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Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges. Jörg Olbrich
Читать онлайн.Название Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Год выпуска 0
isbn 9783862825301
Автор произведения Jörg Olbrich
Серия Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Издательство Readbox publishing GmbH
Jörg Olbrich
Der Winterkönig
Geschichten des Dreißigjährigen Krieges
Roman
Olbrich, Jörg: Der Winterkönig. Geschichten des Dreißigjährigen Krieges 1. Hamburg, acabus Verlag 2017
1. Auflage
ePub-eBook: ISBN 978-3-86282-530-1
PDF-eBook: ISBN 978-3-86282-529-5
Print: ISBN 978-3-86282-528-8
Lektorat: Laura Künstler, acabus Verlag
Satz: Laura Künstler, acabus Verlag
Cover: © Marta Czerwinski, acabus Verlag
Covermotiv: Soldat: © vitaly tiagunov, fotolia.com; Leinentuch: https://pixabay.com/de/weiß-stoff-vorhang-transparenz-2130332/
Karte: © Annelie Lamers
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund www.readbox.net
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Der acabus Verlag ist ein Imprint der Diplomica Verlag GmbH, Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.
© acabus Verlag, Hamburg 2017
Alle Rechte vorbehalten.
Prag, 23. Mai 1618
»Was ist das für ein Lärm?«, schrie Jaroslav Borsita Martinitz und schlug ärgerlich mit der Faust auf den Tisch.
Philipp Fabricius fuhr erschrocken zusammen und warf dabei mit dem Ärmel seines schwarzen Mantels fast das Tintenfass vor sich um. Es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, das Gefäß festzuhalten, bevor es über die Kante fiel und den kostbaren Marmorfußboden der böhmischen Hofkanzlei in der Prager Burg verschmutzte. Er sah den königlichen Statthalter vorwurfsvoll an, den das allerdings nicht zu interessieren schien. Wie immer, wenn sich Martinitz durch irgendetwas gestört fühlte, drehte er nervös mit dem Zeigefinger an den fingerlangen Barthaaren.
»Bei diesem Krach kann man unmöglich arbeiten«, pflichtete Wilhelm Slavata, der oberste Landrichter, seinem Freund bei.
»Fabricius, geh und schau nach, was dort unten im Gange ist«, befahl Martinitz. Der Statthalter rutsche unruhig auf seinem Stuhl vor und fuhr sich mit der knochigen rechten Hand über den kahlen Schädel.
Philipp wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als der Aufforderung von Martinitz zu folgen. Trotz seiner für diese Jahreszeit viel zu dicken Kleidung fror der Sekretär der königlichen Statthalter entsetzlich. Pflichtbewusst war er den vier Statthaltern Martinitz, Slavata, Ladislaus von Sternberg und Diepold von Lobkowitz am Morgen nach der Kirche in das Amtszimmer gefolgt, obwohl er spürte, wie das Fieber seinen Körper gepackt hielt. Sein normalerweise lockiges, schwarzes Haar klebte ihm in klumpigen Strähnen am Kopf, und er sah alles um sich herum wie durch einen nebligen Schleier. Philipp betete darum, dass die heutige Sitzung ein schnelles Ende finden würde und er sich bald in seinem Bett verkriechen konnte, hatte aber die düstere Vorahnung, dass daraus nichts werden würde.
In diesem Moment flog die schwere Holztür der Ratsstube mit einem Knall auf und schlug krachend gegen die Wand. Sofort stürmte eine Horde wütender und bewaffneter Männer in den Raum. Sie sprang über die drei Besucherbänke vor den Statthaltern auf diese zu. Spätestens jetzt bereute Philipp es, an diesem Morgen nicht in seiner Kammer geblieben zu sein. Er hätte einen Verweis bekommen, wenn er nicht zum Dienst erschienen wäre, fürchtete aber, dass das was nun folgen würde, wesentlich schlimmer für ihn ausgehen konnte.
»Was fällt Euch ein, einfach so hier hereinzustürmen«, schrie Martinitz und sprang so heftig auf, dass er dabei mit seinem gewölbten Bauch fast den Tisch umstieß, an dem er saß.
»Das werdet Ihr gleich erfahren«, antwortete Matthias von Thurn. Wie ein Richter stand der grauhaarige Graf vor den königlichen Beamten und deutete mit dem Finger auf sie. »Ergreift sie und schafft sie nach draußen.«
Die vier Statthalter wollten ihre Waffen ziehen, wurden aber von der Menge regelrecht überrannt, bevor sie zu einer Gegenwehr fähig waren. Auch Philipp wurde gepackt und von den Männern aus dem Raum heraus in den breiten Flur gezogen, in dem normalerweise die Bittsteller warteten.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Martinitz mit sich überschlagender Stimme.
»Ihr seid zu weit gegangen«, antwortete von Thurn. »Heute werdet Ihr für Eure Taten zur Rechenschaft gezogen. Die Zeit der Unterdrückung der protestantischen Stände ist nun vorbei.«
Philipp sah sich um und erkannte, dass die Eindringlinge überall standen. Von unten drängten sich weitere Männer über die Treppe nach oben. Fast alle hatten die Hände an ihren Waffen und waren bereit, diese sofort gegen die Statthalter einzusetzen, sollte es denn nötig sein. Eine Flucht war ausgeschlossen. Philipp hoffte, dass von Thurn ihn gehen lassen würde. Schließlich protokollierte er die Versammlungen der Statthalter lediglich und war nicht für ihre Taten verantwortlich. Dabei wusste er nur zu gut, dass die Horde ihre Revolte gegen die Hofkanzlei nicht ohne Grund durchführte.
Der Sekretär schaute zu Martinitz und Slavata. Beide Männer waren erbleicht. Von dem anfänglichen Selbstbewusstsein, mit dem sie sich gegen die Angreifer gestellt hatten, war nichts mehr übrig geblieben. Unruhig ließen sie ihre Blicke über die endlos erscheinende Gruppe der Eindringlinge schweifen. Ladislaus von Sternberg und Diepold von Lobkowitz hatten sich erst gar nicht gegen von Thurn und seine Mannen gewehrt und standen lethargisch im Flur, als ginge sie der Aufstand der Stände nichts an.
Graf von Thurn hob die Hände und brachte die wild durcheinander schreiende Menge so zum Schweigen. Er sprach mit lauter Stimme, so dass ihn jeder im Flur hören konnte: »Seit der Regentschaft von König Ferdinand werden die Rechte der protestantischen Stände in Böhmen mit Füßen getreten. Selbst vor der Zerstörung unserer Kirchen schreckten die Jesuiten nicht zurück. Dies war ein klarer Verstoß gegen den Majestätsbrief, der von Kaiser Rudolf II im Jahr 1609 ausgestellt und später von Kaiser Matthias bestätigt worden ist.«
Während die meisten Anwesenden die Worte ihres Rädelsführers nickend bestätigten, erschrak Philipp bis ins Mark. Er kannte das von Graf von Thurn angesprochene Dokument, in dem den böhmischen Landeseinwohnern eine freie Religionswahl und der Aufbau einer protestantischen Kirchenorganisation erlaubt wurde. Selbst der Bau von evangelischen Kirchen auf den königlichen Kammergütern war gestattet worden. Wenn sich die Statthalter von Prag nun tatsächlich offen gegen diesen Majestätsbrief gestellt haben sollten, würde ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert sein. Philipp wusste nur zu gut, dass auch er dann kaum noch mit heiler Haut davonkommen konnte.
»Um unser Recht durchzusetzen, haben wir uns in einem Protestschreiben an Kaiser Matthias gewandt«, fuhr von Thurn fort. »Doch in Wien fand unser Anliegen kein Gehör. Im Gegenteil, dem protestantischen Adel wurde verboten, weitere Ständeversammlungen abzuhalten. Der Kaiser drohte uns sogar mit dem Verlust des Leibes und der Ehre, wenn wir seine Anordnung nicht befolgen. Es stellt sich uns nun die Frage, was Matthias dazu brachte, von seinem Weg abzuweichen und sich gegen den Majestätsbrief zu stellen, den er selbst bestätigt hat. Von den anwesenden Statthaltern wollen wir wissen, ob sie von dem kaiserlichen Schreiben gewusst haben oder gar dazu rieten und es approbierten.«
Der Flur schien sich während der Worte von Graf von Thurn weiter gefüllt zu haben. Die Männer standen dicht gedrängt und schoben sich gegenseitig immer weiter vor. Philipp hatte