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aus dem Internet“, erklärte Gina. „Ich habe nach ‚Rennpferd‘ gesucht und das Bild direkt von der Seite mit den Ergebnissen heruntergeladen. Ich bin also nicht auf die eigentliche Website gegangen.“

      Lacey gefiel die Richtung nicht, die dieses Gespräch nahm. „Sprich weiter …“

      „Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass das Bild von einer Rettungsstation stammt, einer Wohltätigkeitsorganisation für Pferde, die im Ruhestand sind. Du weißt schon, die keine Rennen mehr laufen, weil sie zu alt sind. Also es ist ein Pferd, nur eben ein sehr altersschwaches.“

      Lacey seufzte. Gut, dass die Aufgabe nur ein Ablenkungsmanöver gewesen war. „Hoffentlich fällt es niemandem auf“, sagte sie. „Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen. Ich mache einen kleinen Abstecher zu einem Auktionshaus ein paar Kilometer weiter, das ich mir ansehen möchte. Mal sehen, ob ich da vielleicht neue Kontakte knüpfen kann.“

      „Natürlich“, erwiderte Gina reumütig. Lacey konnte regelrecht hören, wie sie mit den Augen rollte. „Dann werde ich also die Kasse machen und heute Abend abschließen?“

      Ein vertrautes Gefühl von Schuld stieg in Lacey auf. Sie musste sich daran erinnern, dass Gina ihre Angestellte war. Das Erledigen von Routineaufgaben gehörte nun einmal zu ihrer Stellenbeschreibung. „Wenn ich nicht rechtzeitig zurück bin, um mich darum zu kümmern, dann ja.“

      „In Ordnung“, seufzte Gina.

      Lacey legte auf und sah Chester an. „So wie sie mit mir spricht, könnte man fast meinen, ich würde sie nicht bezahlen! Dabei habe ich ihr sogar dieses große Hydrokultursystem besorgt, wegen dem sie monatelang herumgeheult hat.“

      Sie rollte mit den Augen und drehte den Schlüssel in der Zündung herum. Der Wagen sprang stotternd an. Als sie die Hafenstraße entlang in Richtung Dorchester fuhr, betrachtete sie das Ledergeschäft im Außenspiegel. Als sie den Laden betreten hatte, hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie mit etwas viel Kostbarerem als Antiquitäten wieder fahren würde: einer heißen Spur zu ihrem Vater.

      KAPITEL FÜNF

      Das Auktionshaus Sawyer & Sons befand sich auf einer Art englischem Landgut. Laceys Mutter und ihre Schwester würden töten, um dort zu leben. Efeu rankte sich an den verwitterten roten Ziegelsteinen hinauf und um die weißen Fensterrahmen im zweiten Stock. Auf dem Kiesplatz vor dem Haus standen teure Geländewagen. Lacey konnte nicht umhin, rot zu werden, als Toms hässlicher Wagen lärmend neben ihnen zum Stehen kam.

      Lacey überprüfte noch einmal die Broschüre, die der Lederwarenhändler ihr gegeben hatte.

      „Heute findet eine Auktion statt“, sagte sie zu Chester und warf einen Blick auf die digitale Uhr im Wagen. „Sie beginnt in einer Viertelstunde. Wir müssen uns beeilen, wenn wir einen der Sawyers erwischen wollen.“

      Sie sprang aus dem Wagen. Chester tat es ihr gleich. Gemeinsam stiegen sie die Steinstufen hinauf und traten durch die großen Türen des Herrenhauses.

      Das Foyer war so prunkvoll und voller Menschen, dass Lacey eher das Gefühl hatte, in einem Theater zu sein und nicht in einem Auktionshaus. Sawyer's war eindeutig eine edle Einrichtung. Sie konnte nicht anders, als sich in ihrer lässigen Kleidung ein wenig fehl am Platz zu fühlen.

      Ein Schild über ihrem Kopf zeigte an, dass es direkt geradeaus zum Büro für Bezahlung und Abholung ging. Bitte warten Sie mit der Abholung bis fünf Minuten nach dem Kauf, stand dort. Der Auktionssaal befand sich hinter den Türen auf der rechten Seite, also ging Lacey nach links in den Ausstellungsraum, wo alle Lose der kommenden Auktion ausgestellt waren.

      Der Ausstellungsraum war so groß wie ein Ballsaal und voller wunderschöner Antiquitäten. Auf zwei Tischen im Bankettstil, die in der Mitte des Raumes standen, waren Ornamente, Schmuck, Porzellan und Kunst ausgestellt und an den Wänden standen große Möbelstücke.

      Lacey spürte einen Anflug von Freude in ihrer Brust. Hier ging der Traum eines jeden Antiquitätenhändlers in Erfüllung. Das war genau die Art von Laden, die sie eines Tages führen wollte. Die Art von Ort, an dem ihr Vater sich schnell verlieren würde …

      Eine Schwere legte sich auf ihre Schultern, als ihr einfiel, warum sie überhaupt hierhergekommen war; nicht, um nach Antiquitäten zu jagen, sondern um nach Hinweisen zu suchen, wo ihr Vater abgeblieben sein könnte.

      Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Am anderen Ende der Halle stand ein elegant gekleideter Mann. Durch seinen formellen schwarzen Anzug war sofort zu erkennen, dass er der Auktionator bei Sawyer & Sons war.

      Lacey machte einige Schritte auf den Mann zu, der jedoch genau in diesem Moment von einem Kunden angesprochen wurde. Sie hielt inne. Chester blickte sie fragend an.

      „Ich möchte ihn nicht unterbrechen, wenn er gerade mit einem Kunden beschäftigt ist“, erklärte sie.

      Chester schnaubte, fast als wüsste er, dass der wahre Grund, weshalb sie stehen geblieben war, der war, dass sie Zeit schinden wollte und sich deshalb einfach auf die erstbeste Ausrede stürzte, um nicht mit dem Mann zu sprechen. Denn wenn er tatsächlich wusste, was mit ihrem Vater passiert war, was kam dann als Nächstes? Die Angst zu wissen, was mit ihrem Vater geschehen war, schien plötzlich schlimmer zu sein als die Unsicherheit, an die sie sich all die Jahre gewöhnt hatte.

      Der Mann im Abzug ging mit dem Kunden davon, um sich um sein Anliegen zu kümmern.

      „Sehen wir uns doch die Möbel an, bis er Zeit hat“, sagte Lacey eilig und ging in die entgegengesetzte Richtung.

      Chester schnaubte erneut und trottete ihr hinterher.

      Lacey betrachtete gerade abwesend eine Schreibkommode aus Walnussholz, als eine Stimme neben ihr sagte: „Was für ein wunderschöner Hund.“

      Als sie sich umdrehte, sah sie, dass ein Mann neben Chester in der Hocke gegangen war und ihn streichelte. Er war ziemlich elegant gekleidet und trug eine sandfarbene Anzugsjacke, ein weißes Hemd und eine beige Hose. Sein Haar war dunkelblond und lockig.

      „Ich bin ein großer Fan von Border Collies“, fügte er hinzu und blickte mit strahlenden blauen Augen zu Lacey auf. Er lächelte, und auf seinen Wangen erschienen Grübchen.

      „Er ist ein English Shepherd“, erklärte Lacey.

      Als der Mann lachte, blitzten seine perlweißen Zähne hervor. „Ah, Sie sind Amerikanerin. Hier drüben nennen wir sie Border Collies.“

      „Ach ja?“, sagte Lacey überrascht. „Das muss ich mir merken.“ Damit konnte sie Gina beeindrucken, wenn sie wieder in Wilfordshire war.

      „Das ist eine schöne Rasse, nicht wahr?“, fuhr der Mann fort. „Ich habe als Kind einen Collie bekommen, nur weil ich Colin heiße.“ Er kicherte. „Aber letzten Endes war es eine tolle Idee! Die Hündin ist seitdem meine ständige Begleiterin.“

      Er zerzauste Chesters Fell und Lacey warf einen Blick über ihre Schulter, um nach dem Sawyer Sohn Ausschau zu halten. Sie fand ihn und er war wieder allein. Jetzt war die Gelegenheit, um mit ihm über ihren Vater zu sprechen. Aber Lacey war zu nervös, um sich auch nur zu bewegen.

      „Tut mir leid“, sagte Colin plötzlich. „Ich kaue Ihnen das Ohr ab, nicht wahr?“

      „Ganz und gar nicht“, sagte Lacey und drehte sich um, verlegen, weil sie unhöflich gewesen war, und dankbar, weil sie eine Ausrede hatte, nicht rüberzugehen. „Sie haben mir von Ihrem Collie erzählt.“

      Colin hörte auf, Chester zu streicheln und stand auf. Er war groß und schlank. Lacey schätzte ihn auf Mitte bis Ende vierzig.

      „Stella“, sagte er. „Sie ist zu Hause. Leider ist sie mittlerweile viel zu alt, um lange unterwegs zu sein. Aber als sie noch jünger war, hat sie Versteigerungen geliebt.“ Wieder lächelte er. „Wie heißt Ihr Hund?“

      „Chester“, sagte sie und sah zu, wie ihr Hund mit der Nase voran um den Sockel der Walnusskommode herumlief und dabei interessante, jahrhundertealte Düfte beschnupperte. „Ich habe ihn adoptiert, als ich nach Großbritannien gezogen bin. Eigentlich hat er eher mich adoptiert.“

      „Er ist bestimmt ein

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