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      Sergio Antonelli musste mit dem Zinksarg abgeholt werden. Milo wollte kein Risiko eingehen, als er den Killer vor den Mündungen hatte.

      „Einer wie Antonelli kann dich noch in den letzten Zuckungen liegend totschießen“, murmelte Milo, als ich vorsichtig bemerkte, dass er lebendig für uns wertvoller gewesen wäre.

      Irgendwie musste ich ihm recht geben.

      Milo hatte seine Kugeln so platziert, dass der Killer nicht mehr zuckte.

      Wir erkundigten uns bei den Hoteldetektiven nach dem Mann, den Antonelli killen wollte.

      „Er heißt Tom Sommerby und wohnt im zwölften Stock, Zimmer zwölf-null-vier.“

      „Wart ihr zufällig in der Nähe, als sich Antonelli an Sommerby ranmachte?“, wollte ich wissen. Meine Kanone steckte wieder im Holster. Der Schmerz in meiner Schulter war erträglich geworden.

      Der Mann nickte. „Wir erhielten einen Anruf, dass sich im zwölften Stock jemand herumtreibe und sich recht auffällig benehme. Als wir oben ankamen, stand der Bursche, den ihr – nun ja, der dort bei der Bar das Zeitliche segnete, unter der Tür von Zimmer zwölf-null-vier. Als er uns sah, feuerte er und rannte zur Treppe. Wir hinterher. Im achten Stock, als wir ihn fast hatten, schnappte er sich den Boy, der zufällig aus der Toilette kam, und verschanzte sich mit ihm in der Bar.“

      „Wann erfolgte der Anruf?“, erkundigte sich Milo.

      Der Mann schob die Unterlippe vor, sah seinen Kollegen fragend an, dann erwiderte er: „Es dürfte ein oder zwei Minuten vor zwei Uhr gewesen sein. Was meinst du, Clark?“

      Der andere nickte.

      „Wie lange brauchtet ihr, bis ihr oben wart?“

      „Hm“, machte der Detektiv, ein rotgesichtiger Mister mit blondem Bürstenhaarschnitt, ein Kerl wie ein Kleiderschrank, „wir waren im zehnten Stock und haben die Treppe genommen ...“

      „Der Schuss fiel also fast punktgenau um vierzehn Uhr“, stellte ich fest.

      „Dürfte hinkommen“, murmelte Mister Kleiderschrank und nickte wiederholt.

      Die Frage, ob Sommerby verletzt wurde, erübrigte sich, da wir ja wussten, dass Antonelli vorbeigeschossen hatte.

      „Reden wir mit Sommerby“, knurrte Milo.

      „Yeah.“

      Dort, wo Antonelli gelegen hatte, waren seine Konturen mit Kreide nachgezeichnet worden. Die Blutflecke auf dem Fußboden waren noch feucht. Die Kollegen von der Spurensicherung machten ihren Job. Um den Hotelboy kümmerte sich eine Psychologin des Police Departements. Es wimmelte noch von Polizisten und Neugierigen.

      „Ist er in seinem Zimmer?“, fragte Milo.

      „Ich denke mal“, antwortete der Kleiderschrank.

      Wir wandten uns ab, um uns zum Aufzug zu begeben. Ehe ich mich aber in Bewegung setzte, fiel mir noch etwas ein. „Wer hat Sie informiert, Mister?“

      Der Riese zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung. Es war eine Männerstimme.“

      Wir fuhren hinauf in den 12. Stock. Einige Leute waren im Zimmer von Mr. Sommerby. Neben anderen der Manager des Hotels. Er hatte wahrscheinlich beruhigend auf den grauhaarigen Mann mit der schwarzen Hornbrille eingeredet. Solche Publicity konnte sich kein angesehenes, renommiertes Hotel leisten. Darum kümmerte sich der Manager persönlich um den Gast. Er tat sicher alles, um ihn zu besänftigen.

      Als wir eintraten, wurde es schlagartig still. Wir wurden angestarrt wie jemand mit zwei Köpfen.

      Sommerby saß auf seinem Bett. Er starrte uns durch die dicken Gläser seiner Brille an, hinter denen seine grauen Augen übergroß erschienen. Die Gläser mussten die Stärke des Bodens einer Colaflasche haben.

      Wir stellten uns als Special Agents des FBI vor und zeigten unsere ID-Cards, dann schickten wir die Leute hinaus.

      „Also, Mr. Sommerby, dann berichten Sie mal“, begann ich. „Wie ist der Anschlag auf Sie abgelaufen, und was könnte der Bursche für ein Motiv gehabt haben?“

      Wir setzen uns auf Stühle, die in dem Mittelklassezimmer um einen kleinen Tisch gruppiert waren. Ich schlug die Beine übereinander. Milo saß rittlings auf dem Vierbeiner und stützte sein Kinn auf die übereinander liegenden Hände.

      Mr. Sommerby war ein Endfünfziger. Er hatte ein schmales Gesicht mit tiefen Furchen von den Nasenflügeln bis zu den Mundwinkeln. Er wirkte drahtig und dynamisch. Seine Augen blickten klug. Ich tippte auf Versicherungsbranche ...

      Und was mir ganz besonders auffiel, war, dass Mr. Sommerby ziemlich gefasst schien.

      Er nestelte an seinem Hemdkragen herum. „Motiv“, murmelte er. „Ich habe niemandem etwas getan. Weiß der Teufel. Eventuell ein Kunde, dessen Aktien in den Keller gefallen sind. Sie müssen wissen, ich arbeite im Investment-Geschäft. Als die Kurse hoch standen, schoben mir die Anleger ihre Kohle regelrecht hinten hinein. Dann kam der Crash – jetzt stehen die Kurse tief wie selten zuvor. Da kann schon mal bei einem, der vielleicht sein Erspartes angelegt hat, ‘ne Sicherung durchbrennen.“

      Die Hypothese bezweifelte ich. „Wohnen Sie ständig hier?“, fragte ich.

      Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich besitze ein Haus drüben in Jersey City. Hatte geschäftlich am Times Square zu tun. Hab‘ morgen früh um acht Uhr noch einmal eine Besprechung dort und wollte mir den Weg nach Jersey City nicht zumuten.“

      „Also konnte kein Kunde wissen, dass Sie hier anzutreffen sind“, stellte Milo fest.

      Sommerby knetete seine Hände. „Womöglich ist mir der Killer gefolgt, hat man mich observiert – was weiß ich.“ Jetzt hob er die Hände, ließ sie wieder fallen. „Ich kann Ihnen nicht dienen, G-men. Ich weiß es nicht. Ich kenne kein Motiv, das jemand bewegen könnte, mich ermorden zu lassen. Außer Anlegern, die um ihr Geld fürchten.“

      „Kannten Sie den Mann, der auf Sie schoss?“

      „Ich habe ihn nur kurz gesehen. Nein – mit dem hatte ich noch nichts zu tun.“

      Milo erhob sich und untersuchte das Einschussloch in dem riesigen, der Tür gegenüberliegenden Fenster. Ein kleines, kreisrundes Loch mit gezackten Rändern.

      „Wahrscheinlich hat Antonelli vorbeigeschossen, weil er gestört wurde“, meinte Jim beiläufig.

      „Anzunehmen“, pflichtete ich bei.

      Wir ließen uns noch den Ablauf erzählen.

      „Haben Sie den Detektiv verständigt, dass sich in Ihrem Stockwerk eine verdächtige Gestalt herum treibt?“, fragte ich abschließend.

      Sommerby stieß sich mit dem Zeigefinger gegen die Brust. „Ich? – Nein.“

      Wir verabschiedeten uns.

      Als wir das Zimmer verließen, kamen einige Cops, ich erkannte auch den Captain, der eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Muli aufgewiesen hatte, als ich mich Antonelli als Geisel anbot.

      Ich klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.

      „Dieser Sommerby ist mir wie ein Mann vorgekommen, der es gewöhnt ist, dass auf ihn geschossen wird und den es schon gar nicht mehr berührt“, sagte Milo nachdenklich, als wir mit dem Aufzug wieder in die 8. Etage fuhren. „Ich dachte, einen zitternden, hysterischen, am Boden zerstörten Burschen vorzufinden. Ihn schien der Anschlag nicht besonders aus der Fassung gebracht zu haben.“

      „Vielleicht gehört er zur besonders abgebrühten Sorte“, gab ich zum Besten, nur, um überhaupt etwas zu sagen.

      Auch mir leuchtete die Ruhe nicht ganz ein, die der Mann verströmt hatte.

      Nun,

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