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von Yoga konfrontiert uns mit der außergewöhnlichen Komplexität unseres eigenen Wesens, der anregenden, aber auch verwirrenden Vielfältigkeit unserer Persönlichkeit, der reichen aber endlosen Konfusion der Natur. Für den durchschnittlichen Menschen, der in seinem persönlichen, oberflächlichen Wachbewusstsein lebt, der nicht die Tiefen seines Selbst und die unermesslichen Weiten hinter dem Schleier der äußeren Erscheinungen kennt, ist seine psychologische Verfassung ziemlich einfach. Sie besteht aus einer kleinen aber lärmenden Gesellschaft von Wünschen, einigen unentbehrlichen intellektuellen und ästhetischen Vorlieben, ein paar Geschmacksrichtungen und einigen beherrschenden oder herausragenden Ideen, inmitten eines großen Stroms von unverbundenen oder zusammenhanglosen und meist trivialen Gedanken. Sie besteht zudem aus einer Anzahl von mehr oder weniger dringenden vitalen Bedürfnissen, dem Wechsel von körperlicher Gesundheit und Krankheit, sowie aus einer verstreuten und unlogischen Aufeinanderfolge von Freude und Kummer, aus häufigen kleineren Störungen und Wechselfällen des Lebens, aus Unruhe und Aufruhr seines Körpers oder seines Verstandes und selten aus einem starkem Suchen. Durch all das hindurch arrangiert seine Natur diese Dinge, teilweise mit Hilfe seiner Gedanken und seines Willens oder auch ohne sie oder gegen sie und bringt sie auf eine grobe praktische Art und Weise in eine einigermaßen tolerierbare, unregulierte Ordnung – das ist das Material seiner Existenz. Der durchschnittliche Mensch ist sogar heute noch in seinem Innenleben genauso roh und unentwickelt wie der primitive Mensch in seiner äußeren Natur in vergangenen Zeiten. Aber sobald wir tief in uns gehen, – und Yoga heißt, in all die vielfältigen Tiefen der Seele einzutauchen – finden wir uns subjektiv umringt von einer ganz komplexen Welt, die wir kennenlernen und erobern müssen, genauso wie der Mensch in seiner früheren Entwicklung sie, objektiv im Äußeren, erobern musste. Die beunruhigendste Entdeckung ist die, herauszufinden, dass jeder Teil in uns – der Intellekt, der Wille, unser sinnliches Denken, das nervliche oder das wünschende Selbst, das Herz und der Körper – jeder für sich, gewissermaßen seine eigene komplexe Individualität besitzt, eine natürliche Ausbildung, die von den anderen unabhängig ist. Sie stimmt weder mit sich selbst noch mit den anderen überein oder mit dem repräsentativen Ego, das ein Schatten ist, den ein zentrales und zentralisierendes Selbst auf unsere Ignoranz wirft. Wir entdecken, dass wir nicht aus einer, sondern aus vielen Persönlichkeiten zusammengesetzt sind, und jede hat ihre eigenen Forderungen und ihre unterschiedliche Natur. Unser Wesen ist ein grob zusammengestelltes Chaos, in das wir das Prinzip einer göttlichen Ordnung einführen müssen.

      SRI AUROBINDO, CWSA 23-24:74

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      Warum sind wir uns normalerweise so vieler Dinge nicht bewusst, die hinter unserer Bewusstseinsschwelle liegen und auf uns drücken? Aus demselben Grund, weshalb wir auch das innere Leben unseres Nachbarn nicht wahrnehmen, obwohl es genauso existiert wie unser eigenes und andauernd einen unsichtbaren Einfluss auf uns ausübt, denn ein großer Teil unserer Gedanken und Gefühle kommen von außen in uns hinein, von unseren Mitmenschen, von beiden, von Individuen und dem kollektiven Bewusstsein der Menschheit. Genauso sind wir uns auch nicht des größeren Teils unseres eigenen Selbst bewusst, der für unser Wachbewusstsein unterbewusst und unterschwellig wirkt und uns immer beeinflusst und auf verborgene unbemerkte Weise unser oberflächliches Leben bestimmt.

      Das ist deshalb so, weil wir normalerweise nur unsere körperlichen Sinnesorgane gebrauchen und beinahe gänzlich in unserem Körperbewusstsein und in unserer physischen Vitalität und im materiellen Denken leben, und durch diese Schichten gelangen die Aktionen, die auf den verborgenen Ebenen des Lebens stattfinden, nicht direkt in uns hinein. Das geschieht durch andere Schichten unseres Wesens, – durch Hüllen, wie sie in den Upanishaden bezeichnet werden – oder andere subtile Körper, wie sie in späteren Terminologien genannt werden, durch die mentale Hülle oder den mentalen subtilen Körper, in dem unser wahres mentales Wesen lebt, und die Lebenshülle oder den vitalen Körper, der mehr mit der physischen oder Nahrungshülle verbunden ist und mit ihr zusammen den groben materiellen Körper unserer komplexen Existenz bildet. Diese subtilen Körper verfügen über Kräfte, Sinne und Fähigkeiten, die ständig unbemerkt auf uns einwirken, sie sind mit uns verbunden und nehmen Einfluss auf unsere körperlichen Organe und die netzartigen Geflechte unseres physischen und mentalen Lebens. Durch unsere Selbstentwicklung können wir diese subtilen Körper wahrnehmen und unser Leben durch sie bestimmen, und durch sie hindurch können wir in bewusste Beziehung zu der vitalen Welt und anderen Welten treten. Diese Welten oder Ebenen können wir dann für eine subtilere Erfahrung benützen und sie für ein tieferes Verständnis der Wahrheiten, Fakten und Geschehnisse auf der materiellen Ebene selbst verwenden.

      Durch diese Selbstentwicklung können wir mehr oder weniger vollständig auf Ebenen unserer Existenz leben, die anders sind als die materielle, die bis jetzt alles für uns ist. 11

      SRI AUROBINDO, CWSA 23-24:454

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Teil II

      Die Ebenen und Teile unseres Wesens

      ... Zuerst müssen wir verstehen, was wir mit Ebenen des Bewusstseins und Ebenen der Existenz meinen. Wir bezeichnen damit ein allgemein beständiges Gleichgewicht oder eine Welt der Beziehungen zwischen Purusha und Prakriti, zwischen Seele und Natur. Denn alles, was wir „Welt“ nennen, kann nichts anderes sein als das Ausarbeiten einer allgemeinen Beziehung, die eine universale Existenz zwischen sich und dieser Welt erschaffen und etabliert hat oder sagen wir, die Beziehung zwischen einer ewigen Tatsache oder ihrem Potential von Möglichkeiten und den Kräften ihrer Entwicklung.

      Diese Existenz in ihren Beziehungen und in der Erfahrung ihrer Entwicklung ist das, was wir Seele oder Purusha nennen, die individuelle Seele im Individuum und die universale Seele im Kosmos; das Prinzip und die Mächte des Werdens oder der Entwicklung selbst nennen wir Prakriti.

      SRI AUROBINDO, CWSA 23-24:448

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      Der universale Purusha lebt in einer gewissen Art von Gleichzeitigkeit in all diesen Ebenen und errichtet nach jedem dieser Gesetze eine Welt oder eine Serie von Welten mit ihren Geschöpfen, die entsprechend der Natur dieses Gesetzes leben. Der Mensch als Mikrokosmos trägt all diese Ebenen in seinem eigenen Wesen, die von seinem unterbewussten bis zu seinem überbewussten Dasein reichen. Durch die sich entwickelnde Kraft des Yoga kann er sich dieser unsichtbaren Welten bewusst werden, die vor seinem körperlichen, materiellen Verstand und den Sinnesorganen verborgen sind, die nur die materielle Welt kennen, und dann wird ihm klar, dass dieses materielle Leben nicht abgetrennt und selbstexistent ist, so wie das materielle Universum, in dem er lebt, auch keine abgesonderte und für sich selbst existierende Sache ist, sondern in andauernder Beziehung zu höheren Ebenen steht, deren Kräfte und Wesen darauf einwirken. Er kann sich diesen höheren Ebenen öffnen und deren Einfluss und Einwirkungen auf sich selbst steigern und sich an der Teilnahme am Leben in anderen Welten erfreuen, – die letztlich zum Standort seiner Wahrnehmung werden können...

      SRI AUROBINDO, CWSA 23-24:630

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      Die physische ist nicht die einzige Welt; es gibt andere, derer wir uns in unseren Träumen gewahr werden oder durch unsere subtilen Sinnesorgane oder durch Einflüsse von oder Kontakte zu diesen Welten oder durch Imagination, Intuition oder Vision. Es gibt Welten mit einem weiteren, subtileren Leben als dem unseren, vitale Welten; Welten, in denen das Denken seine eigenen Formen und Gedankengebilde erschafft, mentale Welten; psychische Welten, in denen die Seele zuhause ist, und andere darüber, zu denen wir wenig Kontakt haben. In jedem von uns gibt es eine mentale Ebene des Bewusstseins, eine psychische Ebene, eine vitale Gefühlsebene, eine subtil-physische Ebene sowie die grob physische und die materielle Ebene. Die gleichen Ebenen wiederholen sich im Bewusstsein der gesamten Natur. Wenn wir mit diesen Ebenen Kontakt aufnehmen oder in sie hineingehen, treten wir in Verbindung mit den anderen Welten über der physischen Ebene. Im Schlaf verlassen wir den physischen Körper, nur ein unterbewusster Rest von uns bleibt darin zurück und wir gehen in alle Ebenen des Bewusstseins, und alle Arten von Welten. In jeder von ihnen sehen wir Szenen, begegnen wir ihren Bewohnern, nehmen wir

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