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Maria - Fräulein der Friesen. Andreas Scheepker
Читать онлайн.Название Maria - Fräulein der Friesen
Год выпуска 0
isbn 9783839269329
Автор произведения Andreas Scheepker
Издательство Автор
»Wir waren bereit, als sie kamen«, sagte er. »Wir haben Tag und Nacht jemanden auf dem Kirchturm postiert. Gut zwei Dutzend Mann kamen. Sie dachten, sie kämen in ein leeres Dorf, dessen Einwohner davongelaufen wären, und dann schlugen wir los. Wir waren doppelt so viele wie sie, und wir haben sie völlig überrumpelt. Fünf von uns sind verletzt worden, einer wird es vielleicht nicht überleben. Dafür haben wir acht von ihnen erschlagen, und drei Verletzte mussten sie zurücklassen. Aber hier konnten wir nichts mehr tun. Bartels Hof ging in Flammen auf, und die beiden Knechte hier wollten ihre Sachen retten. Wir konnten sie nicht aufhalten. Und als Owelackers Männer vertrieben waren, war es zu spät. Wir konnten das Feuer nicht mehr löschen, und die beiden fanden wir hier tot. Wir werden alle helfen, wenn hier wieder aufgebaut wird. Das ist das Mindeste.«
Hedden zeigte mit der Hand in die Ferne. »Steffens und seine Familie auf dem Hof da draußen haben nicht so viel Glück gehabt. Er wollte ihnen nicht verraten, wo er sein Geld versteckt hat. Ihn und seine Frau haben sie umgebracht, nur die Kinder ließen sie am Leben.«
Hedden ballte die Faust, bis sie weiß wurde. »Ich weiß, was ich mit den drei Gefangenen machen werde. Ihre Köpfe werde ich in der Brandruine aufspießen.«
»Das werdet Ihr nicht tun«, brummte plötzlich eine Bassstimme. Sie drehten sich um. Häuptling Fockena stand hinter ihnen.
»Daran werdet Ihr uns nicht hindern«, erwiderte Hedden.
»Und wie ich das werde«, antwortete Fockena angriffslustig. »Gleich neben den drei Halunken werde ich persönlich noch einen vierten Pfahl aufstellen. Und ratet mal, welches hübsche Köpfchen dort aufgespießt wird. Aber bitte lasst Euch vorher noch Euren Bart stutzen.«
Hedden wollte sich auf den Häuptling stürzen, aber er sah plötzlich einen Dolch auf sich gerichtet. »Der gefällt mir gut, der Mann hier«, sagte Fockena gut gelaunt und wandte sich an Rimberti. »Der ist mir vorgestern schon aufgefallen. Es war übrigens klug von Euch, unsere Bekanntschaft verborgen zu halten. So war es mir ein wenig leichter, wieder einmal Euer Leben zu retten, mein lieber Rimberti.«
»Ihr kennt …?«, stieß Hedden hervor.
»Sehr gut sogar«, antwortete Rimberti. »Ihm würde ich mein Leben blind anvertrauen, und das Eure noch gleich mit dazu.«
Fockena grinste Hedden an.
»Frieden?«, fragte er und steckte den Dolch wieder weg. Hedden nickte. »Ich gönne Euch die Rache gern, aber lebendig nützen uns die drei vielleicht mehr. Wir wissen nicht, wo die Landsknechte ihr Lager haben. Dies wird nicht der letzte Überfall gewesen sein. Ich gratuliere Euch übrigens zu Eurem Sieg, Hedden. Viel besser hätte ich das vermutlich auch nicht hinbekommen. Wie viele Leute hatte Owelacker bei sich? Was schätzt Ihr?«
»Es waren etwa zwei Dutzend, jetzt natürlich weniger«, antwortete Hedden.
»Keine Sorge, die wachsen von selbst wieder nach. Bestimmt waren nicht alle dabei. Es ist das erste Mal, dass Owelacker mit seinen Männern ein Dorf überfallen wollte.«
»Es wird ihm eine Lehre sein«, erwiderte Hedden.
»Das wird es«, stimmte Fockena zu. »Das nächste Mal wird er es geschickter anstellen und mehr Männer mitbringen. Wo haben sie ihr Lager? So viele Männer können sich nicht einfach verstecken. Und so groß ist der Wald auch nicht, dass für mehr als ein Versteck Platz wäre.« Er sah Hedden durchdringend an.
Bestürzt starrte Hedden den Häuptling an. »Ihr wisst …?«
»Ich bin vorgestern Eurer Spur nachgeritten. Geht das nächste Mal getrennte Wege. Sonst macht Euch sogar ein Trottel wie Isko Onninga irgendwann ausfindig.«
»Habt Ihr nun endlich Euren Willen, Hedden?« Keno Middens’ schneidende Stimmte tönte zu ihnen herüber. Schnellen Schrittes kam er auf die drei Männer zu. Mit zornigem Blick starrte er auf Folkert Hedden. »Ist es das, was Ihr wollt? Die Männer, die gekommen sind, Euch zu schützen, jagt Ihr davon, und so ist alles den Plünderern preisgegeben. Dies ist allein Euer Werk, Folkert Hedden. Andere mussten mit ihrem Leben und ihrem Gut bezahlen, was Ihr angerichtet habt. Seid Ihr nun zufrieden?«
»Nur ruhig Blut!« Fockena sah ihn durchdringend an. »Isko Onninga wäre hier kein Schutz gewesen. Er kann nur wehrlose Dörfler überrumpeln und ausplündern. Ihr glaubt doch wohl nicht, dass Onninga den Mut gehabt hätte, gegen Owelacker und seine Männer zu kämpfen.«
Keno Middens war verunsichert. »Nun«, erwiderte er, »als Mann in Graf Ennos Diensten scheint Ihr ja keine hohe Meinung von seinen Offizieren zu haben. Ich werde das bei nächster Gelegenheit ansprechen, wenn ich mit Graf Enno zusammentreffe.«
»Das müsst Ihr nicht, das werde ich mit Vergnügen selber tun. Organisiert Ihr lieber Hilfe für die Unglücklichen hier vor Ort.«
»Zunächst werden wir die drei Männer von Owelacker hängen«, entschied Middens. »In dieser Sache werden wir uns ja wohl einig sein.«
»Ich kann dazu nichts sagen«, bemerkte Fockena. »Hedden und seine Leute haben die drei gefangen genommen. Er soll entscheiden, wie wir mit ihnen verfahren sollen.«
»Das steht ihm nicht zu«, stellte Middens gereizt fest.
»Euch steht es auch nicht zu«, erwiderte Hedden. »Wir bringen sie zur Burg nach Jever. Dort sollen sie eingesperrt werden, und der Drost soll gemeinsam mit den Fräulein entscheiden, was aus ihnen wird.«
»Gut.« Middens schien beruhigt zu sein. Er nickte und ging davon.
»Stimmt es, Hedden, dass Euer Haus und Hof verschont geblieben sind?«, erkundigte sich Fockena.
Hedden nickte. »So ist es. Dem Himmel sei Dank.«
»Dann spricht sicher nichts dagegen, dass Ihr meinen Freund Rimberti und mich zu einem anständigen Essen einladet.«
Es war schon Abend, als sie nach Jever zurückkehrten. Die Fräulein hatten sich bereits zurückgezogen, und der Drost war noch nicht wieder zurück. Fockena gab Anweisung, die Gefangenen gut zu bewachen. Rimberti suchte unterdessen die Kanzlei auf, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.
Der Burgschreiber war ein schmaler, übellauniger Mann, der Rimberti für einen Moment misstrauisch beäugte. Augen und Mund waren verkniffen und seine Schultern hochgezogen, als Rimberti sein Anliegen vorbrachte. Er antwortete mit einem kurzen Kopfnicken und führte seinen Besucher in die Kanzlei.
Vor den beiden bleiverglasten Fenstern stand ein großer Tisch mit einem wackeligen Stuhl davor. Die Tischplatte war leer. An der hinteren Wand waren zwei große Truhen aufgestellt, an den anderen beiden Wänden standen riesige Schränke aus schwerem dunklem Holz. Sonst befand sich nichts in diesem Raum.
Rimberti forderte den Burgschreiber auf, die Schränke aufzuschließen, aber der hob die Achseln noch höher und bemerkte kurz: »Das geht nicht.«
»Warum geht das nicht?«, fragte Rimberti nach und gab seiner Stimme einen ungeduldigen Ton.
»Der Rentmeister hat die Schlüssel«, antwortete der Burgschreiber kurz.
»Und? Wo ist der Rentmeister?«
Der Burgschreiber schien sich vor jeder Antwort zu sträuben. Er räusperte sich und sagte dann: »Rentmeister Scriver ist nach Hause gegangen. Wann er morgen wiederkommt, weiß ich nicht.«
Für einen Moment überlegte Rimberti, ob er den Gefangenen einen Besuch abstatten sollte. Aber er wollte nicht hinter dem Rücken des Drosten handeln.
Er hob ein Buch auf, das unter einem der Schränke lag und beschloss, es mit in sein Quartier zu nehmen.
In dem Moment, in dem er sich in sein Bett legte, schlief er auch schon und wurde erst wach, als es schon heller Morgen war.
5
»Unser lieber und verehrter Doktor Rimberti, der Rechtsgelehrte der kaiserlichen Statthalterin. Welche Ehre und Freude, Euch wiederzusehen!«