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hätten. Er habe einige Jahre der Deutschnationalen Partei[16] nahegestanden, habe sich aber später dem Zentrum zugewandt, dem er ja als Katholik zuneigte, all das seien Bindungen höchst bedeutungsloser Natur gewesen. «Ich erklärte Clotilde wiederhol», fuhr er fort, «dass Übereilung nie meine Sache war und ich meine Gründe hätte zu warten, bis eine gewisse..».

      «Warten? Warten». unterbrach ihn die Baronin, so heiter auflachend, dass es fast unhöflich klang. Ihr helles Lachen klang in der Tat wie das eines jungen Mädchens. «Aber ich bitte Sie, verehrter Freund». sagte sie mit liebenswürdigem Vorwurf. «Wie kann man denn da noch lange zögern! Hören Sie, was der Oberst täglich wiederholt. Er sagt: „Ein Genie ist Deutschland geboren worden, aber die Deutschen haben nie ein Genie erkannt, und auch heute scheint sich bei vielen unserer Landsleute das alte Erbübel zu wiederholen.». Sie sah Fabian noch immer lächelnd an, aber in ihr Lächeln mischte sich schon nachsichtiges Bedauern. «Und dieses Erbübel, mein Freund, ist die tragische Ursache, dass Deutschland heute nicht die Stellung in der Welt einnimmt, die ihm zukommt».

      Fabian errötete.

      «Verzeihen Sie, Baroni», sagte er. Er lehnte sich wieder in den Sessel zurück und führte wortreich aus, dass das Thema viel zu ernst und lebenswichtig sei, als dass man darüber mit flüchtigen Redensarten hinweggehen könne. Er habe lediglich warten wollen, bis die Entwicklung der Dinge ein klares Bild zulasse. Schließlich sei es doch die Pflicht eines jeden einzelnen, seine Überzeugungen zu überprüfen, nicht wahr? Er könnte sonst in den Verdacht der Opportunität kommen, die man heute schon vielen vorwarf. Die beiden Damen nickten. Gewiss habe er recht! Sie drückten durch ihre Haltung die Geneigtheit aus, ihm zuzuhören. Frau von Thünen betrachtete aufmerksam die glitzernden Steine an ihren Fingern und ließ sie leicht im Lichte funkeln. Clotilde nahm eine Zigarette und blies den Rauch aus den zugespitzten Lippen, während sie ihn von der Seite betrachtete.

      «Abgesehen davo», schloss Fabian, der mehr und mehr seine Sicherheit zurückfand, «befand ich mich in einer Lage, die eine besonders reifliche Überlegung erforderte. Ich bin Katholik und Offizier».

      Er hielt inne. Man sah ihm an, dass er seine stärksten Trümpfe ausgespielt hatte.

      III

      Frau von Thünen ließ weiter ihre Ringe funkeln, richtete sie an ihren Fingern und nickte. Dann blickte sie mit ihren kleinen raschen Augen zu Fabian auf.

      «Gewiss, ich versteh», sagte sie. «Ich stamme aus einem Geschlecht von Offizieren und hohen Beamten, nebenbei bemerkt aus gut protestantischem Hause. Die Achtung vor allen Konfessionen liegt uns im Blut», beteuerte sie. «Ich frage mich aber, welche Haltung in der Bewegung – sie sprach stets von der Bewegung, nie von der Partei —, welche antikatholische Haltung konnten Sie denn in der Bewegung entdecken».

      Es war nicht leicht, die Antwort klar und taktvoll zu formulieren. «Es schien mi», sagte Fabian dann, «als ob ich eine positiv christliche Haltung nicht in ihr finden könnte».

      Wieder erstrahlte Frau von Thünens freundlichstes Lächeln. Sie nahm eine Zigarette aus der Schale auf dem Teetisch. «Scheint es Ihnen nicht positiv christlich genu», fragte sie, «dass die Bewegung stark antikommunistisch eingestellt ist? Für mich aber und für viele ist Kommunismus nichts als klarstes Antichristentum». Sie lächelte triumphierend und setzte die Zigarette in Brand.

      Clotilde zuckte die Achseln. Mit einem Lächeln, aber mit einem kühlen Blick auf ihren Gatten, warf sie ein: «Um die Wahrheit zu sagen, macht sich ja Frank nichts aus der katholischen Kirche. Er besucht nur selten eine Messe und geht nicht einmal zur Beichte. Der Katholizismus ist ihm im Grunde völlig gleichgültig». Wiederum ließ sie ihr etwas leeres Lachen erklingen. Sooft Clotilde der Unterstützung eines Anwesenden sicher war, fand sie, wie viele Frauen, den Mut, ihn anzugreifen. In solchen Fällen ging sie sogar oft so weit, ihn zu desavourieren.

      «Du erlaubst, Clotild», entgegnete Fabian höflich, «man kann religiöse Gefühle auch besitzen, ohne Frömmigkeit zu zeigen, nicht wahr».

      Die Baronin nickte. «Natürlic», stimmte sie zu. «Trotz alledem kann ich den Katholizismus nicht gelten lassen, noch weniger aber den Offizier. Sie wissen, mein Mann ist aktiver Militär und Oberst. Ich glaube mich recht zu erinnern, dass Sie Hauptmann der Reserve sind, verehrter Freund».

      Fabian richtete sich unwillkürlich auf, als sie seinen militärischen Rang erwähnte. Er war begeisterter Soldat gewesen und hatte den Weltkrieg mit Auszeichnung mitgemacht.

      «Aber urteilen Sie selbst, Verehrteste», fuhr die Baronin fort, und die Ringe an ihren Händen blitzten, «ging es denn so weiter? Heute streikte die Straßenbahn und morgen das Elektrizitätswerk, und man hatte kein Licht. Wie frech und unverschämt wurden doch die Handwerker! Ein wenig Sozialismus lasse ich mir ja gefallen, aber was zuviel ist, ist zuviel. Heute gibt es das alles nicht mehr. Die Großindustrie hat nicht umsonst Milllionen geopfert, um der Bewegung in den Sattel zu helfen».

      «Die Großindustrie hat es wohl in erster Linie aus patriotischen Gründen getan». warf Fabian ein.

      «Ja gewiss, in erster Linie aus patriotischen Gründen, natürlic», «stimmte die Baronin be».. «Aber das Überhandnehmen des sozialistischen Einflusses spielte natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle. Wo es um Millionen geht, verehrter Freund, da genügen Ideale allein nicht. Die Diktatur der Arbeiter und Gewerkschaften musste ebenfalls gebrochen werden». Die Baronin stieß abermals eine Rauchwolke in die Luft. Die Erregung hatte ihre Wangen gefärbt. «Und Sie, verehrter Freund, Sie sollten zurückstehen? Ein Mann Ihrer Begabung, ich bitte Sie? Das größte Rednertalent der Stadt? Es gibt noch Tausende hier, die sich an Ihre berühmte Rede im Rathaussaal zur Feier der Befreiungskriege[17] erinnern. Und dazu gehöre ich». Sie deutete auf ihre Brust. «Ich».

      Fabian machte eine kleine Verbeugung. «Ihre allzu große Liebenswürdigkeit, Baronin..».

      Aber die Baronin fiel ihm lächelnd ins Wort. «Nein, sagen Sie das nicht! Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen[18]. Auf keinen Fall dürfen Sie, um es geradeheraus zu sagen, zurückstehen. Sie sind es dem Lande schuldig, Sie sind es Clotilde schuldig».

      Clotilde, die hinter der Baronin neuen Tee eingoß, richtete ihre Augen mit kaum erkennbarem Spott auf Fabian. «An mich, Beste, soll er gar nicht denke», sagte sie. «Das erwartet ja kein Mensch von ihm, ich am allerwenigsten. Aber vielleicht wäre es angebracht, ihn an seine beiden Jungen zu erinnern? Ein Vater, sollte man meinen, hat schließlich die Pflicht, an die Zukunft seiner Söhne zu denken».

      Die Erwähnung seiner beiden Jungen, die er leidenschaftlich liebte, brachte Fabian in Verwirrung.

      Die Baronin aber griff das Argument sofort auf. «Einem Vater, der seine Söhne so vergöttert wie unser Freund, braucht man das nicht erst zu sagen, meine Lieb», rief sie aus. «Jeder Mann von einiger Erziehung weiß, dass es seine oberste Pflicht ist, für seine Familie zu sorgen. Denken Sie an den neuen Herrn Taubenhaus, der aus einer winzigen pommerschen Stadt hierhergekommen ist. Denken Sie an Doktor Sandkuhl, der plötzlich Chefarzt des Krankenhauses wurde, denken..».

      Das Telefon klingelte. Clotilde eilte an den Apparat. Es handelte sich um einen Ausflug zu Pferd, der am Nachmittag stattfinden sollte, und Clothilde sagte freudig zu.

      Fabian benützte die Gelegenheit, sich zu erheben. «Denken Si», griff die Baronin den Faden des Gesprächs wieder auf, als Clotilde den Hörer des Telefons ablegte, «denken Sie an den Karpfenwirt! Ja, an ihn denken Sie! Er war ein einfacher Gastwirtssohn, dessen Vater das Wirtshaus „Zum Karpfen“ besaß. Heute ist er, nun, was glauben Sie? Er ist Gauleiter! Ein Fürst, ein unumschränkter Herrscher, mehr als das. Ich werde Ihnen die Geschichte von Hans Rumpf erzählen..».

      Fabian unterbrach sie. Er verbeugte sich. «Ich bedauere unendlich, mich der Gesellschaft der Damen berauben zu müsse», sagte er, «ich habe hundert dringende Geschäfte».

      Er ging rasch durch den Korridor. Das helle Lachen Clotildes schlug an sein Ohr.

      IV

      Fabian verließ rasch das Haus. Mit der gelben

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<p>16</p>

Deutschnationale Partei (Deutschnationale Volkspartei) – немецкая национальная партия, основана в 1918 г.

<p>17</p>

Befreiungskriege – освободительные антинаполеоновские войны 1813-1815 гг.

<p>18</p>

Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. – Нельзя зарывать свой талант в землю.