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weiter ihre drei Finger in die Luft. „Ich hatte noch nie eine Freundschaft.“

      Maria biss sich schnell auf die Lippe, um das Keuchen zu unterdrücken, das ihr fast entfloh. Sie hatte nicht mit so viel Aufrichtigkeit gerechnet. Das traf sie unvorbereitet und erdrückte ihr Herz wie ein Schraubstock.

      „Das tut mir leid“, sagte sie sanft und nahm ihren zweiten Finger herunter. „Vielleicht sollten wir aufhören.“

      „Aber ich gewinne.“

      Da machte sich ein ungewolltes Lächeln auf Marias Lippen breit. „Du hast recht. Das stimmt. OK. Äh … ich habe noch nie einen Garten angelegt.“

      Ihre drei kleinen Finger blieben oben und Maria hielt den Atem an, gespannt über das, was sie als nächstes sagen würde.

      „Ich habe noch nie meine Mutter kennengelernt.“

      Maria atmete langsam aus. Das war eine fürchterliche Aussage, doch sie überraschte sie nicht sehr. Sie hatte sich schon vorgestellt, dass Mischa vermutlich ausgesetzt worden war oder verwaist war, vielleicht sogar von den Chinesen oder Samara - oder von der Gruppe, die sie trainiert hatte - gekidnappt worden war. Sie nahm ihren letzten Finger herunter und legte ihre Hände in ihren Schoß.

      „Du hast gewonnen“, sagte sie. Das Spiel war ein kompletter Fehlschlag gewesen. Davon abgesehen, dass sie Fußball spielen wollte, hatte Maria nur herausgefunden, dass das Leben des Mädchens so schrecklich war, wie sie zuvor angenommen hatte. Schön wär’s…

      „Mischa“, sagte sie plötzlich. „Ich kann dir nicht versprechen, dass du jemals deine Mutter kennenlernen wirst. Aber ich kann dir andere Dinge versprechen. Ich kann dir versprechen, dass du nicht für immer hier bleiben musst.“ Sie sprach schnell, als ob sie Angst hätte, dass ihr die Worte ausgingen, falls sie ihren Redefluss unterbräche. „Du wirst Fußball spielen und Freunde haben … und … und … du kannst so viele Süßigkeiten essen, bis dir schlecht wird, wenn du magst. Du kannst all das haben.“ Maria blinzelte, weil ihr Tränen in den Augen standen. Sie war überrascht über die ganzen Versprechen, die sie gemacht hatte, und bereute es sofort. Sie würde es versuchen, aber sie konnte eigentlich gar nichts wirklich versprechen. „Du solltest all diese Dinge haben.“

      „Wie kann ich dir glauben?“, fragte das Mädchen.

      Maria schüttelte ihren Kopf. Sie wusste, dass sie nur noch alles schlimmer machen würde, falls sie versagen sollte. „Wir fangen klein an. Lass mich dir etwas mitbringen. Nicht nur Essen. Sag mir etwas, das du gerne hättest. Eine Beschäftigung? Ein … Spielzeug oder einen Ball … oder …?“ Sie hatte keine Ahnung, woran das Mädchen interessiert sein könnte.

      Mischa dachte einen Moment nach. „Ein Buch.“

      „Ein Buch?“

      „Dostojewski.“

      Maria lachte überrascht auf. „Du willst, dass ich dir Dostojewski mitbringe -?“

      „Aufzeichnungen aus dem Untergrund.

      „Wow. Na … OK. Ja. Das mache ich. Versprochen.“ Maria stand auf. „Ich komme in ein paar Tagen zurück und bringe dir das Buch.“

      „Danke, Maria.“ Es war das erste Mal, dass das Mädchen sie bei ihrem Namen genannt hatte. Es fühlte sich gut an, das zu hören, aber gleichzeitig auch irgendwie fremd.

      „Und Mischa? Du lagst bei einer Sache falsch. Du hast eine Freundin.“

      Maria ging den Gang zurück, ihre Absätze klackten gegen den Boden und hallten vom Beton wider. Sie drehte sich nicht um, blickte nicht zurück, doch sie hörte das typische Klicken der Stahlklappe, wo das Croissant lag, und lächelte.

      Sie hatte keine Ahnung, wie sie jemanden davon überzeugen konnte, Mischa freizulassen oder ihr zumindest ein wenig Privatsphäre und Raum zu geben, doch sie würde ihr Bestes geben, es zu versuchen. Das Mädchen hatte ihr die ersten deutlichen Anzeichen gegeben, dass sie nicht komplett indoktriniert, sondern immer noch einfach nur ein Kind war. Ein Mädchen, das Freunde und eine Familie wollte, das Fußball spielen wollte.

      Maria würde das für sie arrangieren. Sie konnte die Versprechen, die sie so überstürzt gemacht hatte, nicht wieder zurücknehmen. Es gab keine andere Wahl: sie musste sie halten.

      KAPITEL FÜNF

      Null trug eine Sonnenbrille und eine schwarze Schädelmütze. Sein Jackenkragen war aufgeschlagen, als er die Tür zum Büro der Third Street Garage in Alexandria, Virginia, öffnete. Sein Outfit war womöglich übertrieben, doch seitdem er erfolgreich Bixby gefunden hatte, versuchte er, auf der Suche nach Informationen so unerkannt wie möglich zu bleiben. Die Agentur hatte ihn schon zuvor unerwartet beschattet, es war durchaus möglich, dass sie es weiterhin tat.

      Das kleine Büro war leer, es stand dort nur ein Stahlschreibtisch mit einem alten Computer und zwei Stühlen für Gäste. Er hörte gedämpfte Musik aus der Garage und ging in ihre Richtung. Er zog die zweite Tür auf und seine Ohren wurden von dem Lied „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival angefallen. Es dröhnte aus einer Stereoanlage, die aussah, als wäre sie im Erscheinungsjahr des Liedes hergestellt worden.

      Er drückte den Stopp-Knopf - war das wirklich ein Kassettenrekorder? - doch Alan gröhlte die nächsten Takte verstimmt weiter. Er lag unter einem kirschroten 1972er Buick Skylark.

      „Das ist doch der beste Teil vom Lied“, brummte er, während er unter dem Buick auf einem quietschenden Rollbrett hervorkam. „Hilf mir mal hoch, bitte.“

      Null ergriff Alans dicke Hand, zog den größeren Mann auf die Füße und stöhnte dabei. Auch Alan stöhnte, doch Null wusste, dass das reine Schauspielerei war. Alan hatte breite Schultern und ein paar Kilo extra um die Taille, doch darunter lagen Schichten von Muskeln, die er sich während seiner Karriere als CIA-Einsatzagent antrainiert hatte. Sein dichter, graumelierter Bart und die Fernfahrermütze verdunkelten seine Gesichtszüge. Sie halfen auch, seine Identität als einfacher Mechaniker zu untermauern, doch Alan Reidigger war viel, viel mehr als das - unter anderem auch Nulls bester Freund, seitdem er sich erinnern konnte.

      „Du bist ein wenig früh dran“, bemerkte Alan.

      „Willst du mir sagen, dass es noch nicht fertig ist?“ fragte Null und zeigte auf das Auto.

      „Das ist soweit. Ich dachte nur, dass mir noch ein wenig Zeit bliebe, um das Lied zu üben. Komm schon, steig ein.“ Null setzte sich auf den Beifahrersitz und Alan hinter das Steuer. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss um und der Motor erwachte zum Leben. Er brummte mächtig unter der Haube.

      Alan hatte viele Eigenschaften, dazu gehörte auch ein wenig Verfolgungswahn. Er war davon überzeugt, dass seine Werkstatt von der CIA verwanzt war, egal wie oft er sie durchsuchte. Null hatte keine Ahnung, wem der Skylark gehörte, doch hinter seinen getönten Fenstern und mit dem brummenden Motor konnten keine Kameras oder Mikrophone sie sehen oder hören.

      „Also… was hast du herausgefunden?“ fragte Null.

      „Ich? Nichts.“ Alan zog ein schmutziges Taschentuch aus seiner Hemdjacke und wischte sich seine öligen Hände ab. „Aber vielleicht hat der Weihnachtsmann was im Handschuhfach für dich hinterlassen.“

      Null öffnete es und zog den dicken Aktenordner heraus, der sich darin befand. Zwischen den Plastikdeckeln befanden sich mindestens hundertfünfzig Seiten. „Verdammt, Alan. Hast du dich in die Datenbank der CIA eingehackt?“

      „Natürlich nicht“, sagte Reidigger empört. „Ich habe jemanden bezahlt, das für mich zu tun.“ Er grinste hinter seinem Bart hervor. „Vor dir liegen die bekannten Identitäten und derzeitigen Aufenthaltsorte aller Personen, die entweder mit Vor- oder Nachnamen Connor heißen, und in den letzten sechs Jahren mit der CIA zu tun hatten.“

      „Beeindruckend.“ Null blätterte ein wenig in den Seiten, erhaschte nur einen Blick auf die Dutzende von Gesichtern - wahrscheinlich waren es Passfotos - mit den Textabschnitten voller persönlicher Informationen darunter. „Ich warte auf das ,aber‘.“

      „Aber“, sagte Alan, „ich bin das schon alles durchgegangen

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