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ist nicht, was ich erwartet habe“, sagte sie zu sich selbst.

      Das Haus war sehr still und darin allein zu sein, fühlte sich seltsam an. Sie hatte angenommen, weit mehr zu tun zu haben und mehr in das Leben der Kinder involviert zu werden. Es fühlte sich an, als würde sie wahrhaftig nicht gebraucht werden.

      Sie versuchte, sich zu versichern, dass es noch früh war und sie für die Zeit dankbar sein sollte. Vermutlich war dies nur die Ruhe vor dem Sturm; sobald die Kinder wieder zuhause waren, hätte sie bestimmt genug zu tun.

      Cassie entschied sich, den Hinweis weiterzuverfolgen, den sie am Vortag erhalten hatte. Der unerwartet freie Morgen war möglicherweise ihre einzige Chance, Jacquis Aufenthaltsort herauszufinden.

      Sie hatte nicht viel, lediglich den Namen einer Stadt.

      Aber sie war entschlossen, damit klarzukommen.

*

      Im W-LAN des Hauses verbrachte Cassie eine Stunde damit, die Stadt kennenzulernen, in der Jacqui gelebt hatte – oder zumindest hatte sie das dem Bartender Tim vor einigen Wochen erzählt.

      Bellagio war eine kleine Stadt, was ihr zugunsten kam. In einem kleinen Ort gab es weniger Hostels und Hotels und die Menschen kannten einander besser. Eine hübsche, amerikanische Frau würde auffallen.

      Ein weiterer Vorteil war, dass es sich um ein beliebtes Reiseziel handelte. Bellagio war ein malerischer Ort am Comer See, der fantastische Aussichten, Shops und Restaurants zu bieten hatte.

      Während ihrer Recherche versuchte sie, sich auszumalen, wie das Leben in dieser Stadt wohl sein mochte. Ruhig, malerisch, im Hochsommer voller Touristen. Sie stellte sich Jacqui vor, wie sie möglicherweise in einem kleinen Hotel oder einer Mietswohnung lebte. Vermutlich ein kleines Zuhause mit Blick über die Pflastersteinstraßen, von einer steilen Steintreppe aus zu erreichen. Mit einem Fensterkasten voller bunter Blumen.

      Cassie verbrachte zwei Stunden damit, sich mit dem Ort vertraut zu machen. Sie erstellte eine umfangreiche Liste der Backpacker Lodges und Hostels, inklusive zahlreichen Airbnbs sowie den Agenturen für Mietwohnungen. Sie wusste, dass sie vermutlich einige Unterkünfte übersehen hatte, hoffte aber, gute Chancen zu haben.

      Dann war es Zeit, die Anrufe zu tätigen.

      Ihr Mund war trocken. Die Liste zusammenzustellen, hatte ihr Hoffnung gemacht. Jeder Name und jede Nummer präsentierten eine neue Chance. Jetzt würden ihre Hoffnungen nacheinander wieder zerschlagen werden, während die Liste der Unterkünfte immer kleiner wurde.

      Cassie wählte die erste Nummer, ein Gästehaus im Stadtzentrum.

      „Hallo“, sagte sie. „Ich bin auf der Suche nach einer Frau mit dem Namen Jacqui Vale. Sie ist meine Schwester. Ich habe mein Handy verloren und kann mich nicht daran erinnern, wo sie unterkommen wollte. Ich bin jetzt selbst in Italien und würde mich gerne mit ihr treffen.“

      Obwohl das nicht der Wahrheit entsprach, hatte Cassie sich für diesen plausiblen Grund für ihren Anruf entschieden. Sie wollte nicht ihre lange und komplizierte Geschichte erzählen, da sie fürchtete, Ungeduld oder gar Argwohn zu verursachen.

      „Sie hat möglicherweise unter dem Namen Jacqueline gebucht. Das müsste innerhalb der letzten zwei Monate gewesen sein.“

      „Jaqueline?“ Kurz war es still und Cassies Herzschlag beschleunigte sich.

      Dann zerbarsten ihre Hoffnungen, als die Frau antwortete: „Wir hatten keine Gäste mit diesem Namen.“

      Cassie bemerkte schnell, wie aufwendig und frustrierend ihr Vorhaben war. Einige der Gästehäuser weigerten sich, ihr aufgrund von Datenschutzgründen weiterzuhelfen. Andere waren beschäftigt und wollten zu einem anderen Zeitpunkt kontaktiert werden.

      Sie arbeitete ihre Liste ab, bis sie fast das Ende erreicht hatte. Nur drei Nummern verblieben, danach würde sie aufgeben müssen.

      Sie wählte die drittletzte Nummer, frustriert, als verspotte Jacqui sie mit ihrer Ausweichlichkeit.

      „Posso aiutarti?“, fragte der Mann am anderen Ende der Leitung.

      Cassie hatte gelernt, dass dieser Ausdruck ‚Kann ich Ihnen helfen?‘ bedeutete, doch der Mann klang überhaupt nicht, als wolle er das tun. Sein Ton war ungeduldig und gestresst, als hätte er einen schlechten Tag hinter sich. Cassie vermutete, dass er ihr aufgrund von Datenschutzgründen nicht weiterhelfen würde. Das würde er sagen, um sie aus der Leitung zu werfen, weil er Gäste hatte, die warteten oder selbst das Haus verlassen wollte.

      „Ich suche nach Jacqui Vale. Sie ist meine Schwester. Ich hatte vor, mich mit ihr hier in Italien zu treffen, aber mir wurde gestern das Handy gestohlen und ich kann mich nicht daran erinnern, wo sie untergekommen ist.“

      Cassie hatte das Drama-Level ihrer Story erhöht und hoffte auf mehr Sympathie.

      „Ich telefoniere herum, um sie ausfindig zu machen.“

      Sie hörte, wie der Mann auf der Tastatur tippte.

      Dann fiel sie fast von Stuhl, als er antwortete. „Ja, eine Jacqui Vale hat bei uns gewohnt. Sie war etwa zwei Wochen lang hier und ist dann in eine Wohngemeinschaft gezogen. Ich glaube, sie hat in der Nähe gearbeitet.“

      Cassies Herz hüpfte. Dieser Mann kannte sie – hatte sie gesehen, mit ihr gesprochen. Das war ein großer Fortschritt in ihrer Suche.

      „Ich erinnere mich nun, dass sie Teilzeit in einer Boutique um die Ecke gearbeitet hatte. Mirabella’s. Hätten Sie gerne die Nummer?“

      „Das ist fantastisch. Ich kann nicht glauben, dass ich sie ausfindig machen kann“, sprudelte Cassie. „Vielen Dank. Bitte geben Sie mir die Nummer.“

      Er suchte ihr die Nummer heraus und sie schrieb sie auf. Ihr war schwindelig vor Aufregung. Ihre Suche war von Erfolg gekrönt gewesen: Sie hatten den Arbeitsplatz ihrer Schwester gefunden. Die Chancen standen gut, dass sie noch immer dort arbeitete.

      Mit zitternden Händen und stockendem Atem wählte sie die Nummer, die der Mann ihr gegeben hatte.

      Eine ältere, italienische Frau nahm ab und Cassie war kurz enttäuscht, nicht direkt mit Jacqui zu sprechen – denn genau das hatte sie sich ausgemalt.

      „Was kann ich für Sie tun?“, fragte die Frau mit stark akzentuiertem Englisch, sobald sie etabliert hatte, dass Cassie kein Italienisch sprach.

      „Spreche ich mit Mirabella?“

      „Das tun Sie.“

      „Mirabella, mein Name ist Cassie Vale. Ich versuche meine Schwester, Jacqui, ausfindig zu machen. Ich habe vor geraumer Zeit den Kontakt zu ihr verloren, habe aber herausgefunden, dass sie für Sie gearbeitet hat. Ist sie zufällig noch immer dort? Oder könnten Sie ihr meine Nummer geben?“

      Es wurde still.

      Cassie malte sich aus, wie Mirabella Jacqui zum Telefon herüberwinkte und war enttäuscht, als die Frau selbst erneut das Wort ergriff.

      Sie sprach mit kurzem und geschäftsmäßigem Bedauern.

      „Tut mir leid, aber Jacqui Vale ist tot.“

      Dann klickte es in der Leitung und der Anruf wurde beendet.

      KAPITEL NEUN

      Cassie ließ das Telefon fallen. Das Handy glitt ihr aus der Hand und landete auf dem Schreibtisch. Sie bemerkte es nicht einmal. Die schockierende Botschaft hatte sie gelähmt.

      Sie hatte gerade erfahren, dass Jacqui tot war.

      Die Boutique-Besitzerin hatte diese Worte mit harscher und nackter Gewissheit ausgesprochen. Da war kein Raum für Zweifel oder Missverständnis, für Details oder Erklärungen. Nur die kalten, harten Fakten – gefolgt von einem abrupten Verbindungsabbruch.

      Cassie spürte, wie die Schluchzer in ihr aufstiegen. Sie kamen von so tief unten, dass sie sich davor fürchtete, sie hinauszulassen. Denn sie wusste, dass Trauer, Schuld und Selbstvorwürfe nicht aufgehalten werden konnten.

      Ihre Schwester war nicht mehr am Leben.

      Was war geschehen? Verwirrung erfüllte sie, als sie sich daran erinnerte,

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