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blickte für einen Moment zur Seite, während sie sich näherten. Er suchte den Horizont ab, als wäre etwas Interessantes dort zu finden. Als er zurückblickte, waren sie fast da. Er beobachtete, wie sie sich näherten. Audrey bewegte sich langsam und sah vorsichtig auf ihre Füße – sie wirkte älter, als sie war. Gunner passte sich ihr an und stützte sie. Es schien, als würde die langsame Geschwindigkeit ihm zu schaffen machen – als wäre er ein junger Hengst voll mit ungenutzter Energie, der in einem engen Stall gefangen war. All die Frustration, die sich angestaut hatte und die nur darauf wartete, zu explodieren.

      Gunner starrte Luke für ein paar Sekunden verwirrt an. Es waren fast zwei Jahre vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten – eine lange Zeit für einen Jungen seines Alters – und für einen Moment schien er nicht zu wissen, wer vor ihm stand. Seine Züge verdunkelten sich, als er erkannte, dass er seinen Vater anblickte. Dann sah er zu Boden.

      Audrey erkannte Luke sofort.

      „Können wir dir helfen?“, sagte sie, bevor sie überhaupt am Grab standen.

      „Du nicht“, sagte Luke. Audrey und ihr Mann, Lance, hatten ihn nie als Schwiegersohn akzeptiert. Ihr Einfluss war bereits toxisch gewesen, bevor Becca und er überhaupt ihr Ehegelübde ausgetauscht hatten. Luke hatte Audrey nichts zu sagen.

      „Was machst du hier, Dad?“, fragte Gunner. Seine Stimme war tiefer. Luke konnte den Anflug eines Adamsapfels erkennen – das war neu.

      „Die Präsidentin hat mich hergerufen. Aber ich wollte euch zuerst sehen.“

      „Deine Präsidentin hat verloren“, sagte Audrey. „Sie hat sich wie eine Verrückte im Weißen Haus verschanzt und weigert sich, ihre Niederlage zuzugeben. Ich habe schon immer gewusst, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Jetzt kann es die ganze Welt sehen. Hat sie etwa gehofft, Kaiserin zu werden?“

      Luke sah Audrey an. Er nahm sich Zeit und betrachtete sie von oben bis unten. Sie hatte tiefliegende Augen, die so dunkel waren, dass man sie fast für schwarz halten konnte. Sie hatte eine Hakennase, die wie ein Schnabel aussah. Ihre Schultern waren gekrümmt und ihre Hände wirkten unglaublich zerbrechlich. Sie erinnerte ihn an einen Vogel – an eine Krähe, oder vielleicht an einen Geier. Auf jeden Fall an einen Aasfresser.

      „Sie hat verloren“, sagte Audrey erneut. „Sie sollte darüber hinwegkommen und sich darauf vorbereiten, die Macht an den Gewinner abzutreten.“

      „Gunner?“, sagte Luke und ignorierte Audrey. „Können wir reden?“

      „Ich habe Rebecca gesagt, sie soll dich nicht heiraten. Ich habe ihr gesagt, dass es in einer Katastrophe enden würde. Aber ich hätte mir niemals ausgemalt, dass es so schlimm sein würde.“

      „Gunner?“, wiederholte Luke, aber sein Sohn sah in nicht an. Luke sah, wie eine Träne an seiner Wange herunterlief. Er schluckte schwer.

      „Ich will mich einfach nur entschuldigen.“

      Das wirkte nicht richtig. Eine Entschuldigung? Das wäre nicht annähernd genug. Das wusste Luke. Es würde mehr als nur eine Entschuldigung benötigen, damit er alles wiedergutmachen konnte, falls das überhaupt möglich war. Das war es, was er Gunner sagen wollte. Er wollte ihm sagen, dass er alles tun würde, einfach alles, wenn das nur bedeuten würde, dass er wieder ein Teil seines Lebens werden konnte.

      Er hatte einen schrecklichen Fehler begangen. Er würde den Rest seines Lebens daran arbeiten, ihn wiedergutzumachen.

      Gunner sah ihn an und weinte jetzt. Tränen strömten über sein Gesicht. „Ich will nicht mit dir reden.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich will dich nicht sehen. Ich will dich einfach nur vergessen, verstehst du das nicht?“

      Luke nickte. „Okay. Okay, das kann ich respektieren. Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich dich liebe und dass ich immer da sein werde. Hast du meine Nummer noch? Du kannst mich anrufen, wenn du deine Meinung änderst.“

      „Ich habe deine Nummer nicht mehr“, sagte Gunner. „Und ich werde meine Meinung auch nicht ändern.“

      Luke nickte erneut. „Dann lasse ich dich in Ruhe.“

      Audrey rief Luke hinterher, während er den Weg entlangging. „Das ist eine gute Idee“, sagte sie.

      „Lass den Jungen in Ruhe.“ Dann lachte sie, ein verrücktes Gackern, das fast wie ein Hustenanfall klang, wenn Luke es nicht besser gewusst hätte.

      „Lass uns mit unseren Toten in Ruhe.“

      Luke stieg in sein Auto, legte den Gang ein und fuhr durch die Friedhofstore, während er selbst anfing zu weinen.

      KAPITEL FÜNF

      16:57 Uhr Eastern Standard Time

      Bubba’s Lounge

      Chester, Pennsylvania

      Niemand erinnerte sich daran, wer Bubba gewesen war.

      Die kleine Bar stand seit dem Zweiten Weltkrieg hier an der Straßenecke am südöstlichen Ende von Chester, nahe des Flusses. Zehn verschiedene Besitzer hatten sich die Klinke in die Hand gegeben und sie hatte schon immer Bubba’s geheißen, so weit man sich erinnerte. Doch niemand wusste genau warum.

      „Schätze sie wird aufgeben“, sagte ein Mann an der Bar.

      „Wurde auch Zeit“, sagte ein anderer.

      Marc Reeves arbeitete heute. Marc war ein Oldtimer, 67 Jahre alt. Er hatte über die letzten 25 Jahre hinweg immer mal wieder an dieser Bar Bier ausgeschenkt und hatte drei verschiedene Geschäftsführer miterlebt. Er war hier gewesen, während diese Stadt langsam den Bach runterging. In einer Stadt, in der fast jedes andere Geschäft früher oder später zugenagelt wurde, war Bubba’s ein Erfolgsgeschäft. Aber trotzdem blieben die Besitzer nie lange.

      Der Laden holte seine Ausgaben wieder rein – das war das Problem. Er schrieb weder rote noch schwarze Zahlen. Hier zu arbeiten oder hier zu trinken war besser, als die Bar zu besitzen. Wenigstens bekam man so etwas für seine Mühen.

      In der Ecke hinter der Bar stand sich ein großer alter Farbfernseher. Zu dieser Tageszeit befanden sich vier oder fünf Tagtrinker auf den Hockern, die ihre Sozialversicherungschecks und was auch immer von ihren Lebern übrig war verschwendeten. Normalerweise lief der Sportsender. Heute war es jedoch anders. Heute hielt die Präsidentin ihre erste Pressekonferenz, seitdem sie die Wahl verloren hatte.

      Marc war skeptisch gewesen, als sie ihr Amt angetreten hatte, insbesondere wenn man die Umstände bedachte, unter denen es geschehen war. Aber er hatte sie liebgewonnen. Insgesamt dachte er, dass sie gute Arbeit geleistet hatte. Sie und das Land als Ganzes hatten einige Schwierigkeiten überstanden. Also hatte er gestern etwas getan, was er nur selten tat – er hatte seine Stimme für sie abgegeben. Es war das erste Mal seit zwölf Jahren, dass er in einem Wahllokal gewesen war.

      Nicht jeder war seiner Meinung.

      „Ich mag den Neuen“, sagte ein dicker Mann an der Bar. Man nannte ihn Skipper. Aber wahrscheinlich hatte er in seinem Leben noch nie einen Fuß auf ein Schiff gesetzt. „Was hat Susan Hopkins je für Chester, Pennsylvania getan? Das will ich mal wissen. Es ist Zeit, dass jemand diese ganzen Chinesen davon abhält, in unser Land zu kommen.“

      „Und unsere Jobs zurückbringt, wenn er schon dabei ist“, sagte ein Mann namens Steve-O. Steve-O war so dürr, dass Marc unwillkürlich an einen Pfeifenreiniger denken musste, wenn er ihn sah. Er kam jeden Tag her und trank Bier und Bourbon. Marc hatte noch nie gesehen, wie Steve-O auch nur einen Bissen fester Nahrung zu sich nahm. Es schien, als würde er sich nur von Alkohol ernähren.

      Marc trocknete gerade Biergläser ab, die aus dem Geschirrspüler kamen. „Steve-O, du bekommst doch seit zwanzig Jahren Behindertengeld.“

      „Ich meinte ja nicht meinen Job“, sagte Steve-O.

      Ein paar der Anwesenden lachten.

      Auf dem Fernsehbildschirm tauchte jetzt ein leeres Podium auf. Es war umgeben von amerikanischen Flaggen.

      „Meine Damen und Herren“, sagte eine leise Stimme, „die

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