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zum Regierungsrat zu erkundigen?

      Zur Mittagsrunde gedachte er bei Fräulein Hüsch zu erforschen, was sie Näheres über den offiziellen Ball gehört habe.

      Er kam jedoch nicht dazu, und am nächsten Tage erschien ihm die Frage samt den Beweggründen, die ihn dazu verleiten wollten, nur töricht.

      Als die Woche wieder um war, ergab es sich jedoch, daß Oskar Wichmann zu dem Tee mit anschließendem Abendbrot bei Lotte Hüsch mit einem sehr gründlichen Muskelkater der ersten Reitstunde erschien. Dank seiner Willensanstrengung, die in ihrem Mißverhältnis zu dem gegebenen Anlaß komisch war, bewegte er Beine und Körper gerade vorwärts, brachte mit schmerzendem Kreuz eine Verbeugung zustande und nahm ohne auffallende Steifheit auf seinem Stuhl Platz.

      Man saß an einem großen runden Tisch. Auf der Glasplatte, die die helle Politur schützte, lagen die kleinen Deckchen, deren jedes für einen Gast einen Teller und die Tasse trug. Der Tee duftete gut; die Brötchen mit Schinken, Ei, Sardellen, Senf und Kaviar waren für Herrengeschmack richtig zubereitet; es begann ein Futtern, dessen Lebhaftigkeit auf unverbildete Triebe schließen ließ. Die Anwesenden waren zahlreich, die Themen Dienst und Frauen die einzig gemeinsamen. Lotte Hüsch sah mit ihrem kräftig braunen Haar und dem reinen Teint wirklich gut aus; das kornblumenblaue schmucklos getragene Seidenkleid stand ihrer Art und ihren Farben. Wichmann betrachtete sie wie ein hübsches Tier im Zoo. Zwischen ihm und ihr befand sich jetzt ein unsichtbarer Graben, den er gar nicht mehr zu überspringen wünschte. Ihre zierliche Hand mit dem funkelnden Ring schenkte Tee ein; der Regierungsrat aus dem Staatsministerium, dessen Schmiß heute besonders herausfordernd wirkte, half beim Herumgeben der Tassen.

      »Also ham Sie gehört? Am 20. Dezember im ›Hotel de l’Europe‹… geht man hin?«

      »Sind Gäste zugelassen?« fragte der mit dem Schmiß.

      »Von verbündeten Mächten … warum nicht? Kommen Sie?«

      »Wenn mein Terminkalender mich nicht schon anderweitig festlegt, mit dem größten Vergnügen, gnädiges Fräulein.«

      »Kommen Sie auch, Herr Korts?«

      »Nein.«

      »Warum denn nicht?«

      »Ich komme nicht.«

      »Tanzen Sie nicht?«

      »Nein.«

      »Warum denn nicht?«

      »Weil ich das für eine unnütze Art der Fortbewegung halte, sich umeinander im Kreis zu drehen. Ich gehe lieber gradeaus vorwärts, voran.«

      »Ach, Quatsch. Kommen Sie doch! Wenn Grevenhagen und Boschhofer kommen …!«

      »Wissen Sie das?«

      »Natürlich. Sie ham ja Karten genommen. Grevenhagen kommt mit seiner Frau.«

      Ein leichtes »Ah« lief um den Tisch. Wichmann fühlte sich merkwürdig fremd und abwesend.

      »Dann kann ich ja auch mit Ihnen kommen, Fräulein Hüsch«, rief Korts.

      »Herr Korts, ich füttre Sie hier nicht, damit Sie frech werden.«

      »Herr …« Die Narbe des Mitglieds aus dem Staatsministerium schwoll an. Der Ton klang hilfsbereit und händelsuchend.

      »Bitte die Tasse, Herr Regierungsrat Schildhauf … seien Sie vorsichtig … Sagen Sie, Herr Korts, also Sie kommen doch?«

      »Ich werd’ mir’s überlegen.«

      »Boschhofer möchte ich tanzen sehn, Kinder!«

      »Er fordert Sie auf, Fräulein Hüsch, das ischt einmal sicher.«

      »Wieso?«

      »Er ischt ein Junggeselle, und Ihr Onkel ischt Reichstagsabgeordneter. Er hat Sie ja auch auf die Beförderungslischte gesetzt.«

      »Boschhofer? Das muß doch Grevenhagen machen!«

      »Fragen Sie nur unser Auskunftsbüro …«

      »Herr Nathan? Was wissen Sie denn Neues?«

      »Daß Sie jetzt erst auf die Liste gekommen sind, Gnädigste. Grevenhagen hatte sich für unzuständig erklärt.«

      »Na, hören Sie, was soll denn das? Ich arbeite doch bei ihm!«

      Bei dem Wort ›arbeiten‹ brach die Mehrzahl der Herren in ein despektierliches Gelächter aus.

      »Was lachen Sie denn? Er muß mich doch zur Beförderung eingeben!«

      »Hat sich aber als unzuständig erklärt. Die Bücherei sei nicht seine Referatsangelegenheit, sondern eine allgemeine Abteilungssache.«

      »Na hören Sie! Da könnte ja der Pöschko kommen und als ›Abteilungsamtmann‹ kontrollieren. Es wäre eine Schweinerei und eine glatte Gemeinheit, wenn mich Grevenhagen dem preisgeben wollte. Gut, daß ich das hör’ … da muß ich morgen sofort etwas unternehmen! Auf der Liste bin ich aber?«

      »Durch Boschhofer, ja. Der bewußte Anruf hat gewirkt.«

      »Was Sie immer alles wissen! Aber sagen Sie, das hätt’ ich nicht gedacht von Grevenhagen. Immer den Kavalier spielen – die Sauberzweig ist ja auch schon nicht mehr ganz normal, weil sie sagt, der Ministerialrat habe ihr den Hut aufgehoben – und dann hintenherum einen dem Pöschko preisgeben.«

      »Was haben Sie denn gegen Pöschko? Das ist doch ein tüchtiger Beamter?«

      »Ach, Herr Korts, jetzt hören Sie aber auf. So ein heimtückisches, minderwertiges Subjekt! Er will mich durchaus kontrollieren!«

      Korts wandte sich bei dem Stichwort »Kontrolle« von der Gastgeberin ab und Borowski zu. »Haben Sie schon gehört? Grevenhagen erhält ein Kontrollreferat über den ›Orient‹…«

      »Wa … waas? Das wäre ja unerhört! Das lassen wir uns nicht bieten!«

      »Dann werden Sie wohl den Dienst quittieren müssen, Herr Borowski. Ministerialdirigent wird Grevenhagen ja doch bald. Die Funktionen werden ihm etwas früher übertragen. Nischan hat eine Dummheit gemacht in einem Gesetzestext. Großer Stunk! Grevenhagen ist in jeder Beziehung obenauf.«

      »Na, dann könn’ wir vom ›Orient‹ unsere Karriere begraben. Die Herren von drüben sind sowieso immer viel schneller vorwärtsgekommen. Grevenhagen ein Kontrollreferat! Der Pinsler! Das ist unerträglich!«

      »Sagen Sie das nicht so laut vor den Ohren des Abendlandes!« rief Lotte Hüsch.

      »Ist mir egal. Sie können ruhig weitererzählen, was ich gesagt habe, Herr Korts.«

      »Ich habe kein Interesse am Klatschen. Wir werden sehr fruchtbar zusammenarbeiten.«

      »Ha, ich muß sage, es isch hübe im Abendland eigentlich ganz nett, und der Grevenhagen weiß wirklich bedeutend mehr als unser Nischan …«

      »Sie sind ja schon infiziert! Bei Grevenhagen ist man nichts als Sklave!«

      »Ha no, jetzt so ein Haussklave hat’s manchmal ganz gut g’habt, Herr Borowski, des probiere Sie nur einmal aus. Die Hälfte der Worte, die Sie am Tage zu spreche gewohnt sind, müsse Sie halt dann außerhalb des Dienschtes gruppiere, zu der zweite Hälfte läßt der Grevenhagen Ihnen schon Zeit, wenn Sie sich ein bißle beeile.«

      »Ja, so ungefähr habe ich mir das vorgestellt! Seinen Mitarbeitern den Mund verbieten! Angeblich alles selber gemacht haben! Alles besser wissen! Nach fünf Uhr noch anrufen! Um halb neun Uhr kommen! Den Vornehmen spielen … niemanden vorlassen durch die hochmütige du Prel … den Halbgott markieren … und sich dann einbilden, daß das heutzutage noch ungestört so weitergeht … An mir wird der Herr aber sein blaues Wunder erleben!« Borowski schüttelte die blondborstigen Locken. »Das wird ein Tanz werden! Aber ich denke gar nicht daran, mir etwas gefallen zu lassen. Ich bin schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden. Wir werden ja sehen. Grevenhagen … na!«

      »Wie soll denn das werden, Herr Nathan?« rief Lotte Hüsch. »Wenn

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