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und Flanken, über Kopf und Lefzen. Wo immer sie ihn berührten, da entstanden Streifen und Flecken auf seinem gelben Fell. Und diese Streifen tragen seine Kinder noch heute. Als er nun zu der Höhle kam, streckte Angst, der Haarlose, die Hand aus und nannte ihn: ›Der Gestreifte, der nächtens hier herumstreift‹, und der erste Tiger fürchtete sich vor dem Haarlosen und lief heulend zurück nach den Sümpfen.«

      Hier lachte Mogli leise, mit dem Kinn unter Wasser.

      »So laut heulte und schrie er, daß Tha ihn hörte und fragte: ›Was hast du für Kummer?‹ Und der Stammvater der Tiger hob seinen Kopf zu dem eben erst geschaffenen Himmel, der jetzt so alt ist, und rief: ›Gib mir meine Macht zurück, o Tha! Geschändet stehe ich vor allem Volk in der Dschungel, geflohen bin ich vor dem Haarlosen, und er gab mir einen schmachvollen Namen.‹ ›Und weshalb?‹ fragte Tha. ›Weil ich beschmutzt bin mit dem Schlamm der Moräste‹, sagte der erste Tiger. ›Dann geh’ schwimmen‹, sagte Tha, ›und rolle dich im nassen Gras; wenn es Schlamm ist, wird es sicher abgehen.‹ Und der erste der Tiger schwamm umher im Wasser und rollte und rollte sich im Grase, bis die Dschungel sich vor seinen Augen drehte, aber nicht der kleinste Streifen auf seiner Haut verschwand, und Tha, der ihm zugesehen hatte, lachte. Da sagte der erste der Tiger: ›Was habe ich getan, daß dies über mich kommen mußte?‹

      Tha aber sprach: ›Du hast den Bock gemordet und hast so den Tod in die Dschungel gebracht. Nur mit dem Tod kam Angst, daß die Völker in der Dschungel einander fürchten, wie du dich vor dem Haarlosen gefürchtet hast.‹ Der Stammvater der Tiger sagte darauf: ›Mich werden sie niemals fürchten; denn ich kannte sie von Anfang an.’ Tha antwortete: ,Geh’ und überzeuge dich!‹

      Und der erste Tiger rannte umher, laut dem Wild, dem Sambar rufend, dem Stachelschwein und allen Dschungelbewohnern; aber sie flüchteten vor ihm, der ihr Richter gewesen war – – – denn nun kannten sie Angst.

      Da kam der Stammvater der Tiger zurück; sein Stolz war gebrochen, er schlug seinen Kopf gegen den Boden, riß die Erde mit seinen Tatzen auf und sagte: ›Bedenke, o Tha, daß ich einst Herr war über die Dschungel! Vergiß mich nicht! Mache, daß meine Kinder sich immer daran erinnern, daß ich einst ohne Angst war und ohne Schande.‹ Und Tha sagte: ›Dies eine will ich für dich tun, weil du und ich, wir beide gesehen haben, wie die Dschungel entstand. Für eine Nacht in jedem Jahr soll es sein wie vordem, ehe du den Bock getötet hast. In dieser einen Nacht aber, so ihr treffet den Haarlosen – und sein Name ist Mensch –, sollt ihr vor ihm nicht Angst noch Entsetzen verspüren, sondern er soll sich fürchten vor dir und deinem Geschlecht, als wäret ihr noch Richter und Meister der Dschungel. Aber zeige ihm Gnade und Mitleid in dieser Nacht seiner Angst, denn du weißt nun, was Angst ist.‹

      Darauf erwiderte der Stammvater der Tiger: ›Ich bin es zufrieden.‹ Aber als er das nächste Mal trank, sah er im Wasser die schwärzlichen Streifen auf seinen Flanken; und er gedachte des Namens, den der Haarlose ihm gegeben hatte, und war zornig. Ein Jahr lebte er in den Sümpfen und wartete ab, ob Tha sein Versprechen halten würde. Und in einer Nacht, da der Schakal des Mondes, der Abendstern, klar und hell über der Dschungel stand, fühlte er, daß seine Nacht gekommen war, und er ging zu der Höhle, den Haarlosen zu treffen. Das geschah, wie Tha versprochen, denn der Haarlose fiel nieder vor ihm und lag hingestreckt am Boden, und der erste der Tiger schlug ihn und zerbrach ihm das Rückgrat. Und er glaubte, daß nur ein einziges solches Ding in der Dschungel wäre und daß er Angst getötet habe. Als er aber, über dem Opfer stehend, im Wind witterte, hörte er Tha von den Wäldern des Nordens herabsteigen, und dann hörte er die Stimme des Urvaters der Elefanten, welches die Stimme ist, die wir jetzt vernehmen – –«

      Hier rollte der Donner zwischen den zerfurchten kahlen Hügeln auf und ab; aber er brachte keinen Regen, nur Wetterleuchten zuckte über das Felsgezack hin, und Hathi fuhr fort:

      »Das war die Stimme, die der Tiger hörte; und sie sprach: ›Ist das dein Mitleid?‹ Der erste Tiger aber leckte sich die Lefzen und sagte: ›Was tut’s? Ich habe Angst getötet!‹

      Und Tha sagte: ›Oh, du blinder Tor, du! Die Füße des Todes hast du entfesselt, und folgen wird er deiner Spur, bis du stirbst. Den Menschen hast du das Töten gelehrt.‹

      Der erste Tiger aber stand zu seinem Mord und sprach: ›Er ist nun so, wie der Bock war. Angst ist nicht mehr. Nun will ich wieder Richter sein über das Volk der Dschungel.‹

      Und Tha sagte: ›Niemals wird das Dschungelvolk zu dir kommen. Sie werden nie deine Spur kreuzen, noch neben dir ruhen, noch dir folgen, noch weiden bei deinem Lager. Nur Angst wird dir folgen, und mit dem Schlag, den du nicht sehen kannst, wird er dich zwingen nach seinem Willen. Er wird machen, daß der Boden sich unter dir öffnet und daß sich dir die Schlingpflanzen um den Hals legen und die Baumstämme um dich zusammenwachsen, höher, als du springen kannst, und zuletzt wird er dir dein Fell nehmen, um seine Jungen darein zu hüllen, wenn sie frieren. Du hattest kein Mitleid mit ihm, und kein Mitleid mit dir wird er je haben.‹

      Der erste Tiger war aber sehr kühn, denn noch war seine Nacht über ihm, und er sagte: ›Thas Wort ist Thas Wort! Meine Nacht wird er mir nicht nehmen!‹

      Und Tha antwortete: ›Diese eine Nacht bleibt dein, wie ich dir gesagt habe; doch ein Preis ist dafür zu zahlen. Du hast den Menschen das Töten gelehrt, und der Mensch ist kein langsamer Schüler.‹

      Darauf der erste der Tiger: ›Hier liegt er unter meiner Tatze mit gebrochenem Rücken. Verkünde der Dschungel, daß ich Angst getötet habe.‹

      Da lachte Tha und sagte: ›Getötet hast du nur einen unter vielen; aber du magst es selbst der Dschungel verkünden – denn deine Nacht ist um.‹

      So dämmerte der Tag, und aus der Tiefe der Höhle trat wiederum ein Haarloser hervor, und er sah den Ermordeten auf dem Wege und den ersten Tiger über ihm. Da ergriff er einen spitzen Stab – –«

      »Jetzt werfen sie ein Ding, das schneidet«, sagte Ikki, das Stachelschwein, und rasselte an der Uferbank. Denn Ikki galt als ungemein schmackhaft bei den Gonds – Ho Igu nennen sie es –, so konnte er einiges erzählen von den kleinen Gondäxten, die durch die Luft wirbeln wie eine Libelle.

      »Ein spitzer Stab war es«, fuhr Hathi fort, »so wie sie ihn in den Boden der Grubenfalle stecken, und der Haarlose schleuderte ihn tief in die Flanke des ersten der Tiger. So kam es, wie Tha gesagt hatte, denn der erste Tiger lief heulend umher in der Dschungel, bis er den Stab herausgezerrt hatte; und das ganze Dschungelvolk wußte nun, daß der Haarlose aus der Ferne treffen konnte, und Angst ergriff sie mehr denn zuvor. So also kam es, daß der Stammvater der Tiger den Menschen das Töten lehrte, und ihr alle wißt, wieviel Leid dadurch über unser Volk kam – durch die Schlinge, die Grube, die verborgene Falle, den schwirrenden Stab und die stechende Fliege, die aus dem weißen Rauch hervorkommt (Hathi meinte die Flinte), und die rote Blume, die uns hinaustreibt ins offene Land. Dennoch in einer Nacht in jedem Jahr fürchtet der Haarlose den Tiger, wie Tha es versprochen, und stets hat der Tiger diese Furcht wachgehalten. Wo er den Haarlosen in dieser Nacht findet, tötet er ihn, eingedenk der Schande, die über den Stammvater der Tiger kam. Sonst aber geht Angst um in der Dschungel bei Tag und bei Nacht.«

      »Ahi! Auuh!« seufzte das Wild in Gedanken daran, was das für alle bedeutete.

      »Und nur, wenn eine große Angst über uns allen liegt, wie jetzt, dann können wir von der Dschungel unsere kleinen Ängste abwerfen und alle an einem Ort zusammenkommen, wie wir es heute tun.«

      »Nur für eine Nacht fürchtet der Mensch den Tiger?« fragte Mogli.

      »Nur für eine Nacht«, antwortete Hathi.

      »Aber ich – aber wir – aber die ganze Dschungel weiß, daß Schir Khan zwei-und dreimal Menschen tötet in einem Mond.«

      »So ist es. Dann aber springt er von hinten an und dreht den Kopf weg, wenn er schlägt, denn er ist voller Angst. Wenn der Mensch ihn ansähe, würde er entfliehen. In seiner Nacht aber geht er ganz offen hinunter in die Dörfer. Zwischen den Hütten schreitet er und steckt den Kopf durch die Türen, und die Menschen fallen auf ihr Antlitz, und dann vollbringt er sein Töten. Einen Mord nur in dieser Nacht.«

      »Aha!«

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