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Julian.

      Der Fremde machte ein kratzendes Geräusch, was nicht wirklich als Lachen zu interpretieren war. „Ich fürchte, dass ist eine eher lange und komplizierte Geschichte“, sagte er. Dann stand er plötzlich auf und warf das delikate Weinglas gegen die Wand, wo es zerbrach. Die Weinflasche stellte er auf einen kleinen, dekorativen Tisch.

      Julian begriff, dass seine professionellen Taktiken ihm hier nicht weiterhelfen würden. Also versuchte er sich an einer anderen Herangehensweise.

      „Meine Frau wird bald zu Hause sein“, platzte er heraus.

      Der Fremde klang unbeeindruckt.

      „Wird sie das? Nun, dann sollten wir wohl zum Geschäftlichen kommen.“

      „Wer zum Teufel sind Sie?“, forderte Julian.

      Ein verletzter Blick überrollte das Gesicht des Fremden.

      „Ach du meine Güte. Ich hatte gehofft, mittlerweile erkannt worden zu sein. Nun, da habe ich wohl zu viel erwartet. Aber ich bin mir sicher, dass Sie mich bald erkennen werden. Ich kenne eine todsichere Methode, Ihr Gehirn zu stimulieren.“

      Wieder glaubte Julian, etwas Vertrautes am Kinn des Mannes wahrzunehmen. Aber er erkannte ihn definitiv nicht. Die einzige Wirklichkeit, auf die er sich konzentrieren konnte, war die Tatsache, dass er Gefangener in seinem eignen Weinkeller war – einem Mann ausgeliefert, der ziemlich verrückt zu sein schien.

      Er wusste nur nicht, wie er an dem Stuhl festgemacht worden war, aber es fühlte sich mehr als unangenehm an. Etwas Enges drückte gegen seine Brust, was das Atmen erschwerte. Nun begriff er auch, dass seine Füße nackt, kalt und feucht waren.

      Er sah zu Boden. Obwohl seine Knie zusammengebunden waren, konnte er einen seiner großen Silberteller auf dem Boden sehen. Als er seine Füße ein wenig bewegte, merkte er, in seichtem Wasser zu stehen.

      „Ja“, kommentierte der Fremde. „Ich habe einen Silberteller aus Ihrem reizenden Geschirrschrank mitgebracht. Perfekt für die bevorstehende Tätigkeit. Darin befindet sich etwa ein halber Zentimeter Wasser und sowohl Wasser als auch Silber sind exzellente Leiter.“

      Exzellente Leiter, fragte sich Julian.

      Seine Augen wanderten durch den Raum und versuchten, so viel wie möglich von den Geschehnissen um ihn herum aufzunehmen. Er konnte sehen, dass der Fremde ein Paar Stiefel mit Gummisohlen zu tragen schien.

      Dann begann er, ein Paar dicker Gummihandschuhe anzuziehen.

      Was um Himmels Willen …? Wieder warnte sich Julian davor, zu schreien.

      Der Fremde verschwand für einen Moment aus Julians Blickfeld. Nach einem Klappern aus der Richtung des Stromverteilerkastens des Kellers, kam der Fremde mit einem Stück hochleistungsfähigem Isolierkabel zurück. Das Kabel war abgetrennt worden und die Drähte darin freigelegt.

      Julian fühlte, wie sein Körper begann, die schreckliche Angst zu begreifen.

      Der Fremde kam auf Julian zu und sah ihm in die Augen.

      „Sind Sie sicher, dass Sie mich nicht erkennen, Dr. Banfield?“, fragte er mit diesem unvergänglichen Lächeln.

      Julian starrte in das Gesicht des Fremden, wieder stach ihm die Form seines Kinns ins Auge. Er dachte angestrengt nach und versuchte, das Gesicht einzuordnen, während ein Schwall von Gedanken durch seinen Kopf raste.

      Elektrizität … Elektroden … Stromleiter …

      Dann begriff er es plötzlich. Obwohl er keinen Namen parat hatte, war das Gesicht selbst nach so vielen Jahren noch unverkennbar.

      „Ja!“, murmelte er überrascht. „Ja, ich weiß, wer Sie sind!“

      „Oh, gut!“, meinte der Fremde. „Ich wusste, ich könnte Ihre Erinnerung anregen.“

      Julians Herz klopfte schmerzhaft.

      „Meine Frau wird bald zu Hause sein“, sagte er erneut.

      „Ja, da bin ich mir sicher“, meinte der Fremde. „Und wie überrascht sie sein wird!“

      Der Fremde ließ die nackten Drähte vorsichtig auf den Silberteller fallen. Julian schrie, als sein Bewusstsein in einem Blitz aus glühendem Weiß explodierte.

      KAPITEL DREI

      Riley klammerte sich an dem schnurlosen Telefon in ihrer Hand fest, während sie in der kleinen Kellerwohnung auf und ab ging, die sie sich mit ihrem Verlobten, Ryan Paige, teilte. Sie versuchte, Agent Crivaro anzurufen.

      Und wieder einmal nahm er den Anruf nicht entgegen. Sein Telefon klingelte und klingelte und klingelte.

      Ich erreiche nicht einmal seinen Anrufbeantworter, dachte sie.

      Ryan sagte: „Kommst du immer noch nicht durch?"

      Sie hatte nicht realisiert, dass Ryan ihr Tun beachtet hatte. Er saß am Küchentisch und las Fallmaterialien durch, die er von Parsons & Rittenhouse nach Hause gebracht hatte, der Anwaltskanzlei, wo er als Einsteiger-Anwalt arbeitete.

      „Nein“, sagte Riley. „Ich habe das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Vielleicht sollte ich zurück nach Quantico fahren und …“

      Ryan unterbrach sie sanft. „Riley, nein. Was würde das bringen?“

      Riley seufzte. Ryan hatte recht – natürlich. Nach der Verhandlung und Crivaros Verschwinden hatte sie das FBI-Fahrzeug zurück nach Quantico gebracht und gehofft, ihn im Hauptrevier der Verhaltensanalyseeinheit zu finden. Aber er war nicht dort gewesen. Der federführende Special Agent Erik Lehl war bereits nach Hause gegangen, was vermutlich keinen Unterschied machte. Wenn Crivaro nicht dort aufgetaucht war, würde Riley nicht diejenige sein wollen, die Lehl erzählen musste, dass ihr Partner unentschuldigt fehlte.

      „Wie oft hast du schon versucht, Crivaro anzurufen?“, fragte Ryan.

      „Ich weiß es nicht“, meinte Riley.

      Ryan kicherte mitfühlend.

      „Erinnerst du dich an Einsteins Definition von Wahnsinn?“, fragte er.

      Riley zuckte mit den Schultern. „Ja – wenn man immer wieder dieselbe Handlung ausführt, aber verschiedene Resultate erwartet.“

      Sie ließ sich auf die Couch im Wohnzimmerbereich fallen, wo sie zuvor auf und ab gegangen war.

      „Vielleicht verliere ich ja auch irgendwie den Verstand“, sagte sie.

      Ryan stand vom Tisch auf, ging zum Küchenschrank und holte eine Flasche Bourbon sowie zwei Gläser heraus.

      „Ich würde dich nur ungern in eine Anstalt einweisen lassen“, sagte er. „Vielleicht brauchst du was Hartes, um deine Vernunft wiederherzustellen.“

      Riley lachte schicksalserschlagen.

      „Kann nicht schaden“, meinte sie.

      Ryan schenkte ein, setzte sich dann neben Riley auf die Couch und legte seinen Arm um ihre Schulter.

      „Willst du darüber sprechen?“, fragte er.

      Riley seufzte. Sie hatten schon viel über den Prozess gesprochen, seitdem sie nach Hause gekommen war und auch beim Abendessen war es ihr einziges Thema gewesen. Ryan wusste, wie sehr sie der Ausgang verärgert hatte. Und natürlich hatten sie auch über Crivaros mysteriöses Verschwinden gesprochen.

      „Ich weiß nicht, was es da noch zu sagen gibt“, sagte sie und legte ihren Kopf an Ryans Schulter.

      „Vielleicht fällt mir etwas ein“, meinte Ryan. „Vielleicht könntest du ein paar Fragen beantworten.“

      Riley kuschelte sich enger an ihn. „Ja, das können wir versuchen.“

      Ryan nahm einen Schluck Bourbon und sagte dann: „Warum genau machst du dir Sorgen um Agent Crivaro?“

      „Weil er gegangen ist, ohne mir Bescheid zu geben“, sagte sie.

      „Denkst du, er befindet sich in einer gefährlichen Situation?“

      Riley schnaubte. „Agent Crivaro? Ich glaube nicht.

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