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musste ich nur auf der A9 fahren, was sich als keine große Herausforderung erwies. In Berlin machten wir eine kurze Pause. Zu diesem Zeitpunkt war ich immerhin schon sechs Stunden am Steuer gesessen. Wir nutzten die Gelegenheit uns dort einige Sehenswürdigkeiten anzuschauen, wie zum Beispiel das Brandenburger Tor. Bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 verlief dort die Grenze zwischen Ost- und Westberlin.

      Da in der Nähe des Brandenburger Tors sich das Reichstagsgebäude befand und jährlich über zwei Millionen Menschen durch seine gläserne Kuppel strömten, beschlossen wir kurzerhand es zu besichtigen. Allerdings blieb uns nicht viel Zeit, denn wir hatten noch eine weite Fahrt vor uns.

      Nach etwa zwei Stunden Besichtigung hatten wir einen kleinen Eindruck von der großen Metropole bekommen und machten uns wieder auf den Weg. Es war immerhin noch die Hälfte der Strecke zu fahren. Der erste Teil des Weges verlief wie erwähnt schnell und reibungslos. Doch jetzt kam der schwierigere Teil.

      Bereits 50 Kilometer nach der deutsch-polnischen Grenze wurde es unangenehm. Ich hatte gut zwei Drittel des Weges hinter mir. Doch in Polen sind die Autobahnen nicht so gut ausgebaut wie es in Deutschland der Fall ist. Und das ist noch untertrieben ausgedrückt. Auf den Landstraßen war es gefährlich zu überholen, da natürlich auch viel Gegenverkehr herrschte. Somit verbrachte man oft mehrere Minuten hinter einem langsam fahrenden Fahrzeug.

      Ich ließ mich dennoch nicht aus der Ruhe bringen und konzentrierte mich auf mein Ziel. Um 0:30 Uhr kamen wir in einem Vorort von Danzig an. Meine Verwandtschaft, bei der wir angekündigt waren, wartete bereits ungeduldig auf uns.

      Die letzte Stunde vor Ankunft verbrachte ich damit, die genaue Adresse zu finden. Draußen war es stockfinster. Dadurch wurde es nicht einfacher für mich, das Haus zu finden. Ich fuhr fast im Schritttempo, um nicht die richtige Ausfahrt zu verpassen.

      Doch es half nichts. Ich fand das Haus der Verwandten nicht. Es war auch keine Menschenseele weit und breit zu sehen, die uns hätte eventuell den Weg beschreiben können. Nach einer halbstündigen Suche sahen wir eine Person auf der Straße herumschleichen. Es war ein Mann mittleren Alters, der offensichtlich ein bis zwei Bier zu viel getrunken hatte. Um ehrlich zu sein, es waren mindestens fünf Bier zu viel. Dass er sich noch auf den Beinen halten konnte, wunderte mich schon sehr.

      Er war wohl schon geübt darin! Im Schritttempo fuhr ich auf ihn zu, ließ meine Fensterscheibe herunter und fragte nach der besagten Adresse. Trotz seines alkoholisierten Zustands, er hatte bestimmt schon über zwei Promille, konnte er uns eine genaue Wegbeschreibung geben. Kaum zu glauben wie gut das Gedächtnis des Betrunken funktionierte!

      Ich bedankte mich und fuhr weiter. Ich musste über diesen Mann schmunzeln. Irgendwie seltsam, da fährt man in den Urlaub um Freude zu finden und dann ist es ein Betrunkener, der einen als erstes zum Lachen bringt. Ich fuhr die beschriebene Strecke weiter, bis wir kurz darauf einen Anruf von meinem Onkel erhielten. Dieser beschrieb uns die letzten Meter bis zum Haus. Dann war es auch kein Problem mehr, das Ziel zu finden. Überglücklich kam meine Tante aus dem Haus und umarmte uns alle mit großer Freude. Von meinem Onkel gab es, wie unter Männern üblich, einen festen Händedruck. Meine Cousinen wohnten in der Stadt. Diese sollten wir in den nächsten Tagen besuchen. Doch zunächst hieß es für mich sich auszuruhen. Ich war hundemüde von der langen Fahrt.

      Nach einem erholsamen Schlaf begannen am nächsten Tag lange Gespräche über die vergangenen Jahre. Schließlich hatte man einiges nachzuholen. Wie bereits erwähnt, hatten wir unsere Verwandten ziemlich lange nicht gesehen, insbesondere meine Wenigkeit. Dennoch behandelten sie uns nicht wie Fremde. Die Situation kam mir eher so vor, als ob wir einen von vielen jährlichen Familienbesuchen abstatten würden. Meine Tante war die Beste. Jeden Tag kochte sie die feinsten Delikatessen. Sie war wirklich eine Meisterköchin. Es gab nichts, was mir nicht schmeckte.

      Aber auch mein Onkel bereitete mir viel Freude. Er hatte eine besonders gelassene Art, die mich immer wieder zum Lachen brachte. Dieses Ehepaar war ungeachtet dessen absolut einzigartig. Sie stritten sich ab und an, aber auf eine so liebevolle Art und Weise, dass die Diskussionen viel mehr ein „Schatz, ich liebe dich“ ausdrückten.

      Es war einfach berührend, wie bezaubernd diese zwei Menschen waren. Auch meine Cousinen hatten uns einige Tage später sehr herzlich aufgenommen. Ich konnte mit ihnen offen reden, obwohl ich so lange keinen Kontakt zu den beiden hatte. Meine Eltern hatten zwar einen regelmäßigen Telefon- und Briefkontakt, aber dazu steuerte ich wenig bei. Umso mehr freute es mich, dass wir bereits am zweiten Tag zusammen um die Häuser zogen. Wir gingen Cocktails trinken und besuchten eine angesagte Diskothek in Sopot. Dort waren bekannte Größen, wie der ehemalige Boxweltmeister Dariusz Michalczewski gerngesehene Gäste.

      Es war einfach toll. Die Menschen waren freundlich, die Musik war nach meinem Geschmack, und auch sonst fühlte ich mich sehr heimisch. Natürlich hatte ich den Vorteil, dass ich des Polnischen mächtig war. So war ich in der Lage mitzureden.

      Die nächsten Tage verbrachten wir damit, einige Ausflüge zu unternehmen. Meine Verwandten wollten uns so viele Dinge zeigen. Sie führten uns durch die drei dicht einander liegenden Städte Danzig, Sopot und Gdynia. Wir schauten uns ein Schloss in der Stadt Malbourg an und besuchten ein Museum, in dem man sehen konnte, wie die Menschen vor einem Jahrhundert noch lebten. Doch der schönste Ausflug, der mir im Gedächtnis blieb, war auf der Halbinsel Hel.

      Diese Halbinsel ist eine 34 Kilometer lange Landzunge, die sich in die Ostsee streckt. An manchen Stellen ist sie gerade einmal 200 Meter breit. Sie entstand aus einer Kette von kleinen Inseln, die sich bis zum 18. Jahrhundert hier befanden. Das wirklich Spektakuläre dabei ist, man fährt einige Kilometer auf dieser Landzunge entlang ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass um einen herum die Ostsee ist.

      Doch plötzlich kommen Stellen auf, wo links und rechts nur noch Wasser zu sehen ist. Ich habe mich gefragt, was wohl passieren würde, wenn ein heftiger Sturm ankäme, und große Wellen in diese Richtung tragen würde. Ich habe meinen Onkel darauf angesprochen. Er bestätigte mir, dass es tatsächlich Tage gibt, an denen sich dieses Ereignis tatsächlich abspielt. Doch das kam nur alle paar Jahre vor. Verständlich, dass sich in der unmittelbaren Nähe auch kein Mensch niedergelassen hat.

      Nach einer dreiviertelstündigen Fahrt vom Festland kamen wir in Hel an. Zwei Dinge fielen mir hier besonders auf. Zum einen der starke Wind, der mir ständig ins Gesicht blies, zum anderen das klare Wasser. Viele Touristen waren hier unterwegs. Besonders Surfer und Segler fanden an diesem Ort optimale Bedingungen. Mich persönlich erreichte der Seewind nicht nur am Körper, sondern auch im Herzen. Die frische Meeresbrise säuberte meine Gedanken und wehte alles Schlechte aus mir heraus. Wir schlenderten an einigen Ständen vorbei, kauften hier und da kleine Souvenirs und gingen anschließend zum Mittagessen.

      Natürlich gab es traditionelle polnische Küche. Ich nahm meine Leibspeise „Ruskie Pierogi“ mit Sahne. Von diesen gefüllten Hefeteigtaschen konnte ich wirklich nicht genug bekommen. Auf dem Weg zum Auto kamen wir an einem weiteren Stand mit Accessoires vorbei. Mir stach sofort eine schlichte Kette mit einer Schildkröte ins Auge.

      Es war fast wie Liebe auf den ersten Blick. Auch wenn ich kein Schmuckliebhaber bin, nahm ich die Kette. Meine Tante bestand darauf, die Kette zu bezahlen. Ich wollte eigentlich keine Geschenke mehr von ihr, da sie uns ständig etwas ausgab. Ihr war es dennoch wichtig, dass ich ein Andenken von ihr hatte. Etwas, dass mich sofort an sie erinnern würde. Ich gab ihrer Bitte nach und ließ mich beschenken. Diese Kette sollte mich die nächsten Monate und Jahre begleiten. Tatsächlich dachte ich immer wieder an meine Tante, wenn ich sie trug.

      Am Ende der zweiten Woche beschloss ich an einem Abend, spontan das Nachtleben unsicher zu machen. Ab dem Wochenende begann in den drei Städten Gdansk, Gdyna und Sopot ein Festival. Zu meinem Bedauern konnte man nur mit Einladung Diskotheken und Bars besuchen. Somit hatte ich keine Möglichkeit irgendwo hineinzukommen.

      Das war wirklich schade, denn ich war voller Feierlaune. Ich musste umdenken. Ohne lange zu überlegen, fuhr ich los, um mich auf dem Land umzuschauen. Nach einiger Zeit erreichte ich eine kleinere Stadt namens Lemborg. Dort steuerte ich eine Tankstelle an.

      Mein Tankzeiger zeigte schon fast auf null. Ich tankte und ging hinein, um zu bezahlen. An der

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