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Dantes Inferno III. Akron Frey
Читать онлайн.Название Dantes Inferno III
Год выпуска 0
isbn 9783905372410
Автор произведения Akron Frey
Жанр Личностный рост
Издательство Автор
Neugierig ging ich auf ihn zu. Als sich sein Kopf langsam in meine Richtung drehte, erschrak ich bis ins Mark, denn ich schaute in ein Gesicht, das durch die Gezeiten hinweg fast selbst zu Stein geworden war. Ich entdeckte Furchen und Narben, die nur die durchlittenen Qualen unzähliger Existenzen hineingemeißelt haben konnten. Als er die Furcht in meinem Blick gewahrte, verzogen sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln, das mir erschien, als ob eine Maske aus Pappmaché in einer Presse auf eine freundliche Form zurechtgestutzt worden war. Das einzige Erbauliche, das mir in diesem harten Antlitz auffiel, waren die hellen kristallklaren Augen, die mir aus tiefen Höhlen entgegenleuchteten – und mit einem Schlag wusste ich, wer vor mir saß.
„Du bist Sisyphos, nicht wahr?“ sprach ich ihn direkt an.
Mein Gegenüber seufzte: „Ja, und ich spüre auch, dass du mich verachtest. Ich sehe, dass du meine Rolle nicht akzeptierst, dass du verstehen möchtest, welche Kraft mich zwingt, mein offensichtlich sinnloses Vorhaben bis in alle Ewigkeiten fortführen zu müssen.“
Ich bejahte, war aber nicht imstande, meinerseits etwas zu erwidern. Schon längst hatte ich es aufgegeben verstehen zu wollen, welche Erscheinungen mir auf meiner Reise immer wieder begegneten. Ich stand hier auf dem steilen Pfad, irgendwo zwischen Himmel und Hölle, und lauschte den Worten einer Gestalt, die über die Jahrtausende zu einem Archetypus des sinnlos leidenden Menschen geworden war.
„Nun, voller Mühsal schreite ich meiner immerwährenden Qual hinterher, um erneut den einen Stein zu wälzen, der tief und schwer in der Brust eines jeden Steinbocks sitzt“, fuhr er müde fort, „und zum Los der Sinnlosigkeit kommt auch noch der Umstand hinzu, sich dieser Sinnlosigkeit in jedem Augenblick bewusst sein zu müssen.“ Er machte eine kurze Pause. „Doch es ist nicht alles schlecht. Auch wenn der Abstieg meist in den alten Schmerz zurückführt, so kann er auch in Freude enden.“
„In Freude enden?“ echote ich höhnisch. „Alles, was ich sehe, ist ein gebrochener alter Mann, der sich sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit am Schicksalsrad abgeschliffen hat. Oder willst du mir weismachen“, wurde meine Stimme schriller, als mir lieb war, „dass all dies Leiden am Ende einen Sinn ergibt?“
Der Alte ließ sich durch meinen Protest nicht aus der Ruhe bringen: „Hier, unter Saturns schwarzer Sonne, tragen wir die Bürde unserer Fron, bis wir all die aus Schuld entstandene Schlacke alter Sünden abgetragen haben. Das Ziel des Menschen ist nicht, die Sinnlosigkeit des Lebens auszuhalten, sondern die Unfähigkeit zu ertragen, den Mechanismus dahinter je zu erfahren. Das ist die innere Botschaft dieses Leidens: Erst mit der Suche nach Schuld beginnt die Tragödie. Das ist der Moment, da der Fels oben an der Spitze wieder ins Tal hinunterrollt. Diese Erkenntnis, o Wanderer, mag dir am Ende deines Weges entgegenleuchten.“
Er wandte sich wieder ab und ich begriff, dass jede Stufe dieses Turmes einer Art Metamorphose entsprechen musste, die eine bereits abgearbeitete Ebene transzendierte, was wiederum dem Loslassen einer Sichtweise gleichkam, in der wir uns selbst gefangen haben. Beharrlich halten wir am Sicherheit versprechenden Rahmen einer gesellschaftlichen Ordnung fest, deren Werte wir erst dann in Frage zu stellen bereit sind, wenn sie unser Bild von Freiheit bedroht. Die Konsequenz liegt darin, beim Wegfall dieser Zwänge die Verantwortung für die eigenen Begrenzungen künftig selbst zu übernehmen. Dies wiederum ist aber einzig jenen vorbehalten, die bereits verinnerlicht haben, dass der Mechanismus der menschlichen Psyche immer nur jene Realität erschaffen kann, deren Wahrheitsgehalt der eigenen begrenzenden Perspektive entspricht. Wirkliche Sicherheit kann niemals in den ewigen Verwandlungen der sichtbaren Welt gefunden werden, sondern lediglich im Ablauf ihrer zyklischen Gesetzmäßigkeiten, in deren zeitlichen Veränderungen gerade die Unveränderlichkeit des Ewigen pulsierte.
Schritt um Schritt wich der karge Boden unter meinen bereits aufgeplatzten Füßen dahin. Obwohl ich begriff, dass der Pfad dieses Bauwerks vom Knochenstaub längst verblichener Suchender gepflastert war, die ihn schon zu Abertausenden vor mir gegangen waren, rief gerade diese Erkenntnis eine solche Leichtigkeit in mir hervor, dass ich mir einen Ruck gab, um auch den letzten Rest meines Weges fortzusetzen. Zu meinem großen Erstaunen schien sich das Gewicht meiner Last, das sich bisher jedes Mal verdoppelt hatte, halbiert zu haben. Da der Turm nach oben hin zusehends schmäler wurde, verringerte sich dementsprechend die Länge, leider aber auch die Breite des Weges zu meinen Füßen. Dieser schien genau den benötigten Umständen zu entsprechen, denn für mich und die wenigen Sünder, denen ich hier noch begegnete, war immer noch genügend Platz vorhanden. Gleichzeitig aber wurde die Luft etwas dünner, was dafür aber mein inneres Sehen wieder erweiterte.
Doch so zuversichtlich meine erneute Etappe auch begonnen hatte, so sehr überfiel mich bald auch die Angst vor dieser erweiterten Perspektive, die mich wegzuschwemmen drohte. Die Zertrümmerung meines bisherigen Weltbildes wurde durch das Eintreten in eine neue Daseinsdimension der allumfassenden Matrix abgelöst, die mich zunächst in ein völliges Chaos stürzen ließ. In Sekundenbruchteilen spulte sich vor mir die gesamte Schöpfung ab, in der sich das immerwährende kosmische Schauspiel von Geburt und Tod vollzog. Ich sah unzählige Körper von zappelnden Säuglingen, die sich blutend aus ihrem mütterlichen Uterus herauswanden, um darauf in Gedankenschnelle wieder zu gebeugten Greisen zu werden, die sogleich wieder zu Staub zerfielen. Aus diesem Staub, einer schleimigen Ursuppe gleich, begann der gleiche Vorgang sich sofort aufs Neue zu wiederholen, bis sich diese Suppe schließlich in gleißendem Licht auflöste. Ich wohnte der Geburt von Planeten, Sonnen und ganzen Universen bei, die sich auf eine gewaltige Größe ausdehnten, um nach Äonen wieder in sich zusammenzufallen. Das ständige Ein- und Ausatmen meiner Lunge, der Wechsel von Tag und Nacht, die ständig sich wiederholenden Jahreszeiten – alles pflanzte sich fort, bis dieser rhythmische Pulsschlag in den Urtiefen meiner innersten Zellkerne vibrierte. Ich sah in die Urgründe aller physischen Krankheiten und Übel, während mein sich am Leben festklammerndes Ego seine Angst vor dem Ende in die Ewigkeit hinausschrie. Und im Moment dieser ungeheuren Offenbarung, als ich schon schwankte und ins Leere zu taumeln drohte, durchbrach ich die Wolkendecke und erblickte über mir das letzte Plateau des turmähnlichen Bauwerkes. Und auf der flachen Spitze gewahrte ich blinzelnd die Silhouette meines Seelenführers, die vom dunklen Licht einer leuchtenden Korona überstrahlt wurde. Es war wie ein leuchtender Wirbel in einem regenbogenfarbigen Licht, ausgehend von der schwarzen Sonne, die am Firmament im Zenit des Turmes pulsierte.
Endlich! Es war geschafft! Mit letzter Kraft erklomm ich die restlichen Meter und ließ mir den Korb der Mühsal erschöpft von den Schultern gleiten. Akron stand wie ein Gott auf der zwei Welten miteinander verbindenden Bewusstseinsbrücke und lächelte mir entgegen.
„Gratuliere! Ich wusste, dass du es schaffen würdest …“
„Wieso? Bestand überhaupt die Gefahr eines Versagens?“ fragte ich noch völlig außer Atem, während ich stöhnend meine schmerzhaften Glieder streckte.
„Nun – viele kehren auf dieser letzten Station wieder um, da die vermeintliche Größe der zu erfassenden Erkenntnis sie gänzlich niederdrückt. Es ist halt ein alchemistischer Prozess.“ Er deutete auf meinen Korb: „Schau mal hinein, was sich während deines Aufstiegs verändert hat.“
Langsam folgte mein glasiger Blick