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Wände bis auf die Hälfte der Zimmerwände hochgezogen hatte. Wie gut, dass wir nicht auch noch einen Keller hatten!

      Die Bauernhäuser der Südsteiermark waren gerade Giebelhäuser, keine Vierkanthöfe. Im Keller, der über eine Stiege neben dem Eingang zu erreichen war, lagerten Kartoffel, Rüben und Salat. Oft war der Wein- und Mostkeller getrennt unter einem anderen Gebäude des Hofes angelegt. Die Häuser hatten nur ein Stockwerk, der Dachboden wurde nur als Abstell- und Rumpelkammer genutzt. Der Stall war ein eigenes Gebäude, oft mit einem Anbau für den Traktor, Anhänger und Heuwagen.

      Der Hof von Frau Sirf hatte drei Gebäude, jener von Frau Počič zwei. Beide Bäuerinnen bauten in einem kleinen Garten alles an, was sie zum täglichen Leben brauchten: Salat, Karotten, Bohnen, rote Rüben, Kräuter, Paradeiser. Obstbäume gab es auch hinter dem Haus. Kirschen- und Apfelbäume standen neben ihren Feldern. Damit war auch für den Most gesorgt.

      Über den Ställen (Frau Sirf hatte einen Kuh- und einen Schweinestall) gab es einen großen Heuboden. Wagenfuhr um Wagenfuhr an gut riechendem Heu wurde im Spätsommer mit Heugabeln durch eine Dachluke in den ersten Stock der Ställe hinaufgeworfen und sicherte das Futter für die Tiere während des Winters. Bis zum nächsten Sommer waren die Heuböden wieder geleert, ehe sie mit viel Mühe und in vielen Stunden harter Feldarbeit wieder gefüllt wurden. Jahraus, jahrein, der Kreislauf des bäuerlichen Lebens. Für uns war der Heuboden ein grandioser Spielplatz. Wir gruben Höhlen in das Heu und verbrachten auf Decken und mit mitgebrachtem Essen und Getränken ganze Tage am Heuboden. Die Dachluken, aber auch Ritzen und Spalten im Holzboden und zwischen den Ziegeln gaben den Blick auf den Hof hinter dem Bauernhaus frei. Wir spielten, dass wir unseren Heuboden, unsere Burg gegen die angreifende Bäuerin verteidigen mussten. Frau Sirf spielte prächtig mit. Jedes Mal wenn sie uns sah, schrie sie: „I kriag’ eng! (Ich krieg’ euch!)“ und Lina, die Magd, feuerte sie an: „Nur nacha, nur nacha!“ (Nur hinterher, nur hinterher!). Aber auch wenn sie – durchaus schnell – hinter uns herstürmte, oft auch unterstützt von Lina: Sie konnten uns nicht erwischen.

      Wir hatten ein ausgeklügeltes System, wie wir von jedem Ort des Bauernhofes in Minutenschnelle auf den Heuboden gelangen konnten. Kletterte Frau Sirf über die Leiter auf den Heuboden, waren wir schon wieder auf der anderen Seite herunter und um die nächste Hofecke verschwunden.

      Dabei ging es nicht immer ohne Risiko zu: Es gab Teile des Heubodens, die nicht benützt wurden und wo seit Jahren niemand hingekommen war. Hier waren Bodenbretter morsch und lose. Tauben hatten viel Dreck hinterlassen. Im Dach hingen Wespennester, von denen man nie wusste, ob sie gerade bewohnt waren. Über manche Stellen turnten wir auf schmalen Brettern und blicken durch Löcher im Boden fünf, sechs Meter nach unten. Es waren echte Mutbeweise, über manche unserer „geheimen“ Passagen zu klettern.

      Wir hatten einen Plan unserer Burg gezeichnet. Auf ihm waren die Verstecke unserer Sachen, wie Decken, U-Hakerl-Lager etc. eingezeichnet, aber vor allem auch alle Aufstiege auf den Heuboden und alle „Notabstiege“, falls jemand nachsehen kam und wir „flüchten“ mussten. Diese Auf- und Abstiege waren große Abenteuer.

      Das Stallgebäude war rechtwinkelig. In einem Teil waren die Schweine und Kühe untergebracht. Aus den beiden Ställen führten Türen auf den Misthaufen, an dessen Rande auch das Klohütterl stand. Eine weitere Türe führte in einen Raum, der nach oben bis zum Dach offen war. In diesen Raum konnte man vom Heuboden aus das Heu hinuterwerfen, das dann zu den Tieren gebracht wurde. An den Wänden des Raumes standen Maisstauden, die ebenfalls den Tieren untergestreut wurden. An diesen Trakt war im rechten Winkel ein großer Geräteschuppen angebaut, der zum Hof hin offen war und an den sich die Holzlag anschloss. Im Geräteschuppen stand ein uralter amerikanischer Mähdrescher, sicher einmal ein ganz großer Stolz des Sirfschen Bauernhofs, auf dem jetzt wir begeistert herumkletterten. Er war kein Selbstfahrer, das heißt, er musste von Pferden oder Ochsen aufs Feld gezogen werden. Der riesige Kasten rostete still vor sich hin und eine ganze Reihe von Auf- und Abstiegen auf den Heuboden, in den man durch fehlende Bodenbretter des Heubodens hinaufsteigen konnte, führte über ihn.

      Daneben stand ein alter Anhänger, der neben Fahrwerk und Deichsel nur aus einigen langen Brettern als Boden und einigen Brettern seitlich als Ladewand bestand.

      Der Rest des Geräteschuppens, der nach vorne offen und nach hinten nur mit einer Bretterwand abgeschlossen war, war der Holzplatz. Hier stand die Kreissäge, die mir immer große Angst einflößte. Vater durfte mit ihr unser Holz für den Winter schneiden. Der große Motor, der mit Starkstrom betrieben werden musste, übertrug seine Kraft mit einem breiten Lederriemen auf die Sägeachse. Ich war in ständiger Angst, dass mein Vater sich in die Hand schneiden würde, weil meine Mutter einmal davon erzählt hatte, dass sich ein Bauer im Dorf den ganzen Arm durchgesägt hatte.

      Hier lernte ich Holzhacken. Frau Sirf und der alte Herr Zwinski, der regelmäßig Frau Sirf besuchte und ihr am Hof half, zeigte mir, dass das wichtigste war, dass man immer die Beine beim Holzhacken grätschte, damit man sich beim Durchschlagen des Holzstückes nicht in den Oberschenkel hackte. Als Hackstock diente ein sehr großer Baumstrunk. Oft hackten wir Holz für Frau Sirf und brachten es ihr auch ins Haus. Dafür bekamen wir immer etwas: drei Eier oder eine geräucherte Wurst mit Verhackertem mit herrlichem selbstgebackenen Brot.

      In der anschließenden Holzlag wurde Kleinholz für den Ofen gelagert. Das waren Zweige und Holzabfall vom Holzhacken, sehr praktisch zum Feuermachen und von Frau Sirf immer in der Holzlade unter ihrem Küchenherd gelagert.

      Zwischen Geräteschuppen und Stall führte ein Weg zu einer kleinen Türe in der Bretterwand, durch die man den Bauernhof in westlicher Richtung verlassen konnte. Hier gab es noch eine Streuhütte, die an die Stallungen angebaut war. Mit der Scheibtruhe wurden im Herbst die auf dem Bauernhof zusammengerechten Blätter in diese Streuhütte gebracht, wo sie für das Einstreuen in die Ställe gelagert wurden. Kein Naturprodukt wurde verschwendet, alles hatte seine wichtige Funktion.

      Einer der Abstiege von unserer Burg führte durch ein Loch im Bretterboden in diese Streuhütte. Es war ein lustiger Abstieg, denn sobald man durch das Loch gekrochen war, konnte man sich fallen lassen und fiel aus drei Meter Höhe direkt in die weichen Blätterhaufen.

      Zur Verteidigung unserer Burg verfügten wir über zwei Waffen, das Gummigewehr und U-Hakerln. Das Gummigewehr war bei den Kindern von Weitersfeld allgegenwärtig. Es bestand aus einem Stück Holz, eigentlich einem Stück Brett, das wie ein Gewehr zugeschnitten wurde. Auf der Schmalseite des Brettes wurde bei zwei Drittel der Länge eine Kluppe auf das Brett genagelt. Zu dem Zweck musste man die Kluppe auseinander nehmen. Der Unterteil wurde auf das Brett genagelt, ehe die Kluppe wieder zusammengesetzt wurde.

      Das Geschoß war ein Rex-Gummi. Rex war der Name der Firma, die Einkochutensilien produzierte, von Gläsern über Gummiringe bis zu großen Einkochbehältern. Diese Gummiringe gab es im Laden im Dorf zu kaufen. Da auch mein Vater gerne Kompotte und wunderbare Marmeladen einkochte oder wie es auch hieß „einrexte“, gab es diese Gummiringe auch bei uns daheim in Hülle und Fülle.

      Wirklich gut flogen aber nur neue Gummis, weshalb wir sehr oft mit den Rädern ins Dorf fuhren, um neue Rex-Gummis – es gab sie in Zehnerpackungen – zu kaufen.

      Diese Rex-Gummis musste man mit ihrer Ausbuchtung (die eigentlich zum Herausziehen aus dem Spalt zwischen Deckel und Einkochglas dienten) auf dem Ende des Gewehrs festhalten und dann den Gummi soweit nach hinten ziehen, dass er in der Kluppe einrasten konnte. Ein gut gespannter Gummi konnte im Idealfall bis zu zwanzig Meter weit fliegen. Er verursachte keine Verletzung. Nur auf der bloßen Haut brannte er etwas.

      Mit Rex-Gummis konnte man auch herrlich Papier-U-Hakerln schießen. Diese flogen dann je nach Beschaffenheit sogar noch um einiges weiter. Um entsprechende Lager am Heuboden anlegen zu können, von wo wir auf die herbeieilende Frau Sirf oder die Magd Lina schossen, saßen wir vier lange Nächte und wickelten U-Hakerln. Dies war ein recht mühsamer Prozess, aber wir entwickelten bald

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