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oder ein Mensch, der auch sein eigenes Leben lebt, seine eigenen Erfahrungswelten hat, seine Arbeit und sein eigenes Geld. Und den Kindern somit eine Rolle vorlebt, die neben Liebe und Fürsorglichkeit auch Unabhängigkeit, Gestaltungsmöglichkeiten und Zufriedenheit außerhalb der Familie bietet.

      Eine Interviewpartnerin, die schon neben ihren kleinen Kindern studiert hatte und sich dann ins obere Management eines internationalen Konzerns hinaufarbeitete, erzählte mir von der Rede ihrer Tochter auf der Maturafeier:

       „Gestern hat sie maturiert und in ihrer Rede hat sie gesagt, sie ist so dankbar, dass sie in ihrem Leben viele, viele Bezugspersonen gehabt hat und dass sie Eltern gehabt hat, die vielleicht nicht immer quantitativ da waren, aber auf jeden Fall qualitativ. Und ihr größter Wunsch ist, dass sie einmal so wird wie ihre Mama! Und da habe ich mir gedacht, so falsch kann es nicht gewesen sein.“ (Thea R.)

      Dieselbe Frau hat mir dann erzählt, wie in ihrem Umfeld über sie gesprochen wurde:

       „Sie führt zwar kein artgerechtes Leben als Frau, aber immerhin hat sie zwei Kinder gekriegt.“ (Thea R.)

      Diese Aussage zeigt einmal mehr, wie tief bei Menschen die Rollenbilder verankert sind.

      Für die Kinder ist das Um und Auf die zufriedene, entspannte, ausgeglichene Mutter und der ausgeglichene Vater. Wann sind wir ausgeglichen? Wenn wir das tun, was wir gerne tun, was uns erfüllt und was wir für richtig halten (siehe Kapitel „Was will ich wirklich?“). Meine Interviewpartner*innen, alle in sehr anspruchsvollen Führungspositionen, haben mir diesen Eindruck vermittelt. Die Kinder haben ein sehr feines Sensorium, vor allem gegenüber ihren Bezugspersonen. Sie merken sofort, ob die entspannt sind oder nicht. Ich konnte das bei meinen Töchtern auch sofort merken. Es kommt also auf ihre innere Haltung an, mit der die Mutter ihren Kindern gegenübertritt.

      Die Bindungsforscherin bestätigt diese Sicht, indem sie den berufstätigen Müttern sagt:

       „Wenn sie ihre Arbeit als vorteilhaft für sich selbst, das Kind und die Familie ansehen, können sie mit größerem Selbstverständnis eine gute Beziehungsqualität zu ihren Kindern entwickeln.“8

      Christine Bauer-Jelinek ortet eine große Verunsicherung bei Frauen, egal, was sie tun:

       „Das schlechte Gewissen haben beide: Frauen, die bereits nach vier Monaten wieder Vollzeit arbeiten, fühlen sich als ‚Rabenmütter‘. Frauen, die nach einem Jahr noch nicht zurück in den Beruf gehen wollen, weil sie beispielsweise stillen oder die Zeit mit dem Kind genießen, müssen mit dem Vorwurf der ‚Gluckenmutter‘ fertig werden, weil alle sagen: ‚Was, du bist noch immer zu Hause?‘ In meiner Coachingpraxis erzählen beide von großem Druck und schlechtem Gewissen.“

      Der Psychotherapeut Mathias Wais, der mit seinen Klient*innen Biografiearbeit durchführt und darüber mehrere Bücher geschrieben hat9, beobachtet in vielen der heutigen Frauenbiografien, dass sich ein Leitmotiv durchzieht: das Schuldgefühl. Will sich eine Frau aus den Rollenvorstellungen, die an Frauen geknüpft sind, herausentwickeln, wird sie in unserer Gesellschaft meistens auf Widerstand stoßen. Und sie hat ein schlechtes Gewissen.

      Wais: „Lange haben Frauen ihre Individualisierung, ihre Ich-Entwicklung zurückstellen müssen. Jetzt kommt [sie] mit Macht.“

      Wenn wir aus unseren Köpfen und Gefühlen die Glaubensmuster, Prägungen und Klischees zum Idealbild der Mutter und Familie verbannen können, werden sich sehr individuelle Lösungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergeben, die sich zum Wohle aller Beteiligten auswirken. Diese sind im Kapitel „Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“ beschrieben. Die Lösung für die Lebensform muss jede Frau, jeder Mann und die Familie gemeinsam für sich finden.

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