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Jetzt kommen wir dort als Europäer hin, als Deutscher, und sagen: „Mein Gott, das geht doch gar nicht. Sie brauchen doch Sicherheitsschuhe!“ Und dann überlegen wir: „Wie implementiere ich nun Sicherheitsschuhe, wie mache ich das?“, und dann sagen Ihnen plötzlich die Mitarbeiter: „Wir wollen keine Schuhe.“

      „Das geht gar nicht“, denken Sie im ersten Augenblick. Und wenn Sie das dann weiter hinterfragen, dann kommen Sie auf den Kern. Dann sagen sie Ihnen: „Sie berauben uns eines weiteren Sinnesorgans.“ Durch das Barfußlaufen haben sie eine zusätzliche Sinneswahrnehmung, die wiederum im übertragenen Sinne vielleicht auch die Intuition stärkt. Und ich bin davon überzeugt, dass wir, wenn wir wieder mehr lernen auf uns zu hören, auch bessere Entscheidungen treffen. Insofern bin ich eher der Meinung: Lassen Sie uns die Intuition zuerst revitalisieren und dann weiter trainieren.

       Ich möchte noch eine generelle Frage stellen: Sie haben im Zusammenhang mit dem Thema „Führung/Führungskraft“ sehr stark auch den Wert Integrität herausgestrichen. Als Manager eines Konzerns: Was ist Ihre persönliche Meinung, in einem Satz ausgedrückt? Was zeichnet eine Topführungskraft aus?

      Für mich sind zwei Komponenten ganz wichtig: Authentizität und mit Leidenschaft Mitarbeitern Orientierung geben.

      Das folgende Interview entstand im Umfeld einer Veranstaltung in Warschau. Ich hatte die Ehre, Gast zu sein, als Dr. Włodzimierz Kwiecinski in der japanischen Botschaft eine hochrangige Auszeichnung verliehen wurde. Ein langjähriger Schüler von ihm, Sławomir Jędrzejczyk, polnischer Meister im Traditionellen Karate und heute CFO der Orlen Group (eine der größten Ölgesellschaft Zentraleuropas), war ebenso eingeladen. Dadurch hatten wir Gelegenheit, uns ausführlich über Budo-Prinzipien im Management auszutauschen. Dr. Kwiecinski ist der Gründer des „Dojo Stara Wieś“. Es handelt sich hierbei um das weltweit größte Zentrum für Entwicklung traditioneller Kampfkünste. Das Zentrum steht unter der Patronanz von Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa.

      SŁAWOMIR JĘDRZEJCZYK

       CFO Orlen Group

       Ist eine Managementstrategie, welche auf Werten und Prinzipien der Samurai basiert, in einem Unternehmen, welches nach Gewinnmaximierung für die Eigentümer trachtet, realistisch?

      Absolut. Zunächst bin ich persönlich der festen Überzeugung, dass ein Mensch oder auch ein Unternehmen nur dann erfolgreich sein kann, wenn es bestimmte Werte und Prinzipien verfolgt. Die globalen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, machen es mehr und mehr notwendig, wieder auf Werte zu setzen. Erfreulicherweise stelle ich verstärkt fest, dass diese Werte sich stark an die Werte der Samurai annähern. Wir kommen wieder zurück zu den Wurzeln, wo Integrität, Fokussierung, Entschlossenheit und Respekt der Schlüssel für Erfolg als Individuum und als Unternehmen sind.

       Als Sie das erste Mal vom Samurai Manager-Programm hörten: Was war Ihre Reaktion?

      Ich habe beides praktiziert. Ich betreibe Karate und ich bin seit einigen Jahren ein Manager. Ich dachte, dies ist ein Konzept, das ich näher studieren sollte. Ich las mich in die Thematik ein und kam schnell zu der Erkenntnis, dass mich, aber auch mein Unternehmen, das Samurai Manager-Programm weiterbringen kann.

       Wie passt das Samurai Manager-Programm zum Dojo Stara Wieś?

      Die Location Dojo Stara Wieś ist perfekt für dieses Programm, da man schon beim Eintreffen das Gefühl hat, in einem japanischen Dorf zu sein, in dem die Zeit stehengeblieben ist. Es gibt dort keine Ablenkung, die ganze Konzentration geht auf die persönliche Weiterentwicklung für Geist, Körper und auch Seele. Für viele, welche das erste Mal in einem Karate Gi (Karate-Anzug) sind und Karate trainieren, ist es ein überwältigendes Gefühl, gestärkt von einem gigantischen Ausblick in die Weite des Landes. Ich kann mir vorstellen, dass sich viele wie ein Samurai fühlen.

       Warum glauben Sie, hat Lech Wałęsa die Patronanz für das Dojo übernommen?

      Lech Wałęsa ist ein großartiger Pole. Er hat gekämpft für die Wende in Polen und für die Wende in der Welt. Auf Basis von Werten hat er eine bessere Welt geschaffen. Ich denke, er war vom Konzept des Dojo Stara Wieś beeindruckt und war überrascht, dass die Prinzipien im Budo eine so hohe Übereinstimmung mit seinem Wertesystem haben.

       Es gibt ganz wenige Gegenstände in Ihrem Büro. Einer davon ist eine Wandtafel mit dem Dojo Kun (Dojo-Regeln).

      Warum? Mein neues Büro beschränkt sich auf das Wesentliche und das im japanischen Stil. An der zentralen Wand hängt der Dojo Kun. Er soll mich, meine Mitarbeiter und meine Gäste an die großartigen Werte des Traditionellen Karate erinnern. Und es funktioniert tatsächlich. Oft, bevor wir mit einer Besprechung beginnen, überlegen wir, wie wir uns als Mensch und charakterlich weiterentwickeln können, wie wir den Weg der Wahrheit gehen können, wie wir unser Bemühen verbessern können, wie wir respektvoller miteinander umgehen können und wie wir Gewalt vermeiden können.

       Wie können Sie von der Kampfkunst im Geschäfts- und auch im Privatleben profitieren?

      Ich bin sicher, dass regelmäßiges Üben in einer Kampfkunst uns einen gesamtheitlichen Zugang verschafft. Wir trainieren Geist, Körper und Seele. Definitiv hilft dies, einen hohen Energielevel zu halten. Zielverfolgung und Entschlossenheit sind essenziell in der Welt, in der wir leben, wo alles so schnell geht und gehen muss. Wir werden zugeschüttet von unwesentlichen Dingen. Budo-Training hilft uns, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und aus einem ruhigen Geist heraus die richtigen Entscheidungen zu treffen.

       Sie waren einer der Topathleten im polnischen Karate-Nationalteam. Jetzt sind Sie eine der Topführungskräfte eines riesigen Ölunternehmens. Was ist Ihr Geheimnis?

      Ich denke, ich habe das Geheimnis bereits gelüftet. Du brauchst etwas, an das du glauben kannst. Dem musst du folgen, als wäre es deine Bestimmung, mit einem klaren Fokus und voller Entschlossenheit, jedoch immer basierend auf nachhaltigen Werten als rotem Faden. Natürlich braucht man auch von Zeit zu Zeit etwas Glück. Aber wenn man die Werte hochhält, hat man das Glück des Tüchtigen.

       Wenn Sie Entscheidungen treffen, hören Sie auf Ihre Intuition?

      Ich habe einen technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Deshalb muss ich mich stark auf Fakten und Tatsachen konzentrieren. Je länger ich jedoch im Management tätig bin, desto mehr gelange ich zur Überzeugung, dass ich mich auf mein Gefühl verlassen kann. Aus diesem Grund liebe ich auch den Spruch aus dem Samurai Manager-Programm: „you feel. you go.“ Es ist so einfach, aber dieser Slogan beschreibt sehr klar, wie wir unsere Entscheidungen treffen sollten, insbesondere auch privat. Wir wissen, in komplexen Unternehmen mit unterschiedlichen Führungspersönlichkeiten ist es entscheidend, eine gute Balance zwischen Intuition und logischer Annäherung zu finden.

       Glauben Sie, dass die Intuition durch Training der Prinzipien aus den Kampfkünsten verbessert werden kann?

      Die Kampfkunst bereitet uns für einen realen Kampf vor. Für Situationen, in denen wir keine Zeit haben nachzudenken, wo wir aus der Intuition heraus agieren müssen. Aus meiner persönlichen Erfahrung, als ich noch Athlet war, waren die besten Techniken jene, bei denen ich mich nachher nicht mehr erinnern konnte, wie es dazu kam. Es passierte einfach – reine Intuition. Intuition kann definitiv trainiert werden. Ich musste eine Menge Schmerzen, Schweiß und manchmal auch Blut ertragen, aber es hat sich wirklich ausgezahlt.

      Ein nicht näher genannter japanischer Dichter des Mittelalters schreibt: Sei dir selbst treu. Wenn du in deinem Herzen nicht von der Wahrheit abweichst, werden dich die Götter auch ohne dein Gebet beschützen.18

      Lüge und Zweideutigkeiten wurden im alten Japan gleichermaßen verachtet: Bushi-no-ichi-gon (das Wort eines Samurai, um die Wahrheit einer Behauptung zu verbürgen). Sein Wort war von solchem Wert, dass auf schriftliche Bürgschaften

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