amazonien ist Ziel einer scheinbar unaufhörlichen innerbrasilianischen Migration. Die Kirche ist aber noch weit davon entfernt, tatsächlich „gegenwärtig“ zu sein, um entwurzelten Menschen Heimat zu bieten. Dieses Bild von der Mutter, die da ist und nicht nur Briefe schreibt, ist ein gezielter Appell an die gesamte Kirche in Brasilien, den Schrei Amazoniens zu hören und tatsächlich ihre Verantwortung für Amazonien wahrzunehmen. Wenn tausende Familien nach Amazonien ziehen, können Priester und Ordensleute nicht daheim bleiben und ihren Mitmenschen nur eine gute Reise wünschen. Besser situierte Diözesen in anderen Regionen Brasiliens sind verpflichtet, den Menschen in Amazonien tatkräftig zu helfen, nicht durch wohlgemeinte pastorale Erklärungen, sondern in liebender Solidarität durch die Präsenz von Priestern, Ordensleuten und Laien, die sich den Diözesen in Amazonien bedingungslos und im schlichten Stil des Papst Franziskus anspruchslos, bescheiden und selbstlos zur Verfügung stellen.
Papst im Federschmuck
Der Weltjugendtag war für Papst Franziskus auch eine Gelegenheit, sich mit der Realität der indigenen Völker auseinanderzusetzen. Wenn er auch keine spezifische Erklärung dazu abgegeben hat, so war es doch eine ergreifende Szene, als der Papst die Pataxó aus Bahia, Frauen und Männer, liebevoll umarmte und ihren Federschmuck aufsetzte.
Vertreter der indigenen Völker übergaben dem Papst auch schriftlich abgefasste Berichte über ihre Situation, ihre Probleme und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft, in der sie in ihren Rechten und ihrer Würde respektiert werden. Levi Xerente, einer der Indigenas, die den Papst begrüßten, sagte: „Wir hoffen, dass er uns hilft, die Regierung zu überzeugen, damit sie auf alle Großprojekte und staatlichen Bauvorhaben (in indigenen Gebieten) verzichtet.“
Papst Franziskus ist längst wieder zurück im Vatikan. Wir hoffen, dass sein Herz, das er beim Abschied am Fenster des Hubschraubers mit seinen Fingern formte, weiter für Brasilien und Amazonien schlägt.
„Bis an die existenzielle Peripherie“
Seit dem Abend des 13. März 2013 hat sich die katholische Kirche verändert.
Das vorliegende Buch von Mathilde Schwabeneder und Esther-Marie Merz ist ein ungemein spannender Bericht zweier Journalistinnen. Esther-Marie Merz hat das Leben von Jorge Mario Bergoglio in Argentinien umfassend dargestellt. Mathilde Schwabeneder, die ich auch persönlich kenne, hat Papst Franziskus seit seiner Wahl aus unmittelbarer Nähe begleitet. Sie war auch in Lampedusa und in Rio des Janeiro dabei. Mathilde liefert keine trockene Reportage, sondern sie schreibt mit dem Herzen und beweist durch die Hintergrundinformationen, die sie in den Text einfließen lässt, dass sie den Vatikan sehr gut kennt und um die Probleme weiß, mit denen der Papst nun tagtäglich konfrontiert ist.
Ich hatte das Glück, Mathilde im Mai 2000 in Wien kennenzulernen. Sie moderierte im Albert-Schweitzer-Haus eine Podiumsdiskussion zum Thema „Alte Rechnungen und neue Nachbarschaft. Brasilien und Europa in einer globalisierten Welt“, an der ich teilnahm. Damals äußerte sie auch den Wunsch, mich am Xingu zu besuchen, um eine Sendung für den ORF zu gestalten. Dieser Wunsch ging 2006 in Erfüllung. Als sie an den Xingu kam, standen wir gerade unter dem Schock des Mordes an unserer Mitschwester Dorothy Stang.3 Sie starb aufgrund ihres Einsatzes für die Menschen in Amazonien und unserer Welt. Mathilde kam nicht nur an eine geografische, sondern an eine „existenzielle Peripherie“.
Altamira, 7. September 2013
Erwin Kräutler
Bischof vom Xingu
Papst Franziskus auf der Mittelloggia des Petersdoms am Abend der Papstwahl
Fast vom Ende der Welt
„Es könnte schon heute Nachmittag geschehen“, flüstert mir mein Kameramann zu. Das Konklave dauert noch nicht einmal 24 Stunden, aber das anstehende, historisch einmalige Ereignis heizt die Gerüchteküche an. Eine Papstwahl nach einem Papstrücktritt, das hat die Welt noch nicht gesehen – und so viele Journalisten auf einmal in Rom auch nicht. Ein Monat ist seit der völlig überraschenden Entscheidung Papst Benedikts XVI. vergangen. Die Stadt wird seitdem von Reportern aus allen Kontinenten belagert. Alle warten wir auf den weißen Rauch.
Ich ordne meine persönliche Favoritenliste. Von meinen zwanzig ursprünglich erstellten Mini-Biografien wähle ich zehn aus. Das Profil des zu wählenden Papstes scheint klar umrissen – darüber sind sich die meisten Kollegen rund um den Globus einig: Stark genug sollte er sein, um mit Vatileaks und anderen Skandalen aufräumen zu können; ein Seelsorger; ein guter Organisator; kein Europäer und, ganz wichtig, nicht älter als 70 Jahre.
Ein Blick auf meine Zettel und ein kurzer Austausch mit einem römischen Vatikanisten machen klar: Das könnte der Erzbischof von Buenos Aires sein, wäre da nicht das Geburtsdatum 17. Dezember 1936. Nein, Kardinal Jorge Mario Bergoglio rutscht in unserer Reihung nach hinten. Wenige Stunden später straft die Geschichte diese Überlegung Lügen.
Es ist nicht der