ТОП просматриваемых книг сайта:
Gehimmelt leben. Matthias Hoffmann
Читать онлайн.Название Gehimmelt leben
Год выпуска 0
isbn 9783955784836
Автор произведения Matthias Hoffmann
Жанр Религия: прочее
Издательство Автор
Die frömmelnde Argumentation lautet folgendermaßen: „Habt nicht lieb die Welt … Himmel und Erde werden vergehen … Ich sah eine neue Erde …!“ Ein schreckliches Gespinst aus Lügen und Halbwahrheiten wird gesponnen. Daraus resultiert die Fehleinschätzung: Diese Erde ist nicht wichtig, weil sie von der Macht der Sünde kontaminiert und verdorben wurde. Deshalb muss und wird sie durch das Gericht Gottes zerstört werden. Das Einzige, worauf es ankommt, ist das Jenseits: Gottes neue Welt, der Himmel.
Das brachte uns durch die Jahrhunderte: zuerst die Weltvergessenheit im Mittelalter; in Folge davon die Rechtfertigung von Unrechtsherrschaften mit der Vertröstung auf eine bessere Welt danach; Leibfeindlichkeit; Unterdrückung der Schwachen (Frauen, Kinder, Sklaven); die Kirche als Machtapparat und Herrschaftssystem.
Es kam schon bald, wie es kommen musste. Das Pendel der Geschichtsuhr schlug zurück in die andere Richtung. Im Zeitalter der sogenannten Aufklärung wurde dann der Mensch in den Mittelpunkt gestellt. Jetzt wollte man den Himmel abschaffen. Geerdet zu leben, bedeutete fortan, der Ratio, der menschlichen Vernunft, zu folgen, und sich nicht mehr länger christlichen Glaubensdogmen zu beugen. So geriet der Himmel über die letzten Jahrhunderte mehr und mehr in Vergessenheit. Heutzutage scheint die Himmelswelt bestenfalls noch etwas Mystisch-angehaucht-Sternen-Verstaubtes für Esoteriker, Moslems und evangelikale Fundamentalisten zu sein – quasi für die Ewiggestrigen, die halt nicht genug geerdet leben.
Welche Rolle spielt noch der Himmel?
Im modernen Sprachgebrauch ist nur noch sehr wenig vom Himmel die Rede. Die Werbung verspricht uns zwar, dass diese Schokolade himmlisch schmecken soll oder der Urlaub auf jener Trauminsel verliebte Hochzeitspaare bis in den siebten Himmel bringen wird. Aber das war es dann auch schon. Selbst in den Kirchen gibt es nur wenige Anhänger, die von der Existenz eines Himmels überzeugt sind. Das wurde mir als Pastor bei so mancher Beerdigung schmerzhaft vor Augen geführt. Wenn ich Hinterbliebene fragte, was sie so denken, wo der Verstorbene jetzt sei, hörte ich allerlei abstruse Gedanken. Das reichte vom Rad der ewigen Wiedergeburten über das atheistisch-nihilistische „Da is’ nix mehr und kommt nix mehr!“ bis hin zum weit verbreiteten Geisterglauben, dass der Verstorbene als Geist-Energie ganz nahe bei ihnen bliebe.
Wer kennt denn noch den Himmel?
Wir Europäer haben schon seit langem den Kontakt zum Himmel verloren. Die säkularen Zeitgenossen leiden an einer kollektiven Amnesie: der Himmelsvergessenheit! Betrachtet man Gemälde aus der Zeit des Mittelalters wird man fast ausschließlich bildreiche Vorstellungen über das Jenseits vorfinden. Diese Überdosis führte zum genauen Gegenteil. Was der Teufel nicht verhindern kann, das übertreibt und verzerrt er missbräuchlich. Vornehmlich die Christen Europas haben eine Allergie gegen die schrägen Überzeichnungen und Missdeutungen jener Epoche entwickelt. Wir scheinen jetzt immun dagegen zu sein: „Komme uns keiner mehr mit dem Himmel!“
In weiten Teilen der Erde sieht es hingegen völlig anders aus. Da scheint die Sehnsucht nach dem Himmel noch vorhanden zu sein. In allen Weltreligionen gibt es ein starkes Wissen um die Transzendenz, die unsichtbare Welt(en). Auch wenn der Weg dahin, die Lebensweisen und Glaubensansichten sehr unterschiedlich sein mögen, haben sie fast alle etwas gemeinsam: der Wunsch nach oder der Glaube an das ewige Leben (in welcher Form auch immer). Je ärmer die Menschen dabei sind, umso mehr gehören der Glaube an eine unsichtbare Welt, die uns umgibt, und die Hoffnung auf eine bessere, ewige Zukunft zum Weltbild und zur Verständnishilfe ihrer Existenz.
Was bedeutet das nun für uns reiche und gebildete Europäer? Ist für uns damit der Weg, an den Himmel zu glauben, etwa versperrt? Sind wir zu rational, zu abgeklärt und aufgeklärt? Leben wir etwa zu geerdet?
Fragen zum Weiterdenken
• Wie sieht es bei dir aus?
• Welche inneren Bilder und Vorstellungen, welche Erzählungen und Träume hast du vom Himmel?
• Glaubst du an ein ewiges Leben nach dem Tod? Wie stellst du dir das vor?
• Welche Empfindungen hast du, wenn du über die Ewigkeit nachsinnst: Freude, Zweifel, Neugierde, Angst, Hoffnung …?
Auf dem Weg nach Haus’
Diese Überschrift ist ein Zitat aus einem Kinderlied, das ich nach wie vor sehr liebe. Da heißt es: „Mit Jesus in dem Boot, kann ich lachen in dem Sturm – auf dem Weg nach Haus’!“ Mir gefällt die Vorstellung, dass mein Leben eine Reise ist. Und zwar eine Reise mit einem konkreten Ziel: Ich darf nach Hause kommen. Heimkommen. Zum Vater kommen. Ins Vaterhaus SEINER Liebe kommen. Wenn du bereits mehr von meiner Biographie kennen solltest, dann weißt du ja, wie sehr bedeutsam für mich die Entdeckung von Gottes liebendem Vaterherzen war und ist und ewig bleiben wird!
Am Tiefpunkt einer Lebenskrise entdeckte ich die offenen Arme meines himmlischen Abba-Vaters – ähnlich wie der verlorene Sohn in Lukas 15. Diese Begegnung hat mein Leben revolutioniert und transformiert. Endlich habe ich das wahre Leben gefunden, nach dem ich immer Ausschau hielt. Ich kann wirklich sagen: Ich bin am Ziel meiner Träume angelangt! Das Leben in der Freundschaft mit Abba-Vater ist für mich ein Stück Himmel auf Erden geworden. Wie dankbar bin ich, dass ich in den letzten fast zwanzig Jahren Botschafter dieser wunderbaren Liebe des Vaters in Deutschland und vielen anderen Nationen auf der Erde sein durfte. Und mehr noch: Ich bin SEIN Freund, SEIN geliebter Sohnemann und Vertrauter SEINES Herzens!
Nun werde auch ich Jahr für Jahr älter. Ich bin in die Jahre gekommen und lebe, wie ich es für mich persönlich nenne, auf meiner Route 66 – also kurz vor der Rente. Das Älterwerden macht schon etwas mit einem. So mancher schreibt dann seine herbstbunten Memoiren, wie ein Thomas Gottschalk, oder wie die frühere Bischöfin Margot Käßmann. Deren lesenswertes Buch trägt den vielsagenden Titel „Das Zeitliche segnen“. Darum geht es, wenn einem die Augenblicke im Stundenglas des eigenen Lebens mehr und mehr durchrieseln, wenn man dem Himmel gefühlt näherkommt. Du stehst nun häufiger am Grab von lieben Freunden, von denen du Abschied nehmen musst. Im Herbst des eigenen Erlebens sieht die Welt anders aus. Da lohnt es sich, das Zeitliche zu segnen. Das Vergängliche loszulassen. Damit deine Hände frei werden, um Neues zu empfangen.
Der Herbst meiner bzw. unserer Lebensreise hat noch viele sonnige Stunden. Er ist herrlich bunt, wie der kanadische Indian Summer. Das ist auch die Zeit für Erntedankfeste. Da darf man die Früchte seines Lebens ernten und genießen. Eine schöne Lebensphase. Das fühlt sich so ein bisschen wie Opawerden an. Du darfst die Enkel verwöhnen und für sie beten, trägst aber selber nicht mehr die Verantwortung der Erziehung. Also, wen es betrifft – das ist doch eine gute Lebensphase, oder?!
Wenn da nicht am Horizont die Grenzen wären. Begrenzungen, die unaufhörlich immer näherkommen. Vielleicht sind sie dem einen oder anderen meiner Leser bereits mächtig nahe auf die Pelle gerückt. Ich meine damit: Krankheit, Schwäche, Verluste, Einsamkeit. Das sind die Mahner, die Erinnerer unserer Seele und unseres Körpers. Sie sagen uns eindeutig und unumwunden: „Du bist auf dem Weg nach Haus’!“ Alles hat SEINE Zeit! Dein und mein Leben sind endlich, begrenzt und haben Anfang und Ende. Wir kommen woher und wir gehen wohin.
Das, was wir Leben nennen, findet dazwischen statt, zwischen Erde und Himmel. Beide Orte sind unser Lebensraum. Wir haben zwei Wohnungen. Unser erster Wohnsitz war und ist im Himmel. Wir entstammen SEINER ewigen, göttlichen, himmlischen Vaterliebe. Wir sind Gedanken Gottes, die Gestalt angenommen haben, die ER in Existenz rief. Der Himmel ist unsere wahre Heimat und die Quelle unseres Lebens.