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nur die Namen der Arzneipflanzen. Könnt Ihr mich das lehren?«

      Sie als Laienschwester betete das Vaterunser und den Rosenkranz auf Deutsch. Die Chorschwestern sangen auf Latein, und auch die Tischgebete wurden auf Latein gesprochen.

      Verblüfft sah Katharina das Mädchen an. »Ich denke, das kann ich schon«, erwiderte sie bedächtig, »ich werde aber zuerst mit unserer ehrwürdigen Äbtissin darüber sprechen.«

      Äbtissin Maria Ignatia entsprach Helenas Wunsch, nur sollte sie darüber hinaus ihre täglichen Arbeiten nicht vernachlässigen. So lehrten die Schwestern sie nicht nur die Worte, sondern brachten ihr auch Lesen und Schreiben bei. Die Buchstaben konnte sie schon, da ihr Freund von der Pfarrschule ihr diese bereits gezeigt hatte. Je mehr Helena lernte, desto größer wurde ihr Wissensdurst. Eine völlig neue Welt erschloss sich ihr, als ihr das Lesen immer leichter fiel. Weltliche Bücher gab es im Kloster nicht, aber in der Klosterchronik zu lesen und zu erfahren, was viele Jahre vor ihrer Geburt vor Ort geschehen war, empfand Helena als ungemein packend.

      »Möchtest du dich im Illustrieren versuchen?«, lächelte Schwester Innocentia, als sie sich im Skriptorium dem Tisch näherte, an dem Helena saß und wie selbstvergessen auf einem kleinen Stück Papier eine Bordüre malte.

      Helena sah auf, verdeckte beschämt ihr Werk mit der gewölbten Hand, um die Tinte nicht zu verwischen. »Ich bitte um Vergebung, aber ich habe die Seite, die Ihr mir zum Kopieren aufgegeben habt, schon fertig. Und ich wollte nur versuchen, ob auch ich so schön malen und verzieren kann wie Schwester Agatha.«

      »Lass sehen, was du gemalt hast«, forderte Innocentia.

      Helena hob die Hand, damit die Schwester einen Blick auf das Papier werfen konnte.

      »Das ist wunderbar«, flüsterte die Nonne ergriffen. »Du besitzt eine Gabe, Helena.«

      Auf dem kleinen Stück Papier waren verschlungene Blätterranken zu sehen, zwischen denen winzige Rosenblüten hervorlugten. Kleine Schmetterlinge flatterten um die filigranen Blüten, auf einem herzförmigen Blatt entdeckte Schwester Innocentia eine Schnecke.

      »Aber so gut wie Schwester Agatha werde ich nie malen können«, seufzte Helena.

      Die Nonne war zwar ganz anderer Meinung, behielt diese aber für sich. »Das Malen bereitet dir Freude, nicht wahr?«

      Helena nickte stumm.

      »Was meinst du, soll ich mit unserer ehrwürdigen Äbtissin sprechen, ob du mehr Zeit im Skriptorium verbringen darfst, um mehr Übung zu bekommen?«

      Die Versuchung war groß, aber Helena liebte auch die Arbeit im Kräutergarten. Zudem fühlte sie sich Schwester Katharina verpflichtet, die sich damals dafür eingesetzt hatte, dass Helena im Kloster bleiben durfte.

      »Nein«, antwortete Helena schließlich, »es gibt noch so viel im Garten zu tun, bevor der Winter kommt, und ich möchte Schwester Katharina nicht im Stich lassen. Aber ich danke Euch für Eure gute Absicht.«

      Ein schelmisches Funkeln schlich sich in Schwester Innocentias Augen. »Sehr rücksichtsvoll von dir. Und im Winter wirst du auf jeden Fall mehr Zeit finden, denn dann gibt es im Garten kaum etwas zu tun.« Sie nahm das bemalte Papier an sich und verschwand mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen.

      Am nächsten Tag bestellte Äbtissin Maria Ignatia die Laienschwester nach der Sext zu sich.

      »Mir wurde zugetragen, Gott hat dir ein Talent mitgegeben. Und in der Tat, das hast du.«

      Sie klopfte vorsichtig mit dem rechten Zeigefinger auf ein Stück Papier, das vor ihr auf dem Tisch lag. Helena erkannte ihre Zeichnungen.

      »Schwester Innocentia«, stellte sie mit leiser Stimme fest und schlug die Augen nieder.

      »Ja, ganz recht. Ich wünsche, dass du mehr Zeit im Skriptorium verbringst, um deine Kunstfertigkeit zu verbessern.«

      »Aber …«, traute sich Helena zu sagen, wurde jedoch sofort unterbrochen.

      »Widersprich mir nicht! Ich weiß, was du sagen möchtest. Schwester Innocentia hat mich darüber unterrichtet, dass du Schwester Katharina nicht im Stich lassen willst. Das ehrt dich, und nichts anderes habe ich von dir erwartet. Mehr Zeit im Skriptorium bedeutet nicht, du sollst gar nicht mehr im Garten arbeiten. Ich besitze seit einiger Zeit die Kopie einer Handschrift, die von der Benediktinerin Hildegard von Bingen stammt. ›Causae et Curae‹ soll auch von uns kopiert werden, und ich wünsche deine Mithilfe bei den Illustrationen.«

      Helena wusste nicht, was sie sagen sollte. Was für eine Aufgabe! Und wie viel sie dabei lernen konnte! Alles über die Entstehung und Behandlung von Krankheiten, was Hildegard von Bingen zusammengetragen hatte. Schwester Katharina hatte Helena von der klugen Heilerin, die vor langer Zeit gelebt hatte, erzählt. Freudentränen traten in Helenas Augen, und sie spürte einen Kloß im Hals. Unvermittelt sank sie auf die Knie, berührte mit den Lippen den Saum des Gewandes der Äbtissin.

      »Ich danke Euch, ehrwürdige Mutter«, brachte sie mit erstickter Stimme hervor.

      »Steh auf, mein Kind«, sagte Äbtissin Maria Ignatia sanft, »Gott hat dich zu uns gesandt, weil er wollte, dass deine Gabe nicht vergeudet wird.«

      So half Helena nicht nur im Kräutergarten, sondern malte und zeichnete Pflanzen und deren für die Medizin verwendete Teile. Helena erlernte Dinge, von denen sie nie zu träumen gewagt hätte. Als Kind aus armen Verhältnissen lesen und schreiben und Latein lernen zu dürfen, war ein wahres Gottesgeschenk. Stumm dankte sie jeden Abend auf Knien ihrem Schöpfer, den Schwestern und der Äbtissin, bevor sie ihren Kopf auf das einfache Lager sinken ließ.

      Noch Wochen später, nachdem der Medicus den Winzer zusammengeflickt hatte, packte Cuntz die Wut, wenn er an Helena dachte. Sein Bein würde nie wieder so beweglich sein, und der Schmerz war sein ständiger Begleiter. Er verfluchte den Medicus, den er einen Quacksalber schimpfte, obwohl es seine eigene Schuld war, wenn er nun den Rest seines Lebens hinkte. Entgegen den Anordnungen hatte er sich viel zu früh und viel zu viel bewegt. Die Wunde war zwar gut verheilt, aber durch die ständige Unruhe hatte der Muskel nicht ordentlich zusammenwachsen können, und darüber hinaus zierte seinen Oberschenkel nun eine hässliche Narbe.

      Sein erster Ritt führte ihn nach Neckargemünd, wo er Wigbert aufsuchte. Am Tag nach seiner Verwundung war jedem das Verschwinden der jungen Magd aufgefallen, und Cuntz’ Erklärung lautete, sie hätte sich einfach aus dem Staub gemacht. Aber dies würde er keinesfalls hinnehmen und sich selbst darum kümmern, sie zurückzuholen, sobald er wieder in der Lage dazu war. Schließlich sollte sie die Schulden ihres Vaters bei ihm abarbeiten.

      Er fand Wigbert auf einem Feld, das er gemeinsam mit seinem Sohn Siegfried beackerte. Zuvor war Cuntz bei der armseligen Kate gewesen und hatte dort niemanden angetroffen. Eine Nachbarin hatte ihm geraten, es auf den Feldern vor den Stadttoren zu versuchen. Cuntz war es herzlich egal, als er sah, wie der Tagelöhner mühsam die zweite Heumahd einbrachte und ritt rücksichtlos ein paar Garben um.

      »Herr, haltet ein«, brüllte Wigbert entsetzt, als er den Reiter über das Feld galoppieren sah.

      Sein Augenlicht war schwach, daher konnte er den Reiter nicht gleich erkennen. Erst als dieser sein Pferd im letzten Moment zügelte und vor ihm zum Stehen brachte, wusste der Bauer Bescheid. Die Flanken des Pferdes bebten von dem scharfen Ritt, die Nüstern waren bis aufs Äußerste gebläht, der Körper schweißbedeckt und vom Maul troff weißer Schaum.

      »Wo ist sie?«, herrschte Cuntz den Tagelöhner an und stieg vom Pferd. Ein stechender Schmerz durchfuhr sein linkes Bein.

      »Wo ist wer? Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen«, antwortete Wigbert und bekam weiche Knie, als er den Zorn in Cuntz’ Augen sah.

      »Stell dich nicht dümmer, als du bist. Helena, dieses kleine Biest.«

      »Aber wieso, du hast sie doch mitgenom…« Wigbert dämmerte, was geschehen sein musste. Seine Tochter hatte offenbar die Beine in die Hand genommen und das Weite gesucht. Und natürlich schlussfolgerte Cuntz, Helena wäre nach Hause gerannt.

      »Sie

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