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Laufe der Jahre habe ich so in viele Berufsgruppen hinein schnuppern können und einige sehr gute und spannende Erfahrungen machen dürfen.

      Mein Mann hat nach dem Jura-Examen in einer Leasing-Bank angefangen und dann fing mein Dilemma an. Er war oft so gestresst, dass er immer spät und müde von der Firma nach Hause kam. Ab da teilte ich wohl das Schicksal vieler Frauen, deren Männern die Karriereleiter um jeden Preis wichtiger war als alles andere.

      Viele Jahre später, als ich in den Städtischen Offenbacher Kliniken in der Psychiatrie arbeitete, bis zum tantrischen Erwachen, war ich in einem leicht deprimierten Zustand. Meine innere Uhr tickte, ich wollte so gerne Mutter werden, aber es klappte nicht.

      Leider auch, weil mein Mann bedingt durch seine Arbeit mit mir nicht so oft zusammenkam. Was mich außer dem Kinderwunsch traurig stimmte, war auch die erheblich eingeschränkte Zuwendung in Form von Zärtlichkeit. Dieses Defizit machte mich immer trauriger und mein Körper schrie nach Liebe.

      Mein Kinderwunsch war trotzdem nie in den Hintergrund gerutscht, er war immer da und ich schaute oft traurig zu jungen Müttern mit ihren Kinderwagen und dem seligen Lächeln im Gesicht. Ich konnte meinen Mann zur Knaus Ogino Methode (also nicht zur Verhütung, sondern das Gegenteil) überreden, wenigsten zu diesem Zeitpunkt musste er stramm stehen.

      „Hey, ja mein Ei ist am wandern, Tom komm!“

      Er war über ein halbes Jahr echt im Stress, ich auch, denn die Schwangerschaftstests wurden dann auch zu teuer, da ich es nie abwarten konnte, ich kaufte sie schon, wenn ich nur einige Tage drüber war.

      So kam ich auf die Idee die Tests auf Station über eine Patientin laufen zu lassen. Ich klebte ihren Patientencode auf meine Urinprobe und ab damit ins Labor. Eines Tages kam ich zum Spätdienst und alle, die auf Station tätig waren, die Schwestern, der Oberarzt, Stationsärztin, Psychologin und Sozialarbeiter waren anwesend.

      Die Übergabe begann bei der Patientin Fr. R. und es wurde plötzlich still und alle schauten sich ungläubig an.

      Oberarzt: „Frau R: hatte wohl einen HCG-Test, der aber nie von irgendeinem Arzt angeordnet wurde, wie kann das sein? Und jetzt der Hammer, sie ist schwanger, aber dass kann eigentlich auch nicht sein, da sie sterilisiert ist“

      Stille …

      Alles schaute auf mich, dann folgte großes Gelächter und Gratulationen für mich, da alle vermuteten, dass ich es war, tja und da lagen sie wohl richtig. Ich werde Mutter, jipijajeh ich war wie benebelt vor Freude und kaufte gleich Schwangihosen und Kinderkleidung.

      Doch leider musste ich nach einigen Monaten ins Krankenhaus, Diagnose: „Fehlgeburt“ und es wären Zwillinge geworden, wow, die aber leider nicht den Planeten betreten sollten.

      Nach einigen Tagen verließ ich sehr deprimiert das Krankenhaus, aber das Leben musste irgendwie weitergehen. In der Zeit kompensierte ich mit Süßigkeiten und nahm ganz schön zu, was auch meine Kollegen bemerkten. Mein Mann unterstütze mich in der Zeit nach der Fehlgeburt kaum, da er mit der Situation nicht umgehen konnte. Das Zärtlichkeitsdefizit mangels Berührungen und Zuneigung meines Mannes führte mich noch tiefer in die Depression. Der Traum vom Kinderwunsch sollte sich für mich nie mehr erfüllen.

      Zu der Zeit war ich auch sehr unkonzentriert auf der Station und stand oft neben mir, aber mein Team hat alles aufgefangen. Danke an dieser Stelle an mein Ex-Team der Station 740.

      Später suchte ich mir zusätzlich Ablenkung durch Töpferarbeit und Seidenmalerei, um den Schmerz zu verdrängen, denn die Psychologin, die mich für ein Jahr begleitete, war ohne positive Relevanz für mich.

      Ich sollte in jeder Sitzung Bilder malen, aber ich bekam kein Feedback dazu. Sie gab mir eigentlich auch nach den Gesprächen nie ein Feedback, sie ließ mich im Regen stehen. Das Einzige, was sie mir anbot, war in ihre Gruppe für autogenes Training zu gehen. Die brachte mir aber auch nichts, außer einer saftigen Rechnung.

       DIE KUR

      Ich beantragte eine Kur und musste dafür durch viele Instanzen. Ich musste auch eine von der Krankenkasse bestimmte Vertrauensärztin aufsuchen, bevor die Kur genehmigt wurde. Durch die jahrelange, oft körperlich anstrengende und harte Arbeit im Krankenhaus schlichen sich bei mir schwerwiegende Rückenprobleme ein, die teilweise auch psychosomatisch waren und zunächst einige Jahre lang konservativ behandelt wurden. Das brachte aber keine wesentlichen Fortschritte, also stellte ich einen Kurantrag, nicht zuletzt auch, weil ich so depressiv wurde, bedingt auch durch die Fehlgeburt. Der Antrag wurde bewilligt und im Sommer, an einem schönen Junimorgen fuhr ich mit meinem alten roten Polo nach Bad Oeynhausen in eine onkologische und orthopädische Klinik. Eine wunderschöne Kurklinik. Die „Klinik am Baum“ erwartete mich. Sie glich eher einem Hotel und lag direkt neben einem großen schönen Park.

      Die Eingangsuntersuchungen wurden abgeschlossen und ein Gespräch mit dem Chefarzt stand an. Er war ein sehr netter Mann mittleren Alters, der meine Akte genau studierte, in der alles über mich stand, was meine Ärzte und die Krankenkasse festgestellt hatten. Mitleidig blickte er auf. „Seit 2 Jahren sind Sie schon in diesem Leidenszustand. Na, dann hoffe ich mal, dass Ihnen diese Kur helfen wird.“

      Ich fragte nach. „Was steht denn sonst noch in der Akte?“

      Er sah mich an:„Wollen Sie das wirklich wissen?“

      „Na klar!“ Ich war schon neugierig.

      „Tja“, sagte er leicht seufzend.

      „Hier steht: Frau Münchberg ist eine leicht adipöse und depressiv verstimmte Patientin. Danach folgt die Diagnose Ihres Rückens.“

      In diesem Moment fiel mir alles aus dem Gesicht. Ich war wirklich geschockt. Adipös und depressiv? So habe ich also auf diese blöde Vertrauensärztin der Krankenkasse gewirkt. Na ja, im Vergleich zu diesem Hungerhaken von Ärztin war ich kräftiger gebaut, aber doch nicht adipös.

      Ich fühlte mich gekränkt. Und depressiv? Na ja stimmt schon irgendwie. Dabei hatte ich doch bei der Untersuchung versucht mich als fröhlicher Mensch zu zeigen, also die schauspielerischen Fähigkeiten hatten dort wohl voll versagt.

      Aber die beiden Worte „depressiv und adipös“ ließen mich nicht mehr in Ruhe und verfolgten mich. Ich musste ununterbrochen daran denken und gestand mir ein, dass ich eine ganze Zeit wie in Trance und in tiefem seelischen Schmerz lebte.

      Am Abend betrat ich erstmals den Speisesaal. Schreck lass nach! Ich war mit Abstand der jüngste Kurgast. Die meisten Kurgäste waren weit über 50 Jahre. Ein Altersheim, (sorry, aber damals empfand ich es so, heute bin ich wohl für die Jüngeren auch eine ältere Dame) na, das konnte ja heiter werden. Ich schaute einmal kurz durch den Saal und entdeckte eine nicht ganz so alte Frau, die ich auf 36 bis 39 Jahre schätzte, und setzte mich zur ihr. Sie war gestern erst angekommen und hieß Barbara. Wir waren ab dem Abend unzertrennlich, Dank der guten Chemie zwischen uns. Barbara kam aus Bad Vilbel aus der Nähe von Frankfurt, war verheiratet und hatte drei große Kinder.

      Ich bekam einen Kuranwendungsplan und so war ich ganz schnell im Routineablauf der Klinik gefangen. Morgens ging ich zu den Anwendungen und nachmittags in die Therme zur Wassergymnastik, anschließend schwamm ich im großen Außenbecken, das für alle zugänglich war.

      Eines Tages bemerkte ich dort die Blicke eines sehr gut aussehenden Mannes, der mich ständig im Visier hatte. Abends ging ich mit Barbara in ein Kurtanzlokal, das etwa zehn Minuten zu Fuß von der Klinik entfernt lag. Wir trafen auf weitere lustige Kurgäste aus nahegelegenen Krankenhäusern, denn halb Bad Oeynhausen war ein Kurkrankenhaus.

      Es gab allerdings strenge Auflagen. Punkt 22 Uhr musste jeder Kurgast wieder in seinem Luxusgefängnis sein. Nicht anders als damals zu Hause bei Mutti. Schon bei drei Verstößen wurde es der Krankenkasse gemeldet und man durfte die Rückreise antreten und bekam womöglich nie wieder eine Kur finanziert.

      So kam es zu tumultartigen Szenen. Denn nach dem Tanzen rannten alle wie die Wiesel in ihre Krankenhäuser. Das sah schon lustig aus, wie die Kurgäste in Strömen die Straße entlang hetzten. An einem

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