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Besitz

      Rees war nach seiner Rückkehr aus Amerika wieder in sein Elternhaus eingezogen, wo man ihn mit großer Freude aufnahm. Anstatt jedoch in die Zinnhütte zurückzugehen, wo einige seiner Brüder angestellt waren, hatte er jetzt Arbeit in einem nahe gelegenen Kohlebergwerk gefunden. Er arbeitete unter Tage – es war die schwerste Tätigkeit überhaupt.

      In seiner Freizeit beschäftigte er sich mit verschiedenen Dingen, die mit der Erweckung zu tun hatten. Dabei verstärkte sich bei ihm und den anderen Helfern das Gefühl von geistlicher Not immer mehr, sodass sich im Jahre 1906 eine größere Gruppe von ihnen entschloss, ihren einwöchigen Sommerurlaub auf der Glaubenskonferenz in Llandrindod Wells zu verbringen, dem walisischen Gegenstück zur englischen Keswick-Konferenz zur Vertiefung des geistlichen Lebens. Für Rees Howells sollte dies, nach seiner Wiedergeburt, das revolutionärste Ereignis seines Lebens werden.

      Kurz bevor sie wegfuhren, besuchte Rees eine Versammlung in Brynamman, wo eine junge Frau Römer 8,26–30 vorlas. Sie konnte nur sehr langsam lesen. Auf diese Weise drang jedes Wort tief in sein Herz ein: „Vorherbestimmt … berufen … gerecht gemacht … verherrlicht.“ Während Rees zuhörte, wiederholte er es für sich selbst: „Ich weiß, dass ich nach seinem Ratschluss berufen und gerecht gemacht bin – aber bin ich auch verherrlicht?“ Auf diese Frage wusste er keine Antwort, und sie ließ ihn nicht mehr los: Was bedeutet es, verherrlicht zu sein?

      Zwei Tage später saß er im Zug nach Llandrindod und dachte wieder darüber nach, als er plötzlich eine Stimme hörte: „Wenn du zurückkehrst, wirst du ein neuer Mensch sein.“ – „Aber ich bin doch schon ein neuer Mensch“, protestierte er. „Nein“, kam die Antwort, „du bist erst ein Kind.“ Die anderen, die mit ihm fuhren, sangen gerade das neueste Lied der Erweckung. Aber Rees hörte es nicht. Er schritt im Gang auf und ab und dachte über die Worte nach, die er gehört hatte: „Du wirst ein neuer Mensch sein.“

      Am Morgen des ersten Konferenztages sprach der Prediger Evan Hopkins – vielleicht der größte Ausleger über das Leben im Geist, den Keswick hervorgebracht hat – über Epheser 2,1–6: „… Er hat uns mit Christus vom Tod auferweckt, und durch die Verbindung mit Christus haben wir schon jetzt unseren Platz in der himmlischen Welt erhalten.“ Er wies darauf hin, dass es der auferstandene Jesus Christus war, der den Jüngern nach der Auferstehung erschienen war. Als aber der Heilige Geist herabkam, offenbarte er den zur Rechten des Vaters erhöhten Erlöser. Hopkins stellte die Frage: „Seid ihr durch Christus lebendig gemacht worden? Wurdet ihr mit ihm vom Tod auferweckt, um mit ihm in den himmlischen Welten zu sitzen?“

       „Die Kirche weiß mehr über Jesus, der nur dreiunddreißig Jahre auf der Erde war, als über den Heiligen Geist, der nun schon fast zweitausend Jahre hier ist.“

      Rees antwortete in seinem Herzen: „Ja, ich weiß, ich wurde lebendig gemacht. Aber ich bin noch nicht mit Jesus zu jenem Ort der Kraft auferweckt worden.“ Und in dem Augenblick, als er das dachte, sah er den verherrlichten Herrn. „So wirklich, wie ich den gekreuzigten und den auferstandenen Herrn gesehen hatte, erblickte ich nun den verherrlichten Herrn. Und die Stimme, die im Zug zu mir gesprochen hatte, sagte jetzt zu mir: ‚Möchtest du dort mit ihm sitzen? Dort ist ein Platz für dich.‘ Da sah ich mich selbst dort mit ihm auferstehen. Jetzt wusste ich, was es bedeutet, mit ihm ‚verherrlicht‘ zu sein. Ich sah ihn, so wie Johannes ihn in Patmos sah, und ich war überwältigt und ‚geblendet‘ wie der Apostel Paulus. Wenn er etwas offenbart, zeigt er uns, wie es wirklich ist, und es ist keine Einbildung. Den ganzen Abend lang war ich in der Gegenwart Gottes und meines verherrlichten Erlösers. Man kann das nicht beschreiben. Es erging mir wie jenem Mann in Markus 8,24, der verwundert sagte: ‚Ich sehe Menschen umhergehen, als wären es Bäume.‘“

      Am nächsten Morgen sprach Hopkins über den Heiligen Geist. Er beschrieb eindeutig, dass er eine Person ist, die, genau wie Jesus, alle Eigenschaften und Fähigkeiten einer Person besitzt. Er verfügt selbst über Weisheit, Liebe und Willen, und da er eine Person ist, muss man ihm, bevor er zu einem kommt und in einem lebt, volles Besitzrecht über seinen Körper einräumen. „Während Evan Hopkins so sprach“, erzählte Rees später, „kam der Heilige Geist zu mir, und ich erkannte ihn als denjenigen, der am Tag zuvor zu mir gesprochen hatte und mir den Platz der Herrlichkeit gezeigt hatte, den natürliche Augen niemals hätten sehen können. Vorher hatte ich noch nicht verstanden, dass der Heilige Geist genau wie Jesus eine Person ist, und dass er kommen und in Fleisch und Blut wohnen muss. Es ist tatsächlich so, dass die Kirche mehr über Jesus weiß, der nur dreiunddreißig Jahre auf der Erde war, als über den Heiligen Geist, der nun schon fast zweitausend Jahre hier ist. Ich hatte ihn mir nur als einen Einfluss, eine Kraft vorgestellt, die bei den Gottesdiensten und Treffen der Christen zum Wirken kommt, und diese Vorstellung hatten die meisten von uns in der Erweckung. Ich hatte nicht verstanden, dass er in menschlichen Körpern leben muss, so wie Jesus einen menschlichen Körper hatte, als er auf der Erde war.“

      Dieses Erlebnis mit dem Heiligen Geist war für Rees genauso real wie seine Begegnung mit Gott selbst, die er vor Jahren gehabt hatte. „Ich sah ihn als eine Person, getrennt von Fleisch und Blut, und er sagte zu mir: ‚So wie der Erlöser einen Körper hatte, so wohne ich in den gereinigten Tempeln der Gläubigen. Ich bin eine Person. Ich bin Gott, und ich bin gekommen, um dich zu bitten, mir deinen Körper zu geben, damit ich durch ihn wirken kann. Ich brauche einen Körper als meinen Tempel (1. Kor. 6,19), aber er muss mir ohne Einschränkung ganz gehören, denn zwei Personen mit unterschiedlichem Willen können nicht im selben Körper leben. Willst du mir deinen geben (Röm. 12,1)? Aber wenn ich in deinen Körper komme, komme ich als Gott, und du musst dann hinausgehen (Kol. 3,2–3). Ich werde mich keinesfalls mit deinem Ich verbinden.‘

      Er machte mir ganz klar, dass er nie mein Leben mit mir teilen würde. Ich erkannte die Ehre, die er mir damit erwies, dass er in mir wohnen wollte. Aber es gab in meinem Leben viele Dinge, die mir hoch und teuer waren, und ich wusste, dass er mir nicht eines davon lassen würde. Ich war mir vollkommen im Klaren darüber, was für eine Änderung er schaffen würde. Es bedeutete, dass jeder Teil meiner gefallenen Natur zum Kreuz gebracht, also in den Tod gegeben werden musste, und dann würde er sein Leben und seine Natur in mich hineinbringen.“

      Es handelte sich somit um eine bedingungslose Übergabe. Rees verließ die Versammlung und ging ins Freie, hinaus aufs Feld. Er weinte und rang mit sich selbst, denn, so sagte er später: „Es war, als hätte ich ein Todesurteil erhalten, wie ein Gefangener auf der Anklagebank. Sechsundzwanzig Jahre hatte ich in meinem Körper gelebt. Konnte ich ihn nun einfach so leichtfertig aufgeben? Wer könnte sein Leben innerhalb einer Stunde aufgeben und einer anderen Person schenken? Wenn es leicht wäre, zu sterben – warum kämpft der Mensch dann um sein Leben, wenn er dem Tod ins Auge sieht? Andererseits wusste ich, dass die alte Natur nirgends hingehörte als an das Kreuz. Paulus hat das in Römer 6 sehr klar herausgestellt. Wenn dieser Akt einmal vollzogen ist, gilt er für immer. In diese bedingungslose Übergabe konnte ich nicht so ohne Weiteres einwilligen. Ich wollte gern, aber – ach! – der Preis war so hoch. Ich weinte tagelang. Ich nahm sieben Pfund an Gewicht ab, einfach nur deshalb, weil ich verstand, was der Heilige Geist mir da vorschlug. Wie sehr wünschte ich doch, ich hätte es nie erkannt! Der Heilige Geist erinnerte mich auch daran, dass er nur gekommen war, zu nehmen, was ich meinem Gott schon vor langer Zeit versprochen hatte – nämlich mein ganzes Leben und nicht nur einen Teil davon. Da er für mich starb, war ich ‚in ihm‘ auch gestorben, und ich wusste, dass mein neues Leben nicht mir, sondern ihm gehörte. Das war mir schon seit drei Jahren klar. So war er eigentlich nur gekommen, um zu nehmen, was bereits sein Eigentum war. Ich sah ein, dass nur der Heilige Geist in mir so wie der Herr selbst leben konnte. Mein Inneres stimmte allem, was er sagte, zu. Es handelte sich nur um die Kosten, zu denen ich bereit sein musste, wenn ich es tat. Ich gab meine Antwort nicht sofort, und das wollte er auch gar nicht.“

      Es brauchte fünf Tage, bis Rees seine Entscheidung traf – Tage, die er allein mit Gott verbrachte. „Ich betrachtete die Heiligkeit Gottes wie Jesaja“, erzählte er darüber, „und während ich ihn so sah, erkannte ich meine eigene verdorbene Natur. Es waren nicht Sünden, die ich dabei sah, sondern die durch den Sündenfall befleckte Natur. Ich war schlecht bis ins Innerste. Ich bemerkte, wie sehr diese Natur der Reinigung bedurfte. Der Unterschied

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