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Die Antwort ließ nur Sekunden auf sich warten.
Was los?
Na, wenigstens war Maik neugierig und verstand gleich, dass es nicht um ein spontanes Treffen auf ein Bier ging.
Brauch dringend deine Hilfe. Leben oder Tod, tippte Linus.
Die Sekunden bis zu Maiks Antwort schienen ewig zu dauern.
OK, wo und wann?
Also hatte Maik keinen Termindruck. Während seiner Ausbildung zum Mediengestalter hatte sein Freund die Leidenschaft fürs Programmieren entdeckt und war dabei im Laufe der Zeit richtig gut geworden. Vor einem Jahr hatte er seinen Traumjob in einer Webagentur gefunden, die sich auf aufwendige Shoperstellungen spezialisiert hatte, und war seither praktisch mit seinem Computerarbeitsplatz verheiratet. Ein Umstand, den Maiks letzte Beziehung trotz angeblich großer Liebe nicht lange überlebt hatte.
Linus leistete sich ein leichtes Aufatmen. Der erste Schritt war getan, der zweite würde viel schwerer werden. Jetzt musste er Maik nur noch erklären, was er tun sollte.
Aufgabe für Superman.
Auf das Display starrend zuckte Linus zusammen, als der spezifische Klingelton erklang, den er Maik zugeordnet hatte. Offensichtlich war diesem das Hin- und Hergesimse zu umständlich geworden.
»Hier Superman, der Retter der Welt«, meldete sich der Freund mit übertrieben tiefer Stimme.
»Hi, wie geht’s dir, Kumpel?«, presste Linus hervor. »Klasse, dass du Zeit für mich hast.«
Seine Stimme klang nicht so fest wie sonst, sondern eher belegt und unsicher, und Linus hasste sich dafür.
»Was’n los mit dir? Klingst ja schlimm, Alter.«
»Scheiße noch mal, ich stehe im Stau.«
Ein Stück weiter vorne kam Unruhe in die stehenden Autos. Einer der Wagen scherte auf die Standspur aus.
Maik lachte sein lautes jungenhaftes Lachen, mit dem er überall auffiel. »Tolle Neuigkeit, ja und? Ich glaube nicht, dass ich dir da helfen kann. Bist du nicht der Straßenexperte? Oder erwartest du, dass ich dich unterhalte, bis sich der Stau aufgelöst hat. Ehrlich, das …«
»Nein!«, wurde er von Linus rüde unterbrochen, dessen Herzschlag den Brustkorb zu sprengen drohte. »Ich, ich hab ein ernsthaftes Problem. Ich …« Linus spürte, wie sein Kehlkopf beim Schlucken hüpfte. War die Idee, die ihm noch vor Minuten gefallen hatte, wirklich gut und nicht vielleicht ziemlich dämlich? Aber es gab keine Alternative. Es musste sein.
»Maik, ich habe heute ein Date. Aber ich schaff das nicht rechtzeitig.«
»Oh, verstehe. Dann brauchst du echt Hilfe von Superman. Ich schau mal, ob ich ihn irgendwie erreichen kann.«
»Scherze helfen mir gerade nicht weiter«, maulte Linus genervt.
»Mensch, was ist los mit dir? Dann ruf sie halt an, dass du später kommst. Ist doch kein Problem, das wird sie schon verstehen.«
Konnte es noch peinlicher werden?
»Ich – hab keine Telefonnummer von ihr.«
Am anderen Ende war für einen Augenblick nur Stille. Sogar das Klackern auf der Tastatur war eingestellt worden. Maik gehörte zu den wenigen Männern, die voll multitaskingfähig waren. Es war nichts Außergewöhnliches, dass er weitertippte, während er sich mit Linus unterhielt.
Dann ertönte lauteres Lachen. »Willst du mich verarschen? Was für’n Date ist das denn?«
Seine Hand zitterte. Jetzt musste er mit der Wahrheit ans Licht. Tick-tack, die Zeit verrinnt!
»Na ja, so ’ne Art Blind Date über ’ne Partneragentur. Also, wir haben schon ein bisschen gechattet, Persönliches ausgetauscht und so …«
Das Lachen schwoll zu einem Inferno an und dröhnte in Linus’ Ohr.
»Soll das heißen, du …« Maik beruhigte sich ein wenig und prustete nun nur noch leise belustigt in den Hörer. »Du hast dich tatsächlich bei so ’nem Verein angemeldet? Mensch Linus, das hast du doch nicht nötig, die zocken dich doch nur ab.«
Linus traute sich nicht, irgendetwas darauf zu antworten. Er ahnte auch so, was Maik auf jeglichen seiner Gründe erwidern würde: Du siehst gut aus und wenn du dich ein wenig mehr anstrengen würdest, wärst du längst verheiratet.
Als ob das so einfach wäre. Linus unterdrückte ein Seufzen. Genau das war der Kern seines Problems. Ja, er sah gut aus und hatte damit einen Kennenlernbonus in der Frauenwelt.
Und nein, das war kein Garant fürs große Glück.
Denn er hatte bisher jedes Mal den Eindruck gewonnen, die Frauen wollten ihn nur eine Zeitlang als attraktiven Begleiter, vielleicht um ihre Freundinnen neidisch und ihren eigentlichen Wunschmann eifersüchtig zu machen. Gewiss, er war ein Mann zum Herzeigen, wenn er geduscht hatte und ordentlich angezogen war. Aber es war nun mal nicht völlig zu vermeiden, trotz Handschuhen, dass er schmutzig nach Hause kam, mitunter nach Öl und Benzin roch. Bisher hatte das jede abgetörnt. Verständnis für seinen Beruf, mit Arbeitszeiten auch mal an Sonn- oder Feiertagen, hatte nicht eine auf Dauer aufgebracht. Trotzdem liebte Linus seinen Job, diese Möglichkeit, anderen Menschen auf seine Weise zu helfen, und er hätte ihn niemals für eine Frau aufgegeben.
»Und du hast wirklich keine Nummer von ihr?«
Verständlich, dass Maik ihm das nicht abkaufte.
»Wie habt ihr euch denn dann verabredet?«, bohrte dieser weiter. »Per Chat, über die Partnerwebsite.«
»Na also, schreib ihr halt.«
Linus seufzte. Manchmal war sein Freund ein echter Holzklotz. »Hör zu, unser Treffen ist in nicht mal einer halben Stunde. Wenn ich ihr jetzt schreibe, liest sie das vielleicht gar nicht mehr.«
»Und weiter? Wie soll ich dir dabei helfen? Ich hab’s leider noch nicht geschafft, die Uhr zurückzudrehen«, gab Maik zurück, deutlich von dieser Unterhaltung strapaziert.
Jetzt musste er alles auf eine Karte setzen, damit sein Freund die Dringlichkeit seines Anliegens verstand und ihn nicht im Stich ließ.
»Es ist so, dass … also, ich … ich muss da hin, ich meine, ich müsste … mein Horoskop ist eindeutig. Heute treffen Sie die Frau Ihres Lebens. Deshalb …«
Das Klappern der Finger auf der Tastatur setzte wieder ein.
»Ich hab dir schon tausend Mal erklärt, dass du diesen Mist nicht glauben sollst. Das sind Standard-Horoskope, die auf fast jeden Menschen zutreffen. Und überhaupt, wann hattest du vor, mir von deiner Partnersuche zu erzählen?«, schnaubte Maik ungehalten.
Verständlicherweise war sein Freund ein wenig über diese Geheimniskrämerei gekränkt. Normalerweise erzählten sie sich alles. Aber da Linus wusste, was Maik über Partnervermittlungen dachte, hatte er es vorgezogen, dies vorerst für sich zu behalten. Was ihm nicht leicht gefallen war.
»Naja, spätestens wenn ich sie dir das erste Mal vorgestellt hätte, aber jetzt – jetzt ist es ja so, dass du sie sogar noch vor mir kennenlernst. Ich meine, es wäre super, wenn du das für mich tun würdest.«
Endlich war es raus!
Für einen Augenblick war Funkstille, auch das Geräusch auf der Tastatur verstummte wieder. Dann hörte er Maiks lautes Atmen durch den Hörer.
»Sag mal, spinnst du? Hab ich das gerade richtig verstanden? Du willst, dass ich zu deinem Date gehe?«
»Ja