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Gesicht des Todes. Блейк Пирс
Читать онлайн.Название Gesicht des Todes
Год выпуска 0
isbn 9781094305646
Автор произведения Блейк Пирс
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Lukeman Literary Management Ltd
Obwohl sie das wusste, konnte Zoe nicht anders, als ihre neue Partnerin ebenfalls zu mögen.
„Was wissen wir bis jetzt?“ fragte Zoe.
Shelley blätterte durch den in einer Mappe steckenden Papierstapel in ihren Händen. „Der Sträfling ist aus dem Tent City Gefängnis in Phoenix abgehauen“, sagte sie. Die Wüste von Arizona raste außerhalb des Autos vorbei. „Zu Fuß. Das hat ihn anscheinend nicht behindert. Wir wissen bisher von drei Morden.“
„Wachen?“ fragte Zoe. Ihre Gedanken rasten vorwärts. Sie berechnete die Meilen, die ein Mann in dieser Hitze zu Fuß hinter sich bringen konnte. Ohne Rast, Unterkunft und Wasser kam man nicht weit. Wenn die nachgebende Oberfläche von Sand mit einberechnet wurde, war es noch weniger.
„Nein, zufällige Personen. Zuerst zwei Anhalter.“ Shelley hielt inne, sog den Atem durch die Zähne ein. „Die Morde waren allen Anzeichen nach … brutal. Das letzte Opfer war ein Tourist auf dem Weg zum Grand Canyon.“
„Und dahin sind wir gerade auf dem Weg“, nahm Zoe an. Die Landkarte der Gegend entfaltete sich in ihren Gedanken, zeigte die Straßen und Wege an, die jedes Opfer wahrscheinlich genommen hatte, bevor es mit dem Täter zusammengetroffen war.
„Richtig. Sieht so aus, als ob wir uns auf was gefasst machen müssen.“
Zoe nickte stumm. Sie hatte bemerkt, dass es für Leute wie Shelley schwerer war, an einem Tatort aufzutauchen und die Leiche des Opfers zu sehen. Sie spürten die Schmerzen und das Leid, die verursacht worden waren. Zoe sah immer nur einen Körper – Fleisch. Fleisch, das vielleicht Hinweise für die Ermittlung beinhaltete, und die Schilder mit Nummern, die es umgaben.
Das war es wahrscheinlich, was es ihr überhaupt erst ermöglicht hatte, alle Aufnahmeprüfungen zu bestehen und ein Special Agent zu werden – ruhig und kontrolliert zu bleiben, die Fakten anstelle der Gefühle zu analysieren. Aber ihr ruhiges Wesen und ihre Angewohnheit, sich hinter einer ausdruckslosen Miene zu verstecken, waren der Grund, dass sie einen neuen Partner gebraucht hatte. Anscheinend hatte ihr letzter Partner Zoe für zu ruhig und unnahbar gehalten.
Bei ihrem ersten Fall mit Shelley hatte sie versucht, diesem Eindruck entgegenzuwirken, indem sie zwei Kaffee in Styroporbechern gekauft und ihrer Partnerin beim Aufeinandertreffen einen davon gegeben hatte; in Anerkennung eines anscheinend uralten Rituals unter Kollegen. Es schien gut angekommen zu sein. Shelley war umgänglich genug für sie beide, weshalb Zoe hoffte, dass dies tatsächlich funktionieren würde.
Es war nicht schwer, die Stelle zu finden. Örtliche Polizisten liefen in ihren Uniformen in der heißen Sonne, eine glühende Grausamkeit, die intensiv auf ihre nackten Arme herunterbrannte, sobald Zoe das klimagekühlte Auto verließ. Wenn Haut nicht geschützt war, verbrannte sie innerhalb von fünfundvierzig Minuten. Bis sie wieder ins Auto stieg, würden ihre Wangen, Nase und Hände schon leicht gebräunt sein.
Shelley stellte sie vor und sie zeigten beide dem verantwortlichen Polizisten ihre Marken, bevor sie sich dem Tatort näherten. Zoe hörte nur mit halbem Ohr zu, war froh, Shelley übernehmen zu lassen. Auch wenn Zoe die ranghöhere Beamtin war, störte es sie nicht, wenn Shelley sich in den Vordergrund stellte. Zoe sah sich bereits um, suchte nach dem Schlüssel, der ihr alles eröffnen würde. Shelley nickte ihr zu, in stiller Vereinbarung, dass sie sich um die örtliche Polizei kümmern würde, während Zoe die Umgebung untersuchte.
„Ich glaub nicht, dass Sie viel finden werden“, sagte der Chief gerade. „Wir haben schon alles so gründlich wie möglich durchsucht.“
Zoe ignorierte ihn und setzte ihre Untersuchung fort. Sie konnte manche Dinge sehen, die anderen entgingen. Dinge, die ihr wie mit riesigen Buchstaben angekündigt erschienen, aber für normale Leute unsichtbar waren.
Das war ihr Geheimnis, ihre Superkraft. Sie sah seine Fußabdrücke im Sand und die Berechnungen erschienen neben ihnen, teilten ihr alles mit, was sie wissen musste. Es war so einfach wie das Lesen eines Buches.
Sie hockte sich leicht hin, sah sich die am nächsten liegenden Abdrücke genauer an, betrachtete, wie sie sich von der Leiche des Opfers entfernten. Die Schrittlänge zeigte ihr, dass der Täter 1,85 m groß war. Die Tiefe der Fußspuren wies deutlich auf ein Gewicht um die fünfundneunzig Kilo hin. Er war gleichmäßig gelaufen, hatte sich vor dem Angriff dem Opfer mit einer Geschwindigkeit von 3,8 Meilen pro Stunde genähert, das sagte ihr der Abstand zwischen den Abdrücken.
Zoe beugte sich vor, untersuchte als nächstes die Leiche. Der Sträfling hatte eine neunzehn Zentimeter lange Klinge benutzt, die er von oben in einem Winkel von neunundvierzig Grad in den Körper gerammt hatte. Geflohen war er in nordwestlicher Richtung, in einem schnelleren Lauftempo von 5,9 Meilen pro Stunde.
Das Blut im Sand verriet ihr, dass es weniger als vier Stunden her war. Die Berechnungen waren einfach. Zoe ging von der durchschnittlichen Ermüdungsrate aus, zog die Hitze an diesem Tag in ihre Berechnungen ein und blinzelte in die Ferne, stellte sich die genaue Entfernung vor, in der sie ihn finden würden. Ihr Herz schlug schneller, als sie vor ihrem geistigen Auge sah, wie sie ihn schnappen würden. Sie würden ihn leicht einholen. Schon ermüdet, ohne Wasser und ohne die geringste Ahnung, dass sie seine Verbrechen bereits entdeckt hatten. Das hier würde schnell vorbei sein.
Ihre Aufmerksamkeit wechselte zu den Büschen und kleinen Bäumen, die etwas entfernt wuchsen, unregelmäßig verteilt und somit einem Menschen nicht genügend Schutz bietend. Sie sah die Entfernung zwischen ihnen, Zahlen erschienen vor ihren Augen, teilten ihr die Geschichte hinter dem Muster mit. Weit voneinander verteilt, wenige natürliche Ressourcen. In Grüppchen, die Wurzeln auf der Suche nach einer unterirdischen Wasserquelle und nährstoffreichem Boden. Dem unerfahrenen Auge mochten sie zufällig erscheinen, aber der Standort jedes einzelnen Gewächses beruhte auf Planung. Der Planung der Natur.
„Was gefunden?“ fragte Shelley. Sie sah gespannt aus, als ob sie darauf wartete, dass ihre erfahrenere Partnerin alles auflöste.
Zoe sah auf, zuckte schulbewusst zusammen. Sie stand auf und schüttelte rasch den Kopf. „Ich nehme an, er ist da lang gelaufen“, sagte sie und zeigte in die offensichtliche Richtung seiner sich entfernenden Fußabdrücke. Ziemlich weit entfernt sah man eine Felsnase, ein guter Ort für eine Rast. Die Formation verriet ihr etwas über Windmuster, über tausende von Jahren der Aushöhlung und Formung. „Vielleicht wird er dort im Schatten eine Pause machen. Es ist ein heißer Tag.“
Ein Geheimnis war ein Geheimnis. Auf gar keinen Fall konnte sie zugeben, was sie wusste. Auf keinen Fall konnte sie laut aussprechen, dass sie ein Freak war, die Welt auf eine Weise begriff, wie es niemand anders tat. Oder den Rest zugeben – dass sie auch nicht verstand, wie die anderen die Welt sahen. Aber sie konnte ihnen wenigstens das geben. Die Art Hinweis, die auch eine normale Person erkennen würde.
Der Chief räusperte sich und unterbrach. „Wir haben diese Richtung schon erkundet und nichts gefunden. Die Hunde haben die Spur verloren. Dahinten ist der Boden steiniger und man sieht keine Fußabdrücke mehr. Wir nehmen an, dass er einfach weiter geradeaus gerannt ist. Oder sogar von einem Auto mitgenommen wurde.“
Zoes Augen verengten sich. Sie wusste, was sie wusste. Dieser Mann rannte voller Verzweiflung, seine Schritte lang, der Körper nah am Boden, als er sich vorbeugte, um schneller zu sein. Er hatte kein Versteck und er war nicht so weit weg, dass sie ihn nicht finden können würden.
„Tun Sie uns den Gefallen“, schlug Zoe vor. Sie tippte auf das FBI-Siegel auf ihrer Marke, die sie noch in der Hand hielt. Das war ein Riesenvorteil, wenn man ein Special Agent war: man musste sich nicht immer erklären. Man entsprach sogar dem Vorurteil, wenn man es nicht tat.
Shelley hörte auf, Zoes Gesichtsausdruck zu mustern und wandte sich um, um wieder mit dem Chief zu sprechen, ihre Haltung entschlossen. „Schicken Sie uns den Hubschrauber.