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nur ein blinkendes Licht auf dem Flugzeugflügel sehen.

      „Ganz schön dunkel da draußen“, sagte er. „Ein großes, leeres Nichts.“

      „Ja.“

      „Was siehst du da?“

      „Genau das. Nichts.“

      Er schwieg einen Moment. Es war komisch, wieder hier mit ihr zu sein. Vermutlich würde es immer ein wenig merkwürdig zwischen ihnen bleiben. Er wollte nicht über ihre gemeinsame Vergangenheit reden, nicht jetzt, wo Swann und Ed hier waren. Swann und Ed ging die Sache nichts an und außerdem wollte er sie nicht aufwecken.

      „Ich erinnere mich an den letzten langen Flug, den wir zusammen hatten“, sagte Luke.

      Sie nickte. „Ich auch. Korea. Ihr hattet mich gerade aus dem Gefängnis befreit. Das war eine verrückte Zeit. Ich habe gedacht, mein Leben wäre vorbei. Ich hatte ja keine Ahnung, dass das erst der Anfang war.“

      „Wie war deine Zeit auf der Flucht so?“

      Sie zuckte mit den Schultern. Sie schien ihn nicht ansehen zu wollen. „Ich würde es nicht noch mal machen wollen. Aber insgesamt war es gar nicht so schlimm. Ich habe viel dazugelernt. Ich habe gelernt, nicht zu sehr an einer Identität zu hängen. Trudy Wellington, wer ist das schon? Nur eine von hunderten. Ich habe mein Haar blond gefärbt, so wie du vorgeschlagen hattest. Danach hatte ich schwarze Haare. Einmal habe ich mir sogar eine Glatze rasiert.

      „Wusstest du, dass ich eine Zeit lang bei linken Protestanten in Spanien war? Ehrlich. Ich habe auf der Schule Spanisch gelernt und Spanien schien wie ein sicherer Ort, um dort unterzutauchen. Niemand hatte auch nur die geringste Ahnung, wer ich bin. Sie haben mich als Notfallsanitäter ausgebildet, also habe ich mitgemacht. Viele Menschen werden auf diesen Protesten verletzt – normalerweise Kleinigkeiten, aber Krankenwagen haben es schwer, bis zu ihnen vorzudringen. Ich war mitten drin in der Action. Hab ganz schön viele gebrochene Knochen und kaputte Schädel gesehen. Ich musste die ganze Zeit an Ed denken, während ich da war – ich hatte schon immer riesigen Respekt vor seinem medizinischen Wissen. Jetzt noch umso mehr.“

      Jetzt drehte sie sich zu Luke um. „Ich habe einiges über mich selbst gelernt.“

      „Zum Beispiel?“, fragte Luke.

      Sie lächelte. „Ich habe gelernt, dass ich ältere Männer nicht nötig habe. Was hatte ich mir nur erhofft, Schutz? Bestätigung? Ich war ein dummes, kleines Mädchen. In den letzten Jahren habe ich mich an Männer in meinem Alter gehalten, oder sogar an jüngere, zur Abwechslung. Ich habe festgestellt, dass ich Männer bevorzuge, die nicht versuchen, mich zu bevormunden.“

      Autsch. Luke musste lächeln, war aber auch sprachlos.

      „Ich habe außerdem gelernt, dass ich eine Überlebenskünstlerin bin.“

      „Das ist gut“, sagte er.

      „Ja“, stimmte sie zu. „Aber nicht so gut wie die Sache mit den Männern.“

      KAPITEL ZWÖLF

      13:45 Uhr Eastern Standard Time

      Das Lagezentrum

      Das Weiße Haus, Washington, D.C.

      „Wie spät ist es dort?“, fragte Susan.

      Kurt sah auf die Uhr. „Ungefähr viertel vor neun Uhr abends. Unser Gespräch ist für neun Uhr angesetzt.“

      Susan nickte. „Okay. Fass die Sache noch einmal für mich zusammen.“

      Sie blickte sich im Lagezentrum um. Es war voll wie immer. Kurt stand am Ende des länglichen Tisches. Haley Lawrence saß ebenfalls hier, zusammen mit einem sprichwörtlichen Meer aus Generälen und Admirälen, einige von ihnen weiblich, wie Susan positiv auffiel. Die Sitze an den Wänden waren voll mit Assistenten.

      „Wir stehen vor einer Krise“, fing Kurt an. „Und wir müssen vorsichtig sein. Das ist das Wichtigste.“

      Susan gestikulierte mit ihrer Hand, als wollte sie sagen Leg einen Zahn zu.

      „Wie die meisten Anwesenden wissen, ist Israel seit seiner Gründung im Jahre 1948 ein wichtiger strategischer Partner für uns. In einer sich ständig verändernden Welt gibt es nur eine Handvoll anderer Länder – England, Kanada, Frankreich, Indien, Saudi-Arabien …“

      Kurt wartete und verdrehte seine Augen, während ein paar der Anwesenden ihre Buh-Rufe loswurden.

      „… Marokko, und ein paar weitere – die schon länger mit uns alliiert sind. Als relativ kleines Land in einer instabilen Region ist Israels Position äußerst dürftig und im Laufe der letzten Jahrzehnte sind die Spannungen immer wieder in offene Kämpfe ausgeartet. Am Anfang waren diese Konflikte das Resultat von Angriffen aus Nachbarländern wie Ägypten, dem Jordan oder Syrien. In der jüngsten Vergangenheit ist hauptsächlich der Palästina-Konflikt schuld. Die Palästinenser wurden vertrieben, als Israel gegründet wurde und sie leben heutzutage in einer Art politischen Schwebe im Westjordanland und im Gazastreifen, Gebiete, die Israel während des Sechstagekriegs im Jahr 1967 erobert hat. Jede internationale Einrichtung, genauer gesagt sogar jede Nation dieser Erde außer Israel selbst und den Vereinigten Staaten, betrachtet Israel als die Besatzungsmacht in diesen Gebieten.

      „Islamistische Terrororganisationen nutzen diese Situation bereits seit zwei Generationen, um neue Mitglieder zu rekrutieren. Außerdem können islamische Staaten jederzeit Anti-Israelische Propaganda lostreten, solange die Palästinenser in der Schwebe hängen.“

      „Wie stehen wir zu der ganzen Sache?“, fragte jemand, der an der hinteren Wand stand.

      Kurt nickte. „Gute Frage. Lassen Sie es mich deutlich ausdrücken. Unsere offizielle Politik dazu lautet, dass wir andauernde Verhandlungen ermutigen. Das Ziel dieser Verhandlungen lautet, dass das Westjordanland und der Gazastreifen schlussendlich ein eigenständiges Land, wahrscheinlich namens Palästina, werden. Palästina und Israel sollen friedliche Beziehungen pflegen und vielleicht sogar zu regionalen Partnern werden. Bis dahin erkennen wir Israels Recht an, seine Grenzen zu schützen und Angriffe von Palästinensern auf die Bevölkerung Israels zu verhindern. Wir erkennen weder an, dass Israel sogenannte Siedlungen auf palästinensischem Gebiet errichtet, noch dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist. Wir betrachten sie als geteilte Stadt – die westliche Hälfte befindet sich in Israel, die östliche im Westjordanland.“

      „Und Yonatan?“

      Kurt blickte kurz auf einen Zettel, der vor ihm auf dem Tisch lag. „Yonatan Stern. Dreiundsechzig Jahre alt. Verheiratet, fünf Kinder, acht Enkel. Als junger Mann war er ein Kommando in der Eliteeinheit Sajeret Matkal der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte. 1976 war er einer der Anführer der erfolgreichen Rettungsaktion im Entebbe Flughafen in Uganda, bei dem israelische Kommandos mehr als einhundert Geiseln aus einem entführten Flugzeug retten konnten.

      „Seitdem er aus dem Militär ausgetreten ist, hat er so gut wie sein gesamtes Leben in der Politik verbracht. Im Moment ist er der Vorsitzende einer unangreifbaren Mehrheit in der Knesset. Seine einzige Schwäche ist, dass er aktuell aufgrund von mindestens vier Verdachtsfällen von Korruption von der Polizei untersucht wird – unter anderem hat er angeblich Geschenke im Wert von hunderttausenden Dollar von reichen Förderern erhalten, unrechtmäßig militärische Regierungsaufträge vergeben und die israelische Telefon- und Internetindustrie für gewisse Freunde manipuliert.“

      Kurt schüttelte seinen Kopf und stieß einen Pfiff aus. „Stern befindet sich in einer Bredouille. Seine rechtlichen Probleme haben ihn die letzten Monate über sehr beschäftigt. Er wird von Glück reden können, wenn er nicht verhaftet wird. Diplomatisch gesehen hat er es ebenfalls nicht leicht. Als er vor drei Wochen in Europa herumreiste, hat er auf einer Rede sein Mikrofon nicht ausgeschaltet. Er witzelte darüber, dass eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern unmöglich sei und dass die Europäische Union verrückt sei – ja, er hat ‚verrückt‘ gesagt – weil sie sich Sorgen um die Palästinenser machen. Sie können sich vorstellen, wie dieser kleine Witz in Europa und den Linken in Israel angekommen ist.“

      Er sah Susan an. „Um es ganz deutlich auszudrücken: Yonatan Stern

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