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vielleicht ist sie auch wirklich nicht eine Schönheit in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes.

      Der untere Theil ihres Gesichts ist entschieden zu klein. Ihre Züge sind überhaupt zu niedlich und die außerordentliche Empfindsamkeit ihrer nervösen Organisation ist in ihren Gebärden und in ihren Blicken fortwährend sichtbar. In einer Opernloge sitzend würde sie keine auffallende Bewunderung oder Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nur wenig Männer würden, wenn sie ihr auf der Straße begegneten, sich umdrehen, um ihr nachzusehen, und nur wenig Frauen würden sie zum Gegenstande einer jener unerbittlichen Analysen machen, welchen eine auffallende Schönheit so oft in Gegenwart von Personen ihres Geschlechts unterzogen wird, die den Vergleich mit ihr nicht auszuhalten vermögen.

      Die größten Reize meiner Schwester strahlen so zu sagen von innen auf die Oberfläche heraus.

      Sobald Du, lieber Leser, sie aber einmal wirklich kennst, sobald sie einmal ohne Rückhalt und wie mit einem Freunde mit Dir gesprochen hat, üben ihre Stimme, ihr Lächeln, ihre Manieren einen unaussprechlichen Eindruck auf Dich aus. Ihre geringfügigsten Worte, ihre unbedeutendsten Gebärden interessiren Dich, entzücken Dich und Du weißt nicht weßhalb. Ihre Schönheit offenbart sich Dir durch die Anmuth und Einfachheit ihrer Gebärden, ihrer Worte, durch die ausgesuchte und – was mehr als Alles ist – die angeborene Güte ihres Herzens. Sobald Du diesen Einfluß ein Mal gefühlt hast, durchdringt er Dich troß aller Gegenwirkungen immer mehr und mehr. Du denkst an sie, Du wünschest sie zu sehen und würdest deshalb die Gesellschaft der brillantesten Frauen und der Schönheiten verlassen, deren Ruf in dieser Beziehung unzweifelhaft feststeht. Du entsinnst Dich einiger rührender Worte, die sie gesprochen und die so wonnig anzuhören waren, während Du die pikanten Bemerkungen der geistreichsten Frauen und die Conversation der gebildetsten vergisst.

      Dieser Einfluß, den meine Schwester, und zwar ohne daß sie es wußte, auf alle Personen, mit welchen sie in Berührung kam, und besonders auf die Männer ausübte, läßt sich, glaube ich, mit Hilfe einiger Bemerkungen sehr einfach definiren.

      Wir leben in einer Zeit, wo nur viele Frauen darnach trachten, sich moralisch ihres Geschlechts zu entkleiden, so sehr lassen sie sich angelegen sein, die Sprache und Manieren der Männer nachzuahmen, und dies vorzugsweise, um sich den erbärmlichen Forderungen des sogenannten guten Tones anzubequemen, welcher darauf abzweckt, jeden freien Aufschwung des Herzens zu hemmen, die mindesten Zeichen von Enthusiasmus zu verbannen und mit Einem Worte die fashionable Gelassenheit der Intelligenz in der fashionablen Unbeweglichkeit des Gesichts widerzuspiegeln.

      Die Schülerinnen dieser ausschließlich modernen Theorie machen in ihrer Conversation gern von verschiedenem Kauderwälsch Gebrauch. Man findet in ihren Manieren nachgeahmte männliche Brüskerie; sie maßen sich an, über Alles zu urtheilen, und suchen Alles, was in das umfassende Gebiet des Gefühls gehört, lächerlich zu machen. Nichts macht Eindruck auf sie, Nichts unterhält sie, und Nichts erfüllt sie mit naivem, natürlichem weiblichem Enthusiasmus. Zeigen sie ja ein Mal Sympathie, so geben sie ihr einen sarkastischen Ausdruck. Die Liebe, wenn sie jemals dieses Gefühl empfinden, scheint für sie eine Sache der Berechnung, wo nicht ein Spiel oder verächtliches Mitleid zu sein.

      Dies nennen sie mit den Männern wetteifern, um den socialen Vorrang zu erringen, um die Emancipation des Geistes herbeizuführen und auf siegreiche Weise allen zwischen den Geschlechtern herkömmlichen moralischen und intellectuellen Unterschieden Trotz zu bieten.

      Meine Schwester Clara mußte, wie man sich leicht denken wird, einen auffallenden Gegensatz zu Frauen darbieten, welche ihre Manieren und Ansichten nach solchen Ideen regeln. Eben in diesem Contraste liegt das Geheimniß ihres Einflusses Er erklärt jenen freiwilligen Tribut von Liebe und Bewunderung, der ihr auf allen Schritten folgt.

      Es giebt wenig Männer, welche nicht ihre geheimen Augenblicke von innerer Sammlung und Bewegung hätten – Augenblicke, wo sich ihnen das Bild eines frischen, unschuldigem aufrichtigen und sanften weiblichen Wesens zeigt, eines Wesens, welches noch für edelmüthige Regungen empfänglich ist, dessen liebendes Herz sich durch seine Gedanken und Thaten verräth, eines Wesens, dem wir unser ganzes Vertrauen schenken würden, als ob wir noch Kinder wären, und welches wir mit Bedauern den schädlichen Einflüssen der Welt Preis gegeben sehen; welches wir nicht in einem Strudel, sondern lieber in der Einsamkeit, mitten unter den Wäldern, Fluren und Thälern sehen möchten,,um es hier verborgen zu halten und die unklaren, verworrenen Wünsche unsers Herzens zu befriedigen.

      So war es mit meiner Schwester.

      Ueberall, wohin sie kam, verdunkelte sie, ohne daß sie zu glänzen gesucht hätte und ohne irgend ehrgeizige Ansprüche zur Schau zu tragen, die Frauen, die ihr an Schönheit und Salonton überlegen waren. Andere glänzten mehr als sie durch ihre Manieren und ihre Conversation ihr einziges Eroberungsmittel bestand in dem eigenthümlichen Zauber, mit welchem sie Alles that und Alles sagte.

      Aber der Glanz und die Feste der Saison in London waren nicht die Umgebung, wo ihr Charakter sich auf das Vortheilhafteste zeigte. In unserem alten Familienhause, in welchem der Aufenthalt ihr gefiel, wo sie von allen Freunden und Dienern umgeben war, welche alle tausend Mal ihr Leben für sie gelassen hätten, war es leichter, sie zu studiren und sie noch mehr zu lieben.

      Hier machte sich in seiner ganzen Fülle der glückliche Einfluß ihres anmuthigen Wesens fühlbar.

      Bei den Landpartieen und ländlichen Festen aller Art, wo die Bewohner der Grafschaft sich in Masse versammelten, traten ihre einfachen, natürlichen Manieren ungezwungen zu Tage. Sie war die Seele der allgemeinen Freude. Sie bemühete sich fortwährend und Niemand konnte sagen wie, die im Punkte der Etikette Empfindlichsten und Pedantischsten zum Natürlichen zurückzuführen und sie wenigstens auf die Dauer dieses Tages liebenswürdig zu machen.

      Es gelang ihr dies sogar mit einem im höchsten Grade plumpen, schwerfälligen und phlegmatischen Landedelmanne. Sie erfand Mittel, um ihn vollkommen ungezwungen zu machen, während Niemand anders ein solches Manöver versucht haben würde. Drehte seine Unterhaltung sich bloß um Pferde, Hunde und Ernten, so wußte sie ihn geduldig anzuhören, während Conversationen, die sie lebhaft interessirten, dicht neben ihr stattfanden Sie zeigte sich empfänglich für die mindeste Aufmerksamkeit, die er ihr bewies, selbst dann, wenn er sich linkisch dabei benahm oder zur Unzeit damit kam, und diese Aufmerksamkeiten nahm sie von Jedermann so auf, als ob sie dieselben nicht wie ein Recht, sondern als eine ihrem Geschlechte zugestandene Gunst betrachtete.

      Ich muß hierbei noch erwähnen, daß es ihr stets gelang, jenen lächerlichen Anfeindungen und Verleumdungen, welche in den Beziehungen der Gesellschaft auf dem Lande einen so wichtigen Platz einnehmen, ein Ziel zu setzen. Sie benahm sich wie ein achter Apostel des Ordens der Versöhnung, und überall, wohin sie kam, trieb sie den Teufel der Schmähsucht aus.

      Unser guter Pfarrer pflegte sie seinen freiwilligen Substituten zu nennen, und zu erklären, daß sie durch ein rechtzeitig gesprochenes Wort oder durch einen überzeugenden Blick die besten praktischen Predigten hielte, die jemals über die Segnungen der Eintracht ausgedacht worden.

      Bei diesem Wohlwollen und diesem beharrlichen Streben, Alle um sich her glücklich zu machen, besaß meine Schwester, ich weiß nicht, welche magische Autorität, welche sie selbst vor der Anmaßung der Anmaßendsten schätzte. Niemand wagte jemals, sich durch Blicke oder Worte eine Freiheit gegen sie herauszunehmen. Es lag in ihrer Person Etwas, was eben so wohl Achtung als Liebe erzwang.

      Mein Vater war, der Tendenz seiner Lieblingsideen folgend, geneigt zu glauben, daß die Distinction unseres alten Geschlechts in ihren Augen zu lesen sei und sich in ihren Manieren fühlbar mache. Ich dagegen glaube, daß der Respect, den man meiner Schwester bewies, in einer nicht bloß einfacheren, sondern auch besseren Ursache seinen Grund. hatte. Es giebt eine Herzensgüte, deren äußere Kundgebungen von einer engelgleichen Reinheit begleitet sind, und diese Herzensgüte war die ihrige.

      Für meinen Vater war sie mehr als er jemals geglaubt hat – mehr als er jemals wissen wird, er müßte sie denn verlieren.

      Oft ward er in seinen Beziehungen zur Welt in seinen eigenthümlichen Vorurtheilen und in seinen raffinierten Principien verletzt. Dabei aber war er stets sicher, daß seine Tochter die erstern achtete und die letztern theilte. Er konnte unbedingtes Vertrauen zu ihr

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