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Blinde Liebe. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Blinde Liebe
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
An dieser Stelle ihrer Erzählung fühlte Mountjoy sich veranlaßt zu einigen direkteren Fragen, als er sie bisher an Iris gestellt hatte. Vielleicht war es möglich, daß er mit Hilfe der Eindrücke, die Lord Harry auf sie gemacht hatte, Iris von dem übel angebrachten Vertrauen der in Selbsttäuschung befangenen Frau heilen konnte.
»Fügte er sich willig Ihrer Abreise?« fragte er.
»Anfangs nicht,« antwortete sie.
»Hat er Sie von dem Versprechen, das Sie ihm in unüberlegter Weise vor einigen Jahren gegeben haben und durch das Sie sich verpflichteten, ihn zu heiraten, entbunden?«
»Nein.«
»Hat er denn überhaupt bei dieser Gelegenheit jenes Versprechen erwähnt?«
»Er sagte, er würde daran festhalten als an der einzigen Hoffnung seines Lebens.«
»Und was haben Sie darauf erwidert?«
»Ich bat ihn flehentlich, mich nicht elend zu machen.«
»Sagten Sie nichts Bestimmteres als das?«
»Ich konnte es nicht über mich gewinnen, Hugh; ich mußte an alles das denken, was er unternommen hatte, um Arthur zu retten. Aber ich bestand fest auf meiner Abreise und habe sie auch durchgesetzt und ihn verlassen.«
»Erinnern Sie sich, was er beim Abschied zu Ihnen sagte?«
»Er sagte: ›So lange ich lebe, werde ich Dich lieben.‹«
Als sie diese Worte aussprach, nahm ihre Stimme unwillkürlich einen warmen, zärtlichen Klang an, der Mountjoy nicht entging.
»Ich muß ganz sicher sein,« sagte er ernst zu ihr, »über das, was ich Ihrem Vater zu berichten habe, wenn ich zu ihm zurückkomme. Kann ich ihm mit reinem Gewissen die bestimmte Versicherung geben, daß Sie niemals wieder Lord Harry sehen wollen?«
»Ich habe mir vorgenommen, ihn nicht wiederzusehen.« So weit hatte sie mit fester Stimme geantwortet. Ihre nächsten Worte aber wurden zögernd und in stockendem Ton gesprochen. »Ich fürchte jedoch bisweilen,« sagte sie, »daß die Entscheidung darüber nicht immer in meiner Macht bleiben wird.«
»Was soll das heißen?«
»Ich möchte es Ihnen lieber nicht sagen.«
»Das ist eine sonderbare Antwort, Iris.«
»Ich lege großen Wert auf Ihre gute Meinung, Hugh, und ich fürchte, sie dadurch zu verlieren.«
»Nichts hat meine Ansicht von Ihnen jemals geändert,« entgegnete er einfach und ruhig, »und nichts wird sie jemals ändern.«
Sie sah ängstlich mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zu ihm hin. Nach und nach verschwand der Ausdruck des Zweifels in ihrem Gesicht; sie wußte, wie sehr er sie liebte – sie beschloß, sich ihm anzuvertrauen.
»Seitdem ich Irland verlassen habe,« begann sie, »bin ich – ich weiß nicht, warum – in einen Zustand von abergläubischer Furcht verfallen. Ja, ich glaube an ein Verhängnis, welches mich auch gegen meinen Willen zu Lord Harry zurückführen wird. Zweimal schon, seitdem ich aus meines Vaters Haus geschieden, bin ich mit ihm zusammengetroffen, und jedesmal bin ich die Ursache gewesen, daß er einer großen Gefahr entging und gerettet wurde: das erstemal an dem Meilenstein und das zweitemal bei der Ruine im Walde. Wenn mich mein Vater jetzt noch beschuldigt, daß ich einen Abenteurer liebe, können Sie ihm mit ruhigem Gewissen und vollständig der Wahrheit gemäß sagen, daß ich mich vor diesem Abenteurer fürchte. Ich zittere vor der dritten Begegnung. Ich habe mein Möglichstes gethan, um diesem Mann zu entrinnen; aber Schritt für Schritt, wenn ich denke, ich bin fertig mit ihm, schleppt mich ein unseliges Geschick wieder zu ihm hin. Vielleicht bin ich jetzt wieder, da ich mich in dieser elenden kleinen Stadt sicher geborgen glaubte, auf dem Weg zu ihm. O, verachten Sie mich nicht, Hugh! Schämen Sie sich meiner nicht!«
»Meine liebe Iris, ich nehme Anteil, ich nehme den lebhaftesten Anteil an Ihrem Geschick. Daß es eine derartige, Einfluß ausübende Macht wie das Verhängnis in unserem armseligen irdischen Dasein gibt, wage ich nicht zu leugnen. Aber mit Ihrem Schluß kann ich mich nicht einverstanden erklären. Was das dunkle Verhängnis mit Ihnen und mit mir zu thun vorhat, das vorher zu wissen, können weder Sie noch ich behaupten. In Gegenwart dieses großen Geheimnisses muß die Menschheit sich bescheiden und ihre Unwissenheit zugestehen! Warten Sie, Iris, warten Sie!«
Sie antwortete ihm mit der Einfachheit eines gelehrigen Kindes:
»Ich will alles thun, was Sie mir raten!«
Mountjoy liebte sie zu sehr, um an diesem Tage noch mehr über Lord Harry zu sagen. Er war bemüht, das Gespräch auf ein Thema zu bringen, von dem er mit Sicherheit annehmen konnte, daß es keine aufregenden Gedanken wachrufen würde. Da er Iris allem Anschein nach vollständig eingewöhnt in dem Hause des Doktors vorfand, so war er natürlicherweise sehr begierig, etwas über die Person zu erfahren, welche sie dorthin eingeladen haben mußte – die Frau des Doktors.
Vierzehntes Kapitel
Mountjoy begann von dem zweiten Brief, den Miß Henley an ihren Vater geschrieben hatte, zu sprechen, und kam dabei auch auf die Stelle, in welcher der Mrs. Vimpany in den Ausdrücken der aufrichtigsten Dankbarkeit gedacht wurde.
»Ich würde gern,« sagte er, »mehr von einer Dame erfahren, deren Gastfreundschaft zu Hause ihrer Liebenswürdigkeit als Reisegefährtin gleichzukommen scheint. Trafen Sie zuerst auf der Eisenbahn mit ihr zusammen?«
»Sie fuhr mit demselben Zug nach Dublin, den ich und mein Kammermädchen benützten, aber nicht in dem gleichen Wagen,« antwortete Iris. »Ich hatte dann später auf der Reise von Dublin nach Holyhead das Glück, mit ihr bekannt zu werden. Die Ueberfahrt war sehr stürmisch, und Rhoda litt so entsetzlich unter der Seekrankheit, daß ich ordentlich Angst um sie bekam. Die Aufwärterin war ganz und gar von Damen in Anspruch genommen, die von allen Seiten nach ihr riefen, und ich weiß wirklich nicht, was aus uns geworden wäre, wenn nicht Mrs. Vimpany gekommen wäre und in der liebenswürdigsten Weise ihre Hilfe angeboten hätte. Sie wußte so vortrefflich Bescheid, was zu thun war, daß sie mich ganz in Verwunderung versetzte.
»›Ich bin die Frau eines Arztes,‹ sagte sie, ›und ich mache das nur nach, was ich meinen Mann habe thun sehen, wenn seine Hilfe auf der See bei so schlimmem Wetter wie heute in Anspruch genommen wurde.‹
»Bei ihrem überhaupt sehr schwachen Gesundheitszustand war Rhoda viel zu arg angegriffen, als daß sie hätte mit der Eisenbahn weiterfahren können, als wir in Holyhead ankamen. Sie ist ein vortreffliches Mädchen, und ich habe sie, wie Sie wissen, sehr gern. Wenn ich auf mich allein angewiesen gewesen wäre, dann hätte ich jedenfalls zu einem Arzt geschickt. Was glauben Sie aber, was mir die gute Mrs. Vimpany anriet, zu thun? ›Ihr Kammermädchen ist nur schwach,‹ sagte sie. ›Gönnen Sie ihr Ruhe und geben Sie ihr Wein zu trinken, dann wird sie sich bald wieder erholen und im stande sein, mit dem nächsten gewöhnlichen Zug weiter zu fahren. Sie brauchen keine Angst um sie zu haben; ich werde bei Ihnen bleiben.‹ Und sie blieb auch wirklich. Gibt es denn noch viele solche Menschen, Hugh, die so uneigennützig anderen, ihnen ganz Fremden so viel Gutes erweisen, wie meine zufällige Reisebekanntschaft vom Dampfboot?«
»Ich fürchte, deren sind nur verschwindend wenige.«
Mountjoy gab diese Antwort nicht ohne eine kleine Verlegenheit, denn er fühlte, daß in ihm ein gelinder Zweifel an der uneigennützigen Liebenswürdigkeit der Mrs. Vimpany aufstieg, und das war eines echten Mannes unwürdig.
Iris fuhr in ihrer Erzählung fort:
»Rhoda hatte sich hinreichend erholt, um mit dem nächsten Zuge weiterreisen zu können, und es schien kein Grund vorhanden, noch irgendwie ängstlich zu sein. Aber nach einiger Zeit zeigte sich doch, daß die Anstrengung der Reise für sie zu groß gewesen war. Das arme Mädchen wurde immer blasser und bekam schließlich eine Ohnmacht. Mrs. Vimpany brachte sie wieder zum Leben zurück, aber, wie sich bald herausstellte, nur für kurze Zeit. Sie bekam einen neuen Ohnmachtsanfall, und meine Reisegefährtin fing jetzt auch an, ängstlich zu werden. Es kostete