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Morgen kommt der Weihnachtsmann. Andreas Scheepker
Читать онлайн.Название Morgen kommt der Weihnachtsmann
Год выпуска 0
isbn 9783839264485
Автор произведения Andreas Scheepker
Жанр Триллеры
Издательство Автор
»Und mit wem verbringt der Tennislehrer jetzt seine Kuscheltage?«, wollte Gerrit wissen.
»Mit Beverlys Bruder. So, und nun muss ich mich wieder um meine Bücher kümmern.«
Erinnerungen
In Gedanken ging er den Plan für heute Abend noch einmal durch. Leiser Zweifel überkam ihn. War es richtig, was er sich zu tun vorgenommen hatte? Auf einmal sah er die Szene wieder ganz deutlich vor sich.
Plötzlich spürte der Junge einen harten Griff in seinem Nacken. Der heftige Schmerz erschreckte ihn so, dass er etwas von der Milch verschüttete, mit der er den kleinen Hund füttern wollte.
»Wem soll ich das Genick umdrehen? Dir oder deinem Köter?«
Der kleine Hund leckte ihm mit seiner weichen Zunge die Milchtropfen von den Fingern.
Die eiserne Hand packte noch stärker zu. »Hörst du nicht, wenn dein Vater mit dir redet?«
»Hör auf, das tut weh! Lass mich los«, schluchzte er.
Mit einem Mal ließ die Hand los und gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken.
Gerade, als der Junge dem Welpen die Schüssel Milch zuschob, bückte sich der Mann blitzschnell, packte den Hund, drehte ihm das Genick um und schleuderte das kleine Tier ins Gebüsch.
Als der Junge den Hund am Abend im Garten begraben hatte, stand plötzlich die Mutter neben ihm.
»Das hast du schön gemacht, mein Junge. Am besten wir sagen ihm gar nichts davon, sonst regt er sich wieder auf.« Mit dem Fuß zertrat sie den kleinen Erdhügel, den der Junge glattgeklopft hatte. Sie strich dem Jungen über die Haare und sagte: »Sei nicht traurig. Das Beste ist, wenn er das hier gar nicht mitbekommt. Wir wissen ja, wo dein kleiner Hund ist. Das ist unser Geheimnis.«
Auch nach über fünfzig Jahren wusste er noch genau, an welcher Stelle im Garten er damals den kleinen Hund begraben hatte. Und er spürte die Hand in seinem Nacken. Auf einmal war es ihm egal, ob es richtig war, was er für heute Abend plante. Es war auf jeden Fall das, was er tun wollte.
Verknobelung
Theo Seifert hatte Glück an diesem Abend. Es war eine alte Tradition, dass am Vorabend des Nikolaustages in ostfriesischen Gaststätten mit einem kleinen Einsatz um Preise wie Torten, Kuchen, Geflügel, Schinken, Würste und andere Lebensmittel gewürfelt wurde. »Verknobeln« hieß dieser Brauch.
Seifert hatte wie jedes Jahr an der großen Nikolaus-Verknobelung in der Gaststätte Norder Wappen teilgenommen. Mit einem Schinken, zwei großen Mettwürsten und einem Hasenbraten in seiner vollgepackten Aktentasche machte er sich auf den Nachhauseweg.
Die frostkalte Luft schlug ihm wie eine Ohrfeige ins Gesicht, als er aus der überhitzten und verräucherten Gaststätte nach draußen kam. Er war nicht mehr daran gewöhnt, so viel zu trinken. Er blieb einen Moment vor der Tür stehen, hörte das Stimmengewirr, das Volksmusikgedudel und dazwischen die Zurufe und Kommentare der Leute zum Würfelspiel.
Er nickte sich selbst ermunternd zu und ging los. Von hier aus war es höchstens eine Viertelstunde zu Fuß nach Haus. Vom Glockenturm der Ludgerikirche schlug es elfmal.
Das Licht wurde gerade in diesem Moment abgeschaltet. Er ging weiter, stolperte und ließ seine Aktentasche fallen. War seine Glückssträhne zu Ende?
Seifert hob die Tasche auf und dachte daran, wie lang es her war, dass er mit seiner Familie Weihnachten gefeiert hatte. Wie mochte es seiner Frau gehen? Seine beiden Töchter würden zu Weihnachten sicher wieder nur eine Ansichtskarte aus dem Ski-Urlaub schreiben.
Er spürte das Gewicht der Tasche. Immerhin war für einen reich gedeckten Tisch an den Festtagen gesorgt, tröstete er sich und setzte seinen Weg fort. Er hörte schlurfende Schritte. Folgte ihm jemand? Als er sich umdrehte, sah er jemanden in einer Lohne verschwinden.
Nach ein paar Minuten kam Seifert in die Straße, in der er und seine Nachbarn vor etwa vierzig Jahren fast gleichzeitig ihre Häuser gebaut hatten. Eine nette Nachbarschaft, bis ihr hier eingezogen seid, dachte er, als er am Haus der Fischers vorbeiging. Alles war dort dunkel, scheinbar war niemand zu Hause.
Theo Seifert öffnete seine Gartenpforte und suchte dann in allen Taschen nach seinem Hausschlüssel, als er hörte, wie Schritte näher kamen. Er drehte sich um. »Ach, du bist es. Ich habe dich fast nicht erkannt. Wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Was machst du denn um diese Zeit hier? Weißt du was, ich mach uns erst einmal einen ordentlichen Grog gegen die Kälte. Halt mal die Tasche, ich schließe uns auf …«
Post
Die Tür zu Theda van Immens Büro stand offen und weder sie noch Kriminalassistent Siebels, mit dem sie das Zimmer teilte, waren da. Kommissar Christian Gronewold vergewisserte sich, dass ihn niemand sah, und ging hinein.
Auf van Immens Schreibtisch lag oben auf dem Aktenstapel ein Brief mit dem Absenderstempel der Polizeibehörde des Fürstlichen Innenministeriums. Gronewold steckte den Brief ein und verließ den Raum.
Sein Kollege lag mit einer schweren Grippe im Bett, so dass er sein Büro schon seit Tagen für sich allein hatte. Er setzte sich an den Schreibtisch und öffnete den Brief. Enttäuscht las er, dass Theda van Immen nur erinnert wurde, ihre neue Bankverbindung anzugeben, damit man ihr Gehalt überweisen könne.
Gronewold schaltete seinen Aktenvernichter ein und ließ zuerst den Brief und dann den Umschlag in das Schneidewerk gleiten. Er sah aus dem Fenster nach draußen.
Auf dem Torfmarkt entließen die Busse gerade die Schülerinnen und Schüler, die in gut gelaunter Müdigkeit zur Berufsschule oder zum Gymnasium gingen. Er beobachtete, wie eine Schülerin von einer anderen in die Hecke geschubst wurde. Seit seiner Schulzeit hatte sich offenbar nicht viel geändert.
Da sah er plötzlich, dass noch zwei andere Schülerinnen dazukamen und ein paarmal mit den Füßen nach dem Mädchen in der Hecke traten.
Christian Gronewold schaltete den Aktenvernichter aus.
Nikolaus
Theda van Immen bog langsam in das Gewerbegebiet ab. Es hatte wieder gefroren in der Nacht, und die Straßen waren glatt. Nur auf der Norddeicher Straße war gestreut worden. Sie parkte vor der großen Halle, in der ein Bus stand, und stieg aus ihrem gut beheizten Auto.
Ein Mann kletterte aus dem Bus und hielt ihr den Papierkorb hin. Er war fast voll mit Alkopop-Flaschen, Zigarettenschachteln und Papier von Süßigkeiten. »Hier, gucken Sie mal. Das ist das Ergebnis einer Schulbustour. Ich finde, die Lehrer müssten etwas dagegen tun. Die sind doch jeden Tag mit den Kids zusammen.«
»Ich finde, die Busfahrer müssten etwas dagegen tun. Die sind doch auch jeden Tag mit den Kids zusammen.«
»Und wer soll dann den Bus fahren?«
»Und wer soll den Unterricht geben, während die Lehrer Sozialarbeit machen? Vielleicht können ja die Eltern der Kids den Bus und die Schule übernehmen, und Sie machen deren Job.« Theda van Immen lächelte den Fahrer freundlich an.
Der Busfahrer schaute sie einem Moment verdutzt an und grinste dann. »Vielleicht haben Sie gar nicht so unrecht. Bei den Kegelclubleuten, mit denen ich im Sauerland war, sind einige dabei, die drücken ihren Kindern hundert Euro in die Hand, und dann verschwinden sie für ein paar Tage auf Sauftour und lassen ihren Nachwuchs allein. Das kann’s doch nicht sein. Sind Sie die Kommissarin?«
»Theda van Immen«, stellte sie sich vor. »Sind Sie der Taxifahrer, der Tammo Tjarksen fahren sollte?«
»Ja,