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Die zweite Reise. Jannis B. Ihrig
Читать онлайн.Название Die zweite Reise
Год выпуска 0
isbn 9783957446695
Автор произведения Jannis B. Ihrig
Издательство Автор
Erwin ging zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand April, die Wassermagierin, die sichtlich erleichtert aussah. „Guten Morgen, April.“
„Guten Morgen, Erwin. Ist mit dir alles in Ordnung? Ich habe dich schreien gehört“, fragte April besorgt.
„Ähm, ja, ich hatte einen Albtraum. Kein Wunder, wenn man bedenkt, was wir so alles durchmachen mussten. Tut mir leid, falls ich dich erschreckt habe.“
„Ist schon in Ordnung.“ April sah Erwin an und dieser erwiderte den Blick.
Es entstand eine peinliche Pause. April wusste, dass Erwin etwas belastete, was mehr war als nur ein Albtraum, und Erwin ahnte, dass April es wusste.
Die Wassermagierin brach das Schweigen und sprach weiter: „Ich habe dir eine neue Robe mitgebracht“, wobei sie Erwin eine schneeweiße Robe reichte.
Erwin nahm sie entgegen und bemerkte: „Danke.“ Dann fiel sein Blick auf ein Zeichen auf der Rückseite: eine Sonne, die von einem Ring umgeben war. „Das ist ja die Robe eines vollwertigen Lichtmagiers“, stellte Erwin erstaunt fest.
„Ja, diese Robe hat mir einer der Flüchtlinge gegeben. Er selbst ist auch ein Lichtmagier und bot mir diese Robe sofort an, als ich herumgefragt hatte.“
„Du hast für mich nach einer neuen Robe gesucht?“, fragte Erwin teils erstaunt, teils gerührt.
„Ja, die hast du dringend notwendig, wenn man dich so ansieht.“
Erwin blickte an sich herab und musste zugeben, dass dies noch untertrieben war. Die blaue Robe, die er von April in der Wüste bekommen hatte, war mehr zerrissen als heil und zudem nicht mehr blau, sondern bräunlich, was dem vergossenen, inzwischen getrockneten Blut, teils von Erwins Feinden, teils von ihm selbst, zu verdanken war. Die alte Robe sah so aus, wie sich Erwins Seele anfühlte. Nichts war mehr von seiner Naivität übrig geblieben, stattdessen war seine Seele von dem, was er miterleben musste, zerkratzt und verunreinigt. Es war schwer vorstellbar, dass Erwins altes Leben als Lehrling an der Akademie des Lichts erst vor zwei Wochen geendet hatte.
„Danke, April. Eine neue Robe ist genau das, was ich jetzt brauche.“
April lächelte und zog sich dann zurück, damit Erwin sich umziehen konnte.
„Warte, April! Was ist eigentlich mit deiner Mutter?“
Aprils Mutter Neptunia war nach der Schlacht verschwunden, doch April konnte jetzt Entwarnung geben: „Meine Mutter ist noch gestern Abend wieder aufgetaucht. Das Kämpfen hatte sie sehr erschöpft, weshalb sie vorübergehend ohnmächtig in einer Gasse lag. Dann aber hat sie sich zur Zitadelle geschleppt, wo wir sie gefunden und sofort ins Bett gesteckt haben. Sie schläft noch immer und sollte am besten nicht geweckt werden.“
„Vorsicht, die Natter wacht auf“, vernahm die Silberne Natter.
„Bleib cool, Kumpel. Diese Stahlfesseln, mit der wir sie am Bett fixiert haben, könnte nicht mal ein Kampfroboter brechen“, versuchte eine zweite Stimme zu beruhigen.
„Der Roboter mit den Augen bestimmt schon“, erwiderte die erste Stimme skeptisch.
Zuerst war die Sicht der Natter verschwommen, doch allmählich wurde alles wieder klar. Sie starrte an eine steinerne Decke, bis sie den Kopf drehte und bemerkte, dass sie sich in einem rustikalen Bett befand, welches aus Holzplanken bestand und eine Strohmatte besaß, soweit sie es fühlen konnte. Die Fesseln waren tatsächlich aus Stahlbändern und somit selbst für sie nicht zu brechen. Sie reckte weiter ihren Kopf und konnte nun die beiden Besitzer der Stimmen erblicken und gleichzeitig erkennen, dass sie sich in der Zelle eines Verlieses befand. Vor den Gitterstäben standen zwei menschliche Soldaten. Der eine, der zuerst gesprochen hatte, schien einer arabischen Familie zu entstammen, während der zweite eindeutig asiatische Vorfahren hatte.
„Ich meine, hast du dieses … Ding gesehen?“, setzte der Araber wieder an.
„Ja, zugegeben, der ist unheimlich. Und damit meine ich nicht die Toten, die er in der Forschungsstation hinterlassen hatte. Ich habe ihn kurz nach der Schlacht gesehen. Er hat geblutet. Sandfarbenes Blut tropfte aus den Ritzen seiner Panzerung. Und dann erst diese Augen!“, fügte der Asiate hinzu.
„Als wäre er keine Maschine mehr“, befürchtete der Araber.
„Was aber dann?“, fragte der Asiate.
Plötzlich hörten sie ein Geräusch und zuckten zusammen. Es war das typische Surren von Robotergelenken. „Meine Herren, ich wurde zu Ihnen geschickt, um Ihnen bei der Bewachung der Gefangenen zu helfen.“
Die Natter sah den beiden Soldaten die Erleichterung an, die sie verspürten, nachdem sie sahen, dass es nur ein kleiner Delta-Gatling-Roboter war, der die Steintreppe herunterkam. Dieser vierbeinige Spinnenroboter war nicht länger als einen Meter und trug auf seinem Rücken eine einzelne Gatling. Er wurde hauptsächlich für Wachdienste und Patrouillen innerhalb von Gebäuden eingesetzt.
„Verdammt noch mal, schleich dich nicht an, Robot“, fauchte der Asiate den Roboter an.
„Entschuldigung, Herr. Das wird nicht wieder vorkommen“, entschuldigte sich der Roboter.
„Das will ich auch hoffen“, setzte der Araber hinzu. Dann wendete er sich der Treppe zu, die nach oben in die Zitadelle führte. „Ihr beiden passt weiter auf die Natter auf. Ich gehe mal kurz nach oben und sage Bescheid, dass unsere kleine Schlange hier aufgewacht ist.“
Die Natter überlegte kurz, ob sich jetzt vielleicht eine Gelegenheit bot, ihre Bewacher zu überlisten und zu fliehen. Doch sie verwarf alle Fluchtpläne. Die Wache schien sehr gut über sie informiert zu sein, sodass sie nicht einmal im Traum daran denken würde, ihr die Fesseln abzunehmen. Sie musste erst auf eine günstige Gelegenheit für die Flucht warten, bevor sie sich wieder auf ihren Auftrag konzentrieren konnte.
Während die Natter sich den Kopf darüber zerbrach, wie sie ihre eingeschränkte Bewegungsfreiheit wieder entfesseln konnte, musste ein anderer Delta-Gatling-Roboter die Erfahrung machen, dass es keine gute Idee war, einem Ork auf den Fuß zu treten.
„Sie können doch nicht einfach so einen 50.000 Kolonialdollar teuren Roboter gegen die Wand treten, Herr!“
„Nun, dass deine … Eisenspinne jetzt zerschmettert an der Wand liegt, scheint aber das Gegenteil zu beweisen“, erwiderte Janok gereizt.
„Janok, du solltest dich entschuldigen“, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm.
„Bei wem ich mich entschuldige, entscheide immer noch ich, kein anderer, erst recht keine Tarborianerin“, erwiderte Janok scharf. Doch dann wandte er sich dem menschlichen Techniker zu und entschuldigte sich: „Es war keine Absicht. Ich bog gerade um diese Ecke, als Ihre Eisenspinne den Gang heruntergeflitzt kam und mir auf den Fuß trat. Da habe ich sie reflexmäßig weggetreten.“
Der Techniker seufzte: „Sie wären aber der Erste, der einen hundert Kilogramm schweren Roboter einfach so wegtritt. Wie soll ich meinem Vorgesetzten erklären, dass einer unserer Roboter nun Schrott ist, nachdem er Ihren Weg gekreuzt hat?“
„Keine Sorge, er wird Ihnen glauben, da ich zufällig Zeuge dieses ungewöhnlichen Aufeinandertreffens wurde.“
Der Techniker sprang auf, drehte sich um und salutierte: „Herr Irving Anderson.“
„Bitte kein Salutieren vor mir. Ich bekleide offiziell keinen militärischen Rang mehr und stehe so als Zivilist vor Ihnen“, bemerkte Irving.
„Ich respektiere Sie auch nicht wegen irgendwelcher Titel, sondern wegen Ihrer Leistung in der gestrigen Schlacht.“
‚Mit einem gigantischen Kampfläufer ist das auch kein Kunststück‘, dachte Irving missmutig, ließ sich aber nichts anmerken und sagte stattdessen: „Lassen Sie sich beim Aufsammeln der Bruchstücke nicht weiter stören.“ Dann wendete er sich an Janok und Schimascha, die hinter ihm standen.
Weil