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Der gefesselte Dionysos. Patrik Knothe
Читать онлайн.Название Der gefesselte Dionysos
Год выпуска 0
isbn 9783957442086
Автор произведения Patrik Knothe
Жанр Любовное фэнтези
Издательство Автор
„Du musst dich nachher gleich waschen und umziehen. Dann gehen wir zum Arzt.“
Diese Worte reichten aber bereits aus um das schöne Gefühl zu verscheuchen. Sein Blick versteifte sich wieder und er musste unwillkürlich an den schmalen Gang im Keller denken und was darin lag; oder vielleicht nicht darin lag.
So folgte Orthos weder ihrer Bitte sich doch endlich umzuziehen und zu waschen, noch hatte er die kleinste Lust zum Arzt zu gehen. Das einzige was ihn gerade interessierte war der Keller. Sobald er wieder aufrecht stehen konnte jagte er als erstes Galateia aus der Wohnung und stieg dann, so schnell es sein Zustand erlaubte, die alten, knarzenden Holzstufen hinunter. Jetzt musste er nur noch das Weinregal beiseite rollen. Ein Schauer überlief ihn – Der Gang war leer.
Orthos Finger verkrampften sich im Holz des Regals und vor seinen Augen begann es zu flimmern.
Ein weißer Zettel lag an der Stelle an der eigentlich seine Vorräte stehen sollten. Mit zitternden Händen hob er ihn auf. Es stand nur ein Satz darauf, doch es erforderte all seine Konzentration ihn richtig lesen zu können:
Am Baumhaus warten wir auf dich!
Die Worte prallten auf ihn ein wie eine Sturmflut kalten Wassers. Wie konnte jemand außer ihm von dem Gang wissen? All seine Angst und Verwirrtheit verwandelte sich auf der Stelle in grenzenlose Wut. Endlich hatte er eine Erklärung; endlich wusste er, dass er nicht völlig den Verstand verloren hatte; und endlich konnte er sich an jemandem rächen. Und wie er sich an diesen unverschämten, kleinen Bastarden rächen würde.
Orthos spürte wie die Kraft langsam in seine Glieder zurückkehrte. Als hätte er noch nie etwas anderes vorgehabt, ging er die Treppe nach oben und zog sich an.
„Was tust du? Wo gehst du hin?“ Galateia war wieder in der Wohnung.
„Lass mich in Ruhe. Ich muss meine Sachen zurück holen.“
„Was für Sachen? Orthos, du brauchst Ruhe und musst dringend zum Arzt. Du bist krank …“
„Mein Bier. Meine Kippen. Das was sie mir geklaut haben. Denen werd’ ich’s zeigen!“
„Was redest du da?“ Sie trat an ihn heran. „Bitte … hör auf zu trinken, du …“
„LASS MICH IN RUHE HAB ICH GESAGT“, schrie er und schlug seiner Schwester mit voller Wucht die flache Hand ins Gesicht. Galateia schlug auf dem Boden auf während Orthos schon draußen auf dem Hof war und zielstrebig Richtung Wald lief.
Jetzt galt es seine Ehre und seinen Stolz wiederherzustellen. Nur dieser Gedanke beherrschte ihn und keine Sekunde dachte er daran, was ihn wohl im Wald erwarten würde.
Nach ein paar Minuten musste er dennoch kurz anhalten und nach Luft schnappen. Sein Körper war immer noch geschwächt.
„Was is denn los Orthos? Wohin biste denn so zielstrebig unterwegs?“ Er erschrak. Diogenes stand auf der anderen Straßenseite und sah ihn interessiert, ja sogar leicht amüsiert an.
Orthos starrte ihm feindselig in die Augen, würdigte ihn aber keiner Antwort und ging weiter.
Er war auf dem Feldweg auf dem sich einige Tage zuvor Dionysos und Apollon vor ihm versteckt hatten, als er erneut stehen blieb. Dieses mal nicht vor Müdigkeit – er hatte ein seltsames Rascheln im Gebüsch gehört. Orthos drehte sich um; doch er war zu langsam … das letzte was er sah bevor er einen Schlag auf dem Kopf verspürte war ein Paar eindringlicher, tiefblauer Augen.
XIII
Mit stechenden Schmerzen im Kopf kam Orthos langsam wieder zu Bewusstsein. Instinktiv wollte er sich an die pochende Stelle greifen doch er konnte sich nicht rühren. Auch sehen konnte er nichts. Irgendetwas war auf seinen Augen. Laub knisterte unter seinem Gewicht und mit seinen gefesselten Händen konnte er den Baum fühlen an den man ihn gebunden hatte. Auch der Geruch kam ihm bekannt vor. Er musste im Wald sein.
„HEEEEE! HALLO!?“, schrie er in die Stille hinein doch es kam keine Antwort. Nur das leise Rascheln der Bäume im Wind war zu hören. Er bekam Angst. Was ging hier vor? Wer hatte ihn hierher verschleppt. Waren es vielleicht gar nicht die Kinder die ihn aufs Kreuz gelegt hatten, sondern jemand anderes der ihm etwas schlimmes antun würde?
„HALLO???“, rief er erneut mit verzweifelt krächzender Stimme. Eine gute halbe Stunde lag er so da; gefesselt an einen Baum, allein im Wald. Seine Rufe wurden immer lauter. Er wandte sich in alle Richtungen; bäumte sich auf, doch die Seile waren zu stark.
Plötzlich vernahm er Schritte auf dem Waldboden; langsame Schritte von vielen Füßen.
Panik kroch seinen Rücken hinauf und ließ ihn zittern.
„Wer ist da? WER IST DA? Lasst mich frei … Was wollt ihr?“ Er wimmerte beinahe schon. Alle Ereignisse der letzten Tage kamen ihm wieder wie ein harter Schlag ins Gedächtnis. Auch die grausamen Fangarme der Dämonen und ihre finsteren, rot glühenden Pupillen erschienen vor seinem geistigen Auge.
„Hört auf! Bitte hört auf!“, schrie er.
Es trat wieder Stille ein. Doch auf einmal war jemand ganz nah bei ihm. „Hör auf!! LASS MICH IN RUHE! BITTE! HÖR AUF!“
Orthos spürte Hände auf seinem Gesicht. „LASS MICH LOS!“
Man nahm ihm Augenbinde ab und vor ihm eröffnete sich ein Bild wie er es Zeit seines Lebens nie mehr vergessen würde: zehn bis zwölf Gestalten standen zwischen den dichten Bäumen, in weiten, schwarzen Kutten, die Kapuzen weit ins Gesicht gezogen und alle mit lodernden Fackeln in den Händen. Es war ziemlich dunkel obwohl es erst Mittag war. Man musste ihn tief in den Wald geschleift haben. Um ihn herum war ein hoher Haufen aus Ästen und Heu gelegt worden. Seine Augen weiteten sich erneut vor Schreck.
„Was habt ihr vor? Bitte lasst mich frei! Lasst mich frei!“ Tränen der Angst liefen an seinen Wangen herab. Er sah zu der Gestalt neben ihm, die ihm die Binde abgenommen hatte und sein Herz blieb beinahe stehen: Das Gesicht unter der Kapuze war pechschwarz, doch das war noch nicht das Schlimmste. Es waren die Augen: schwarze, ausdruckslose Löcher.
Orthos schrie. Hatten sich seine Albträume bewahrheitet? Würden ihn die Dämonen heute kriegen?
„RUHE!“, rief plötzlich eine der Gestalten. Orthos erkannte nun, dass auch die anderen alle schwarze Gesichter hatten. Als die Stimme fortfuhr zu sprechen, wimmerte er nur noch leise vor sich hin.
„Der hier anwesende Orthos wird folgender Verbrechen für schuldig befunden: Er hat ohne ersichtlichen Grund, nur aus Lust an der Grausamkeit die Kinder von Delphi geschlagen, getreten, ihnen Angst gemacht, sie angebrüllt, eingeschüchtert und gedemütigt. Dazu kommt noch, dass er seine Familie, insbesondere seine Schwester wie den letzten Dreck behandelt und auch gegen sie die Hand erhoben hat. Das Gericht von Delphi hat entschieden, dass es auf der ganzen Welt keine erbärmlichere, schlimmere und bösere Kreatur als diese gibt.
Deswegen verurteilen wir ihn zum Tode durch den Scheiterhaufen. Möge Gott seiner armen Seele gnädig sein. VOLLSTRECKEN!“
Fünf der in den Kutten Vermummten traten hervor. Langsam gingen sie im Gleichschritt auf Orthos zu der wie am Spieß zu schreien begann.
„NEIN! HÖRT AUF! HÖRT AUF!“ Als die Fünf sich im Kreis um ihn verteilt hatten bewegten sich ihre Fackeln auf den Holzhaufen zu.
„ICH MACH NIE MEHR WAS!“, schrie er weiter. „ICH LASS DIE KINDER IN RUH’! AUCH MEINE SCHWESTER. HÖRT AUF! NIE MEHR TU ICH JEMANDEM WAS!“
An einigen Stellen flammte das Heu auf und Rauchschwaden stiegen nach oben. Orthos fühlte bereits die Hitze des Feuers. Immer lauter und flehender wurden seine Schreie doch die fünf Gestalten schürten weiter das Feuer bis beinahe der komplette Kreis um ihn herum in Flammen stand.
„ICH