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war überhaupt kein Haus. Innen sah man, dass das Gebäude, das von draußen so klein wirkte, viel größer war als erwartet – geräumig und mit hohem Dach.

      Es war eine rustikale, aber produktive Weinherstellungsanlage.

      Im Inneren brummte es vor Betriebsamkeit. Zwei Arbeiter hievten gerade ein langes Rohr in eines der Eichenfässer, die die hintere Wand säumten. Auf der anderen Seite gab es drei große Kessel. Es waren keine glänzenden, brandneuen wie die auf La Leggenda. Diese wirkten älter, abgenutzter, aber gut gepflegt und einsatzbereit.

      Olivia sog das Aroma ein, das ihr mittlerweile so vertraut war, den anregenden Duft von gereiftem Holz und gärendem Wein. Dieser Geruch verschaffte ihr jedes Mal aufs Neue einen aufregenden Nervenkitzel.

      „Kommt, kommt“, forderte Franco sie auf. „Hier entlang.“

      Der Boden war schlichter, abgelaufener Putz mit gelegentlichen Unebenheiten, als wäre er in Schichten gegossen und per Hand geglättet worden. Olivia fragte sich, ob dieser Betrieb einst aus Francos eigener, leidenschaftlicher Handarbeit entstanden war.

      Hier gab es keine dramatisch großen Türen oder breite, helle Fenster wie auf La Leggenda, aber als Olivia durch eines der bescheidenen, schmalen Fenster sah, erblickte sie Reihen von Reben, die sich über den Hügel und hinunter ins Tal erstreckten.

      „Unser Verkostungsraum entspricht nicht eurem Standard“, entschuldigte sich Franco, als sie ihm in ein kleines Nebengebäude folgten, das an das Haupthaus grenzte. Hier stand ein großer Eichentisch mit vier Stühlen, eine altmodische Anrichte und eine Vitrine mit polierten Gläsern.

      „Lasst mich euch unsere Kinder vorstellen!“, verkündete Franco.

      Olivia war nicht sonderlich überrascht, als er die Tür in der Anrichte öffnete und andächtig einige Weinflaschen hervorholte. Sie hatte bereits erahnt, dass diese Farm Francos Leidenschaft und Herzblut war.

      „Unser Daily Chianti“, verkündete er, zog den Korken aus der Flasche und griff nach drei Gläsern. „Er braucht einen besseren Namen, ich weiß.“

      Es war schon eine Weile her, dass Olivia an der Empfängerseite einer Weinverkostung gesessen hatte. Sie war es gewohnt auszuschenken, nicht das Glas zu halten, den Wein zu schwenken und das Bouquet einzuatmen, bevor sie einen Schluck nahm.

      Welch ein Genuss!

      „Er ist wunderbar“, rief sie und hoffte, dass sie mit ihrem Ausspruch nicht zu vorschnell gewesen war. Hätte sie warten sollen, bis der ältere Mann ihnen den Wein erklärt hatte oder bis Marcello seine Meinung als Erster anbot?

      Aber Marcello lächelte und nickte zustimmend, als Franco freudig in die Hände klatschte.

      „Weiter!“, forderte Marcello sie auf.

      „Er ist weich und hat einen ausgeglichenen Geschmack. Es ist die Art von Wein –“ Olivia suchte nach den richtigen Worten. „Mit dem man sich leicht identifizieren kann. Man muss kein Experte sein, um ihn genießen zu können. Ich könnte ihn all meinen Freunden anbieten, und alle würden ihn lieben, auch wenn sie normalerweise keine Weintrinker sind.“

      „Genau!“ Franco strahlte. „Das war unsere Absicht bei diesem Wein. Und jetzt, unsere Daily Melange.“

      Olivia probierte auch diesen Wein und genoss ihn genauso sehr wie den ersten. Sie war sich der Geschmacksnoten, die sie herausschmecken konnte, beinahe sicher und war stolz über den Fortschritt, den sie gemacht hatte, seit sie angefangen hatte, auf La Leggenda zu arbeiten. Aber sie war zu nervös, vor Marcello einen Fehler zu machen. Zum Glück übernahm er diesmal die Führung.

      „Ein temperamentvoller Geschmack von reifen Beeren“, beglückwünschte er Franco. „Ein Hauch von Pflaume und Kirsche. Ich vermute, deine Mischung beinhaltet einen Teil qualitativ hochwertigen Merlots.“

      „Du hast natürlich recht.“ Franco grinste. „Und jetzt unser Trebbiano“, sagte er stolz.

      Er schüttete den Weißwein in die drei Gläser.

      Olivia nahm einen Schluck.

      „Oh, wow, das ist noch so ein Wein, zu dem man leicht Bezug findet. Trocken, aber voller Frucht und Geschmack. Ich kann mir vorstellen, dass der einfach zu jedem Essen passt“, schwärmte sie.

      Marcello nickte zustimmend. „Genau. Der Trebbiano ist leicht zu trinken und einer der beliebtesten Weine, die man in Italien begleitend zum Essen trinkt. Es gibt kein Restaurant, auf dessen Weinkarte man keinen Trebbiano findet, und deine sind auf einigen davon, nicht wahr, Franco?“

      Franco winkte nur bescheiden ab.

      „Wir hatten das Glück, dass drei örtliche Restaurants unsere Weine in ihre Karte aufgenommen haben“, sagte er.

      Olivia konnte nicht anders. Sie nahm unauffällig noch einen weiteren Schluck dieses großartigen Weins, was Franco noch breiter grinsen ließ. Welch ein Wein! Er schrie förmlich danach, mit Freunden und Familie zum Essen genossen zu werden.

      Einen Augenblick lang fand Olivia es schade, dass sie keine Kampagne für diese Weine führen konnte. Sie wünschte, sie hätte die Chance gehabt, diesen Wein in Chicago zu vermarkten anstatt dem Abflussreiniger von Valley Wines, für den sie zuständig gewesen war. Wie schön wäre es, dabei zu helfen, dem Endverbraucher eine solch angenehme Serie aus Weinen voller Persönlichkeit näherzubringen.

      Marcello stand auf.

      „Ich habe das Vergnügen bekanntzugeben, dass wir im Geschäft sind“, sagte er.

      Olivia schaute überrascht zu, wie er und Franco sich umarmten und sich dann energisch die Hände schüttelten.

      Was meinte er mit Geschäft? Was passierte hier – würden sie zusammen einen Wein herstellen? Wenn ja, was für einen? Olivia war sich nicht sicher, wie die Weine von La Leggenda mit diesen Weinen harmonisierten, da sie sich in Stil und Geschmack sehr unterschieden. Sie befürchtete, dass sie einfach nicht genug von der Weinherstellung verstand, und dass ihre Kenntnis zu karg war, um zu sehen, wie sich die Produkte von zwei Weinkellereien verbinden ließen.

      Sie schätzte, dass das der Hauptgrund für Marcellos Trip nach Pisa gewesen war. Er wirkte zufrieden, und beide Männer lachten aufgeregt, als Franco einen Stapel Papiere aus dem Regal über dem Tresen hob.

      Olivia spürte, dass das ein verheißungsvoller Moment war, aber obwohl sie versuchte, einen Blick auf die Papiere zu werfen, konnte sie sich keinen Reim darauf machen, da sie auf Italienisch verfasst waren. Zudem in italienischem Kleindruck. Wenn es auf eine Reklametafel gedruckt wäre, hätte sie sicherlich einige verständliche Worte herauspicken können.

      Mit aller Geduld, die sie zusammenbringen konnte, hockte sie also erwartungsvoll auf dem Stuhl und hoffte, dass Marcello ihr bald den Zweck ihres Besuchs auf diesem bescheidenen, aber hervorragenden Weingut offenbaren würde.

      KAPITEL SIEBEN

      Marcello verstaute den schwarzen Ordner mit seiner Kopie der unterschriebenen Dokumente im Kofferraum des SUVs, und sie stiegen ein.

      Als sie abfuhren, stand der noch immer strahlende Franco auf den Stufen seiner Weinkellerei und winkte begeistert. Marcello ließ die Fenster herunter, und sie winkten zurück, bis das kleine Gebäude in der Ferne verschwand.

      „Nun!“, sagte Marcello. „Ich glaube, ich habe ein wenig impulsiv gehandelt, aber ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war. Deine Reaktion auf den Wein hat mir dabei geholfen.“ Er seufzte. „Aber jetzt bin ich arm. Arm, aber glücklich. Und hoffnungsvoll!“

      Seine Euphorie war ansteckend. Oliva bemerkte, dass sie ihn angrinste, obwohl sie noch immer nicht wusste, wieso.

      „Worum ging es überhaupt?“, fragte sie.

      „Franco ist ein alter Freund der Familie“, sagte Marcello. Er hat sein Geschäft über Jahrzehnte hinweg aus dem Nichts aufgebaut, aber er hatte einige Rückschläge verkraften müssen, und seine Weine haben nie die Verkaufszahlen erreicht, die er sich erhofft hatte.“

      „Das liegt aber nicht an fehlender Qualität. Diese Weine waren vorzüglich“, sagte Olivia.

      Marcello

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