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die Zehenballen und hatte einen scharfkantigen Umriss.

      Harka schauerte zusammen. Fußabdrücke von dieser Art wurden in den Berichten großer Krieger und weiser Männer den Feinden zugeschrieben, den Wild- und Landräubern, den Langmessern, von denen der Dakotajunge noch nie einen zu Gesicht bekommen hatte.

      Harka beschloss, regungslos an seinem Platz zu bleiben, bis der Vater kam. Der Vater hatte ihn mitten in der Nacht von den Zelten fort in den Wald geschickt. Der Junge wusste noch nicht, warum und wozu, er wusste nur, dass es um etwas Bedeutsames ging, und ahnte, dass ihm der Vater, der Kriegshäuptling der Jagdgruppe, ein großes Geheimnis offenbaren wollte. Es war beschlossene Sache, dass das Dorf am folgenden Tage aufbrechen, die Waldberge verlassen und neue Jagdgründe in südlicheren Prärien suchen wollte. In der Nacht, ehe der Aufbruch erfolgte, wollte der Kriegshäuptling mit seinem Sohn noch über jenes Geheimnis der alten Waldheimat sprechen.

      Die Ahnung des Geheimnisses und die fremdartige Spur, in deren Umriss Feindschaft und Gefahr zu lauern schienen, spannten die Nerven und Sinne des Elfjährigen. Von dieser Spur hatte der Vater noch nichts wissen können, als er den Jungen in den Wald hinaufschickte.

      In den Baumkronen raschelte es, Harka lauschte. Er vermutete, dass sich zwei Wildkatzen verfolgten; die Jagd ging kreuz und quer. Vielleicht waren es Luchse. Die Tiere fauchten. Sie kamen näher. Der dürre Baum, an dessen Wurzel Harka hockte, erzitterte plötzlich; eines der Tiere war ins Geäst gesprungen. Das zweite folgte; ein wildes Fauchen erstarb, kaum begonnen, in einem gurgelnden Laut. Die Raubtiere hatten sich gepackt und bissen sich. Der Indianerknabe schaute mit einer fast unmerklichen Wendung des Kopfes nach oben. Er hatte recht vermutet, es waren Luchse. Ein dürrer Zweig brach. Die beiden Tiere stürzten, ohne sich loszulassen, sie überkugelten sich am steilen Hang und kamen nun doch auseinander. Das eine jagte davon, das zweite folgte nach kurzem Bedenken. Der Indianerjunge vernahm das Kratzen der Krallen, als die Tiere nicht weit von ihm wieder einen Baum erkletterten. Noch ein Fauchen, ein sich entfernendes Geräusch in den Zweigen, dann wurde es wieder still im nächtlichen Wald.

      Harka richtete seine Aufmerksamkeit von neuem auf den Lichtfleck, den der Mondschimmer auf den Waldboden warf: Er erschrak. Die kämpfenden Luchse hatten im Stürzen die Fußspur vollständig verdorben. Der Knabe würde sie seinem Vater nicht zeigen können.

      Da es keinen Sinn mehr hatte, auf die Stelle zu starren, dachte Harka nur noch an den Vater und dessen unbekanntes Vorhaben. Die verabredete Stunde war da. Bald musste der Häuptling Mattotaupa kommen.

      Harka horchte. Er hatte ein feines Gehör, dennoch gelang es dem Vater, ihn zu überraschen. Der Lichtfleck war plötzlich von der großen, nur vage wahrnehmbaren Gestalt des Häuptlings verdeckt. Der Knabe erhob sich, und der Vater legte ihm die Hand auf die Schulter. Einen Augenblick standen beide schweigend beieinander. Harka wartete, ob ihm der Vater etwas sagen werde. Als das nicht geschah, sagte er selbst sehr leise: »Hier war die frische Spur eines Fußes. Zwei Luchse haben sie verdorben. Es war nicht die Spur eines Indianers.«

      Es dauerte lange, bis der Häuptling antwortete. »Wir werden aufmerksam sein. Komm.«

      Er machte sich bergan auf den Weg, und sein Sohn Harka folgte ihm, vorsichtig, gewandt, mit sicherem und kräftigem, ausgreifendem Schritt wie der Vater.

      Der Hang wurde steil, und die Füße fanden nur noch Felsen, um die sich Baumwurzeln klammerten, und Moos. Es war hier mühsam zu gehen, aber es war nicht schwer, sich ohne Geräusch zu bewegen. Vom Himmel schauten Sterne durch das Geäst; der Mond war gewandert. Harka folgte dem Vater ohne Verzug, aber sein Herz klopfte jetzt, und der Schweiß brach ihm aus. Immer schneller kletterte der Häuptling, als fürchte er, etwas zu versäumen.

      Endlich hielt er an, ohne dass der Junge erkennen konnte, welchen Grund es dazu gebe. Die beiden Indianer hatten eine Felswand umgangen, die etwa fünfzehn Meter hoch über die Baumwipfel herausragte. Sie befanden sich jetzt oberhalb dieser Steilwand, und der Knabe folgte dem Beispiel des Vaters, der sich hinlegte und, den Kopf vorsichtig über den Rand des Felshanges schiebend, hinunterlugte. Ein Wind hatte sich leise erhoben; die Wipfel am tiefer liegenden Hang neigten und hoben sich wie die Wellen eines dunklen Meeres.

      Mit einem Ruck fasste der Häuptling den Arm seines Jungen, als ob er ihn halten oder auf etwas aufmerksam machen wollte, und Harka entnahm dieser Bewegung, dass er nicht geträumt hatte, sondern dass der Vater gesehen haben musste, was auch Harka Nachtauge gesehen hatte: Über eine Stelle der Felswand war ein Schatten geglitten, dessen Ursache dem Knaben noch völlig rätselhaft schien.

      Auf dem Fels lag jener unbestimmte Schimmer, den der jetzt von Höhen und Wipfeln für das Auge verdeckte Mond und die Sterne in der Nacht entstehen ließen. In diesem matten Schimmer hatte sich, nur für ein Jägerauge wahrnehmbar, in der Mitte der Wand ein Schatten flüchtig bewegt, um sofort wieder zu verschwinden. Harka musterte die Stelle genau. Es wölbte sich dort ein Felsbuckel vor, während das Gestein dicht daneben stark zurückwich, fast, als habe es ein großes Loch. Vielleicht war dem auch wirklich so, vielleicht befand sich an dieser Stelle der Eingang zu einer der vielen Höhlen des Waldgebirges. Der Platz, an dem die Jägergruppe der Dakota, zu der Harka und sein Vater gehörten, seit einigen Wochen ihre Zelte aufgeschlagen hatte, war nicht allzu weit entfernt, zwei Stunden etwa, unten am Fluss. Harka Steinhart Nachtauge hatte als Anführer des Bundes der »Jungen Hunde« diese Gegend schon öfters durchstreift. Eben diese Felswand aber, bei der er sich jetzt mit dem Vater befand, hatte er immer gemieden, da in den Zelten von einem Zauber geraunt wurde, der hier wirken sollte. Vielleicht hing der schwer zu erklärende flüchtige Schatten damit zusammen? Harka schaute nach dem Vater, dessen ganze Aufmerksamkeit auch der Stelle galt, an der der Felsbuckel sich vorwölbte. Der Schatten war so gefallen, als ob sich hinter dieser Vorwölbung, für die beiden Indianer nicht sichtbar, irgendetwas schnell bewegt habe. Harka dachte nicht nur an den Zauber, er dachte auch an die Fußspur.

      Häuptling Mattotaupa richtete sich in kniende Stellung auf, löste das Lasso, das er bei sich trug, und legte es um einen stark verwurzelten Baum oberhalb des Felshanges. Die hängenden Lassoenden fest packend, stieg er dann vorsichtig den Fels hinunter; er hielt sich immer so, dass er von einem etwa hinter dem Felsbuckel befindlichen Menschen nicht angeschossen werden konnte, ohne dass dieser sich selbst dem Auge des Indianers preisgab. Der Häuptling war mit den ledernen indianischen Gamaschenhosen und dem breiten Schurzgürtel bekleidet; an den Füßen trug er die weichen Mokassins aus Wildleder. Das Haar war in Zöpfe geflochten, die über die Schulter fielen. Eine Lederschnur um den Nacken hielt die Lederscheide, in der das Messer steckte. Andere Waffen trug »Vier Bären« nicht bei sich, nicht einmal den Tomahawk.

      Der Häuptling umkletterte den Felsbuckel, hierzu reichte die halbe Lassolänge aus. Dann verschwand er für die Augen des Knaben hinter dem Felsvorsprung. Zwei Minuten lang blieb Harka allein, ohne etwas von dem Vater zu hören oder zu sehen. Schließlich kam die Hand des Häuptlings hinter dem Vorsprung hervor, und ein leichter Wink bedeutete dem Jungen, dass er dem Vater folgen solle.

      Sehr rasch hatte auch Harka den Platz erreicht, an dem der Vater gebückt stand. Die beiden Indianer befanden sich am Eingang einer Höhle. Das Loch im Fels wirkte noch schwärzer als die Nacht. Der Häuptling ging ein paar Schritte weit in die Höhle hinein, mit dem Fuß immer vorsichtig tastend, denn der Höhlenboden war abschüssig. Harka folgte ihm in der gleichen Weise. Als der Vater sich setzte, setzte er sich auch. Die Höhlenwände waren feucht, die Luft beklemmend. Ganz von fern, aus der Tiefe des Berges, drang ein sanfter, fast singender Ton an das Ohr. Der Junge lauschte darauf, während er unwillkürlich recht nahe zum Vater rückte. Die mögliche Gefahr vonseiten eines Menschen war im Augenblick gebannt, da sich die beiden Indianer jetzt selbst im Höhlendunkel befanden und nicht mehr im Mondlicht ein gutes Ziel für einen versteckten Feind darstellten. Sie mussten nur wachsam sein, dann konnten sie nicht leicht überrascht werden. Harka vertraute der Kampferfahrung des Vaters vollständig.

      Als der Häuptling sich überzeugt hatte, dass sich in der näheren Umgebung nichts rührte, machte er sich auf, um tiefer in die Höhle einzudringen. Es tropfte von der Höhlendecke. Merkwürdige Felsgebilde, die von der Decke herabzuwachsen schienen, und solche, die vom Boden her aufwuchsen wie kleine Pyramiden, sperrten den Weg an manchen Stellen, so dass das Vorwärtskommen schwierig war. Das Singen im Innern des Berges wurde stärker, es

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