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Dantes Inferno III. Akron Frey
Читать онлайн.Название Dantes Inferno III
Год выпуска 0
isbn 9783905372410
Автор произведения Akron Frey
Жанр Личностный рост
Издательство Автор
Meine Stimmung war mittlerweile auf einem neuen Tiefstpunkt angelangt. Doch die Kleine machte mir Mut: „Noch ist nicht alles verloren, denn du hast dir vorsichtshalber noch einen anderen Gefährten ausgewählt, der dir, so sehr du ihn zeitweise auch schon verwünscht hast, doch stets ein guter Kamerad in der Not war.“
„Was für einen Gefährten?“ schluckte ich schwer. Ihre Worte hatten mich auf dem falschen Bein erwischt.
„Komm, die dunkle Seite deiner Gefühle konntest du mit dem Gorgonenkuss erlösen – nun wollen wir deinen an der Traumschwelle zurückgebliebenen Verstand befreien, damit du wieder deine Ganzheit erlangst“, gab sie mir Hoffnung.
„Mein an der Traumschwelle zurückgebliebener Verstand?“ wiederholte ich verdattert und musste dabei ein so dummes Gesicht gemacht haben, dass sie herzhaft zu lachen begann.
„Ja, deinen kleinen schlauen Kerl, den du geopfert hast, als du dich entschlossen hast, deinem Lehrer durch das Unbewusste zu folgen. Seitdem pendelst du nur noch zwischen den spirituellen und virtuellen Welten und hast den Kontakt zur menschlichen Realität verloren.“
„Du meinst mein Selbst, bevor ich Akron begegnet bin?“
„Nein, das Ich, das du an der Oberfläche der Träume zurückgelassen hast“, erwiderte das Mädchen. „Ahnst du, wer es ist?“
„Mir schwant Schreckliches“, entgegnete ich, als fühlte ich mich durch diese Erklärung beruhigt, doch dann durchfuhr ein Schauer meinen Körper, gepaart mit einer verzehrenden Neugierde, als eine etwas unförmig geratene Gestalt pfeifend und auf allen Vieren hüpfend um die Ecke bog und mir seine Hand zum Willkommensgruß entgegenstreckte.
„Richtig“, grinste sie ein bisschen unverschämt, „es ist dein Verstand.“ Ich stutzte, denn in dem mir bereits vertrauten Kostüm des Harlekins aus der Zwillinge-Hölle, unter dessen bimmelnder Mütze mich sonst der viel zu groß geratene Kopf meines Doppelgängers angrinste, glotzte mich ein kleines, affenähnliches Wesen an.
„Wen hast du mir nur herbestellt?“ empörte ich mich beleidigt. „Hat sich mein Gehirn schon auf das Niveau eines Schimpansen zurückentwickelt?“
Das Mädchen aber ging lachend an mir vorbei und streichelte die seltsame Erscheinung liebevoll. „Weißt du denn nicht, dass der Affe das Tier des Thoth, des Gottes der Weisheit, ist?“ verteidigte sie diesen Clown. „Hab keine Angst. Er ist ja nicht wirklich. Er ist nur ein Energiefeld in deinem Kopf.“
„In meinem Kopf?“ Ich fühlte einen Stich im Gehirn, als ob mein Bewusstsein von selbst in einen anderen Zustand überging.
„Natürlich – wo sonst? Schließlich ist es dein Verstand“, hörte ich die Stimme des Mädchens, aber plötzlich war ich mir auch nicht mehr sicher, ob ich sie innerhalb oder außerhalb von mir wahrnahm.
„Ich hoffe, du regst dich ab und machst mir keinen Kummer“, klopfte mir der kleine Bursche voller Mitgefühl auf die Schulter, und gleichzeitig überströmte mich ein Meer voller Freundschaft und Zuneigung.
„Verflixt“, suchte ich die Verbindung zum Mädchen, denn ich spürte, wie seine Berührung irgendwie durch mich hindurchging – sie berührte Herz und Seele. „Ich spüre ihn so tief.“
„Ganz einfach – es ist die Liebe zur Kontrolle, die euch verbindet.“
„Tatsächlich?“ Langsam dämmerte mir, dass vieles, was in dieser Welt zu sehen war, auf einer anderen Ebene existierte, als ich mir das gewohnt war. Es schienen da mehrere Energieteile von mir zu existieren, Wesen, die in mir eine Rolle spielten, aber von denen ich im normalen Leben keine Ahnung hatte.
„Na klar – alles, was du siehst, ist eine Illusion. In Wirklichkeit befinden wir uns in dir“, kläffte er mich heiter an.
„Ach, dann benötigen wir den geträumten Verstand, wenn wir die innere Welt bereisen, damit wir die Wirklichkeiten jenseits der dreidimensionalen Realität im Nachhinein nachkonstruieren können“, hüstelte ich gedehnt.
„Du hast es begriffen! Die körperlichen Sinne erlauben uns, die materielle Welt zu verstehen. Auf die höheren Sinne jedoch, die uns die spirituelle Realität wahrnehmen lassen, können wir außerhalb unserer Träume nicht zugreifen. Also benötigen wir den Verstand. Da der äußere Verstand aber die Schwelle zum Unbewussten nicht überwinden kann, bedienen wir uns eines Tricks. Wir basteln uns eine Art Verstand auf der Traumebene zusammen, einen geträumten Träumer, der uns hilft, uns zu erinnern und die erlebten Szenen im Nachhinein zu analysieren.“
„Langsam beginne ich zu verstehen.“ Ich war drauf und dran, den Zugang zu meinem Unbewussten zu erzwingen.
„Du hast dein Bewusstsein so stark auf die geistige Ebene fokussiert, dass wir mit dem Verstand zusammen ein Trio Infernale bilden können – eine Speerspitze, um den Panzer deiner alten Verdrängungen zu durchdringen.“
Bevor sie weiterreden konnte, wandte sich der Affe des Thoth direkt an mich: „So, Kinder – genug des Geredes! Lasst uns nun zum eigentlichen Thema kommen. Was uns erwartet, erfordert höchste Aufmerksamkeit. Diese unaufgearbeiteten Alpträume erinnern an das Eindringen in eine verstaubte, vergessene Horrorkammer.“
Inständig hoffend, dass dies nicht wieder irgendeine ersonnene List meines eigenen Schalkes war, der sich stets freute, wenn er mich mit seinen Eulenspiegeleien aufs Glatteis führen konnte, machte ich zwei Schritte auf ihn zu, um ihn etwas besser in Augenschein zu nehmen. „Soso, du Weisheitstier“, erwiderte ich freundlich, „dann wäre es schön, wenn uns dein tierischer Instinkt einen Weg aufzeigen könnte, wie man in dieses dicke Gemäuer hineinkommen kann. Damit wir dem Alten auf den Pelz rücken können. Und zwar mit Vollgas, denn die Temperatur hier unten gleicht der eines Kühlschrankes.“
Er zog sein Kostüm am Kragen zurecht, als ob es sich um die Lederjacke eines Rock’n’Rollers handelte, nestelte an einem imaginären Reißverschluss und zauberte schließlich eine Sonnenbrille aus einer verborgenen Tasche heraus und setzte sie auf: „Um deinen unbewussten Teil zu erreichen, müssen wir dein bewusstes Fühlen innerhalb deiner Persönlichkeitsstrukturen verschieben – sozusagen ein Surfen auf verschiedenen Bewusstseinsebenen.“
Das Mädchen, dessen Lippen bereits schon leicht blau angelaufen waren und das ebenfalls am ganzen Leib schlotterte, seufzte: „Ach, ich würde so gerne wieder einmal auf einer bunten Blumenwiese spielen, in den frischen Gräsern mich wälzen und im trunkenen Blütenmeer mich suhlen …“
Tief in ihrer Seele leuchtete einen Moment der Paradiesgarten in einem Meer von Gänseblümchen, Lilien, weißen Nelken, Rosen, Veilchen und Gladiolen auf, und aus ihrem Mund strömte der berauschende Geruch von Jasmin und trunkenen Orchideen. Blühende Fliederbüsche spielten mit dem warmen Wind, deren schwer berankte Äste an die Gesten ägyptischer Königsschlangen erinnerten, die der Nachtgöttin huldigten.
„Keine schlechte Idee“, pflichtete mein Verstand ihr bei, „ich denke, von einem liebreizenden Kind lässt er sich am leichtesten beeindrucken.“
Dann verschwanden die Blumen wieder, eine nach der anderen, und an deren Stelle schoss ein rubinroter Teppich voller Asphodelen auf, die Blume der Persephone, der dunklen Seite der Großen Mutter, die die Schatten der Toten in der Unterwelt beherbergt, die sich erst nach langer Zeit verflüchtigen. Und wie mit Zauberhand zog er eine Asphodele aus dem virtuellen Grund und überreichte sie ihr mit einer höflichen Verbeugung. „So sei’s beschlossen: Wir bringen den Alten wieder ins Blumenparadies zurück …“
„Das ist ja interessant. Wieso glaubst du, dass sich der Eremit von einer Lolita so leicht um den Finger wickeln lässt?“ suchte ich neugierig in Erfahrung zu bringen.
„Na, weil die Kleine all die Anteile verkörpert, die er in seiner Vergangenheit abgespalten hat und seitdem vehement verleugnet“,