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endlich die Unterstützung, die sie sich zur Bewältigung ihres (cis- und heteronormativen) Alltags wünschten. Und auch Personen, die mehrdimensional von Diskriminierung betroffen wären, könnten Therapie als einen geschützten Raum erleben, weil es grundsätzlich mehr Vielfalt unter Therapeut_innen gäbe und eine queere Person of color, eine nicht-binäre Jüd_in oder eine Schwarze, trans* Person mit Behinderung eine_r Therapeut_in gegenüber säße, die ihre Positionierung teilt.

      Ich möchte mich in den nächsten Jahren dafür einsetzen, dass diese Wünsche nicht nur in Träumen erfüllt werden, sondern diese nicht allzu ferne Welt mit jedem Tag ein bisschen näherrückt.

      Die Euphorie am 8.11.2017 in meiner WG ist übergroß, als eine Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht aus dem Oktober veröffentlicht wird. Das Gericht gab Vanja Recht. Bis Ende 2018 muss es eine Änderung im Personenstandsrecht geben und damit eine dritte positive Geschlechtsoption in offiziellen Dokumenten geschaffen werden. Es besteht auch die Möglichkeit, dass das Personenstandsrecht so verändert wird, dass der Geschlechtseintrag komplett gestrichen wird.

      »Den Geschlechtseintrag komplett streichen?! Wow!«

      Lange hatte ich nicht mehr einen so schönen Tag. Ich grinse die ganze Zeit nur noch vor mich hin. Endlich wurden die Forderung von einer nicht-binären inter* Person nach einer dritten Geschlechtsoption gehört.

      Was bedeutete das Urteil für nicht-binäre trans* Personen? Was hieß es für mich? Könnte ich bald ganz einfach meinen Namen und Personenstand ändern? Was hätte das Urteil für Auswirkungen auf das sogenannte »Transsexuellengesetz«(TSG)? Könnte ich bald meine sehnlichst herbeigewünschte Haarepilation ganz ohne Gutachten und Indikationsschreiben bekommen? Könnte mein Gesicht, mein Oberkörper und meine Beine bald ganz frei von Haaren sein? Würde es vielleicht nur noch ein oder zwei Jahre dauern, bis das alles möglich wäre? All diese Fragen wirbeln schnell in meinem Kopf herum und machen mir ein warmes Gefühl im Bauch.

      Nachdem die anfängliche Freude verflogen war, klärte sich die Lage in den nächsten Tagen ein wenig. Ja, das Urteil ist super für Sichtbarkeit/Anerkennung von allen nicht-binären Identitäten, auch wenn die Klage von einer nichtbinären inter* Person eingereicht wurde. Die Formulierungen der RichterInnen in Karlsruhe lassen sich so interpretieren, dass das Urteil alle Personen betrifft, die sich als weder nur männlich* oder nur weiblich* einordnen wollen. Das heißt, dass es Bedeutung für nicht-binäre Personen, nicht-binäre trans* Personen, nicht-binäre inter* Personen und nicht-binäre inter* trans* Personen hat. Aber es ist noch ein politischer Kampf, diese inklusive Interpretation durchzusetzen. Wenn dies gelingt, könnte es tatsächlich für alle nicht-binären Personen in Zukunft einfach werden, den Namen oder Personenstand zu ändern.

      Und nein, das Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf das TSG und darauf, die Gutachtenprozesse für geschlechtsangleichende Maßnahmen abzuschaffen. In der gleichen Woche, in der Vanjas Klage stattgegeben wurde, erfuhr das TSG durch das Bundesverfassungsgericht erneute Bestätigung, indem die Klage einer trans* Person abgewiesen wurde. Die Begutachtungspflicht durch sogenannte Sachverständige bei der Namens- und Personenstandsänderung wurde als verfassungskonform erklärt. Obwohl dieses fast 40 Jahre alte Sondergesetz an vielen Stellen schon als verfassungswidrig eingestuft wurde, ist es weiterhin an dieser Stelle wirksam und trägt zu Diskriminierung und Fremdbestimmung von trans* Personen bei. Bevor das TSG und damit der Gutachtenszwang und die Pathologiserung bei Personenstands- und Namensänderung abgeschafft und geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Menschen möglich wird, braucht es noch einige Kraft und Mobilisierung von queeren Aktivist_innen und Interessenverbänden, auch wenn es bereits Verbündete in den etablierten Parteien und auf bundespolitischer Ebene gibt.

      Ich hoffe, dass es bald abgeschafft wird. Darauf freue ich mich schon jetzt. Bis dahin warte ich und hoffe, dass dann auch der Zugang zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen vereinfacht wird. Ich habe Zeit. Ich werde weiter für nicht-binäre Sichtbarkeit und Teilhabe in meinem Alltag und in meiner Bildungsarbeit kämpfen. Ich werde mich an Initiativen wie »Queering Therapy« erfreuen, die Fortbildungen für Psychotherapeut_innen anbieten. Und ich werde erst einmal keine Therapie machen.

       Zwischen den Knallen wachsen zarte Pflänzchen Zu Depression und (den Versuchen von) Positionierung

       Nello Fragner

       Dieser Text thematisiert Depression, Diagnostizierung, Street Harassment, Selbstverletzung, Selbsthass.

      Träumen

      Die Vision hat viele einzelne Teile, die sich im Lauf der Zeit zusammensetzen werden. Wie sie am Ende aussehen wird, weiß ich nicht.

      Ich fange mit der Vision an, weil sie aus dem Jetzt entsteht, aus meinem Lernen, aus den Geschenken, die ich von befreundeten und geliebten Personen um mich herum bekomme. Durch all diese neuen Teile entsteht in mir eine Haltung zu dem Leben, das ich bisher gelebt habe. Ich finde Wünsche, ordne neu ein, gebe mich hin.

      So, wie ich gelernt habe, mit mir und der Welt und anderen Menschen umzugehen, möchte ich es nicht weiter machen. Ich mache mich auf die Suche, weil ich es nicht mehr aushalte, so zu leben und zu sein, wie ich es bisher war.

      Dieses Unerträgliche ist nicht die Stimme der Depression in mir, die ich betäuben, übertönen, überhören will. Es sind Härte, Schmerz, Traumatisierung, Sehnsucht, Verletzungen, die unrealistischen Anforderungen eines Lebens im Kapitalismus. Es sind die Enge, der Lärm, die vielen Grenzüberschreitungen, die jeden Tag ganz beiläufig ausgeübt werden. Es sind die Machtverhältnisse, die um mich herum und in mir drin sind: sie durchziehen mein Fühlen und Handeln, meine Beziehungen, meine Träume, meine Strategien. Es sind queeres Begehren und eine geschlechtliche Positionierung als trans, nicht-binäre Person, beides Dinge, die beschämt und bestraft werden. Es sind Erfahrungen von Ausgeschlossen-Werden und Ausschließen, Konkurrenz und Angst.

      Ich erlaube dem Unwohlsein, das aus dem Wahrnehmen all dieser Dinge kommt, sehr viel Raum und erkenne darin die Stimme wieder, die mich in Veränderung bringt. Aber manchmal bringt sie mich außer Atem und in einen altbekannten Zustand, in dem alles steif wird, mein Herz rast und meine Gedanken austrocknen.

      Als Kind besaß ich einige Setzkästen. Das sind unterschiedlich große Rahmen aus Holz mit kleinen, verschieden förmigen Unterteilungen, meistens rechteckig. Für Mineralien sind sie gedacht, für Glastiere, Murmeln, Münzen, Glücksbringer aller Arten, Kakteen, Kiesel, Holzstücke, Gräser und kleine Bilder.

      Ich setzte all die Dinge hinein und beschäftigte mich immer wieder damit, sie einzeln herauszunehmen, zu entstauben und in einer neuen Ordnung wieder hineinzusetzen. Ich befühlte die Oberflächen, schnupperte an ihnen und leckte an Salzsteinen und samtüberzogenen Tierchen. Manche hatten ähnliche Farben oder Strukturen, manche kamen im gleichen Strandurlaub zu mir, manche stammten aus dem gleichen Erdzeitalter.

      Vor einigen Jahren hatten sich Selbsthass und Verzweiflung so dicht in mir zusammengeballt, dass Teller zerschlagen, schreien und ins Kissen boxen nicht mehr reichten. Für einen Moment zerstob die Wut in diesen nach außen gerichteten Gesten, und blieb zugleich als bedrohlicher Unterton einer deutlicher werdenden Gewissheit: ich muss etwas ändern, wenn ich nicht immer wieder an den Punkt gelangen will, an dem ich es nicht mehr aushalte ich selbst zu sein. Es nimmt mir den Atem und den Schlaf, lässt meine Haut rot und trocken werden, dreht mir den Magen um und lässt den Migränekopfschmerz wie einen Blitz in mich fahren.

      Ich saß vor dem Kissen, in das ich geboxt hatte, und dachte an die lange Reihe von Erlebnissen, die in diesem Selbsthass stecken. Ich dachte über Vereinzelung nach und Bilder von Glück, Stärke und Erfolg. Ich dachte darüber nach, ob es mir irgendwann möglich sein würde, mich als liebenswert zu denken, fähig dazu, für mich einzustehen und mich um mich selbst zu kümmern. Ich fragte mich, ob ich es mir irgendwann erlauben könnte, Grenzen zu setzen, Unwillen zu äußern, mich in meiner begrenzten Energie wahrzunehmen und meine Tage dementsprechend zu gestalten. Ich überlegte, ob ich in Beziehung treten könnte zu all den Verletzungen, die ich mit mir herumtrug, anstatt die verletzten Bereiche möglichst gründlich von allen

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