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angenehmen Eindruck. Sie hatte eine gerade und feine Nase, dünne Lippen und ein spitz zulaufendes Kinn. Jeder, der sie ansah, dachte sicherlich: »Wie klug Du bist, aber auch wie böse!« Und bei allem Diesem hatte sie etwas Anziehendes, selbst einige Muttermale, die auf ihrem Gesichte bemerkbar waren, kleideten sie und erhöhten die Empfindungen, die sie erweckte. Die Hände in das Busentuch gelegt, betrachtete sie mich verstohlen von oben nach unten (ich saß, sie stand); ein Lächeln, das nichts Gutes verrieth, flog bald über ihre Lippen, bald über ihre Wangen, welche lange Augenwimpern beschatteten. »Ach, Du verzogenes Herrchen!« schien dies Lächeln ausdrücken zu wollen. Jedesmal, wenn sie Athem holte, erweiterten sich die Nasenflügel, was ganz eigenthümlich aussah, doch meinte ich, daß, wenn Anna Martinowna mich lieben oder mich mit ihren dünnen, zarten Lippen küssen wollte – ich vor Wonne zur Decke springen würde! Ich wußte, daß sie sehr streng und eigen war, daß die Bauernfrauen und Mägde sie wie das liebe Feuer fürchteten – das ging mich aber nichts an! Anna Martinowna beunruhigte meine Phantasie! . . . Übrigens war ich erst fünfzehn Jahre . . . und in diesem Alter . . .

      »Martin Petrowitsch regte sich wieder. »Anna!« rief er »klimpre uns etwas auf dem Piano vor, die jungen Herren lieben das!«

      Ich sah mich um: ein elendes Zerrbild eines Pianoforte fand sich wirklich im Zimmer.

      »Zu Befehl, Vater,« antwortete Anna Martinowna. »Was soll ich spielen? das wird den Herrn nicht amusiren.«

      »Was hast Du im Pensionat gelernt?«

      »Ich habe Alles vergessen – auch sind die Saiten gesprungen.«

      Anna Martinowna hatte eine angenehme, helle Stimme: der Ton derselben war ein wenig klagend . . . und erinnerte etwas an den, welchen die Raubvögel hören lassen. »Nun,« brummte Martin Petrowitsch und dachte nach . . . »Nun,« fing er wieder an, »wollen Sie denn nicht meine Tenne besehen, dieselbe in Augenschein nehmen? Wolodka wird Sie begleiten. He Du, Wolodka!« rief er seinem Schwiegersohn, der noch immer mit – meinem Pferde auf dem Hofe herumging, »begleite den Herrn zu der Tenne und führe ihn überhaupt umher: zeige ihm meine Wirthschaft. Ich aber will mein Schläfchen machen. Auf glückliches Wiedersehen!«

      Er ging hinaus, ich folgte ihm. Anna Martinowna fing sofort, wie ärgerlich, den Tisch aufzuräumen an. An der Thürschwelle drehte ich mich um und verbeugte mich: sie schien es nicht zu bemerken, nur glaubte ich, daß sie noch boshafter lächelte.

      Ich nahm dem Schwiegersohne Charloff’s mein Pferd ab und führte es am Zügel. Wir kamen zur Tenne – aber da hier nichts besonders Merkwürdiges zu finden war, und er bei mir, einem jungen Knaben, keine außerordentliche Liebe zur Landwirthschaft vermuthen konnte, so gingen wir durch den Garten zum Dorfwege zurück.

      VIII

      Der Schwiegersohn von Charloff war mir bereits bekannt. Er hieß Wladimir Wassiliewitsch Sletkin. Er war eines Waise, der Sohn eines kleinen Beamten, der die Geschäfte meiner Mutter besorgt hatte, und daher auch ihr Zögling. Nachdem er die Kreisschule verlassen, hatte er zunächst in unserm Wirthschaftsamt gearbeitet; später fand man bei dem kaiserlichen Proviantmagazin eine Stelle für ihn, und endlich hatte man ihn mit der Tochter Charloff’s verheiratet. Meine Mutter nannte ihn »Judenbengel« und wirklich erinnerte er durch sein krauses Haar und seine schwarzen, stets feuchten, gekochten Pflaumen ähnlichen Augen, durch seine Habichtsnase und seinen breiten Mund an den jüdischen Typus, nur war er sehr weiß und machte im Ganzen den Eindruck eines recht hübschen Menschen. Er war äußerst gefällig, aber nur, so lange es nicht seinen Vortheil berührte. Ja solchem Falle verlor er den Kopf, ja er weinte sogar; einer Bagatelle wegen war er im Stande, den ganzen Tag zu jammern, hundertmal an ein gegebenes Versprechen zu erinnern, sich beleidigt zu fühlen und zu stöhnen, wenn es nicht sofort erfüllt wurde. Er liebte, mit der Flinte umherzuschweifen, und wenn es ihm gelang, einen Hasen oder eine Ente zu erlegen, so steckte er mit großer Befriedigung seine Beute in die Jagdtasche und pflegte dabei auszurufen: »Nun jetzt, Kindchen, entgehst Du mir nicht! Jetzt wirst Du mir von Nutzen sein!«

      »Ein schönes Pferd haben Sie da,« sagte er mit seiner schleppenden Stimme, mir in den Sattel helfend. »Hätte ich doch so ein Pferd! Doch wie soll ich dazu kommen? Dies Glück ist nicht für mich. Wenn Sie doch Ihre Frau Mutter darum bitten . . . sie daran erinnern wollten!«

      »Hat sie denn Ihnen eins versprochen?«

      »O, hätte sie es gethan! nein, aber ich glaubte, daß sie in ihrer großen Güte. . . «

      »Wenden Sie sich doch lieber an Martin Petrowitsch?«

      »An Martin Petrowitsch?« wiederholte langsam Sletkin, »Ihm gelte ich nicht mehr als ein elender Laufbursche wie Maksimka! Er hält uns ganz schrecklich knapp, keinen Dank bekommt man von ihm für all’ die große Mühe . . .«

      »Ist das wahr?«

      »Bei Gott! Wenn er etwas abgeschlagen und gesagt hat: »Mein Wort ist heilig!« so ist es für allemal zu Ende. Man bitte oder bitte nicht, man kommt zu nichts. Anna Martinowna, meine Frau, genießt auch nicht dieselbe Gunst wie Eulampia Martinowna.«

      »Ach Gott, mein Gott!« unterbrach er sich plötzlich in Verzweiflung die Hände zusammenschlagend. »Sehen Sie hierher! einen ganzen Scheffel Hafers, unseres Hafers, hat ein Bösewicht abgemäht! Canaille! Leben Sie nun unter diesen Leuten! Räuber sind es, wirkliche Räuber! Richtig sagt das Volkssprüchlein: »Traue nicht dem Eskowo, Béskowo, Erina, Belina!« (so hießen die vier Nachbardörfer) Gott, Gott, ist das ein Unglück! Das gibt ja einen Schaden von anderthalb oder gar zwei Rubeln!«

      In der Stimme Sletkin’s war förmliches Schluchzen; ich gab dem Pferde die Sporen und ritt von ihm weg.

      Noch konnte ich sein Wimmern vernehmen, als ich plötzlich bei einer Biegung des Weges der zweiten Tochter Charloff’s, Eulampia, begegnete, welche, wie Anna Martinowna gesagt hatte, in’s Feld nach Kornblumen gegangen war. Ein dichter Kranz dieser Blumen umgab ihren Kopf. Wir wechselten schweigend Grüße. Eulampia war wie ihre Schwester sehr hübsch, nur auf andere Art. Sie war von hohem Wuchs, kräftig gebaut; Alles war groß bei ihr: der Kopf, die Füße, die Hände, die schneeweißen Zähne und namentlich die hervortretenden, umschleierten, dunkelblauen Augen, trotz einiger übertriebenen Dimensionen (nicht umsonst war sie die Tochter Martin Petrowitsch), war sie dennoch schön. Sie wußte augenscheinlich nicht, was sie mit ihrem blonden Haargeflechte anfangen sollte und trug es dreifach um die Stirne gewunden. Ihr Mund war wunderschön, frisch wie eine Rose, dunkel roth gefärbt und wenn sie sprach, so hob sie aller liebst die Mitte der Oberlippe. Doch lag in dem Ausdruck ihrer großen Augen etwas Strenges, ja Wildes. »Reines, freies Kosakenblut!« sagte Martin Petrowitsch von ihr. Ich fürchtete sie ein wenig. . . Diese colossale Schönheit erinnerte mich zu sehr au ihren Vater.

      Ich ritt weiter und hörte, wie sie mit gleich mäßiger, voller, ein wenig scharfer und ungeschulter Stimme zu singen anfing. Dann verstummte sie. Ich wandte mich um und sah von der Anhöhe aus, wie sie neben dem Schwiegersohne Charloff’s, vor dem beraubten Haferfelde stand. Sletkin bewegte seine Hände hin und her, dieselben bald gegen sie, bald gegen den Hafer richtend.

      Sie stand unbeweglich. Die Sonne übergoß sie mit ihren Strahlen und der Korublumenkranz auf ihrem Haupte verbreitete weithin einen bläulichen Schimmer um ihre hohe Gestalt.

      IX

      Ich habe wohl bereits erwähnt, daß meine Mutter auch für diese Tochter Charloff’s einen Mann in Aussicht genommen hatte. Es war der ärmste aller unserer Nachbarn, der Major a. D. Gawril Fedulitsch Gitkoff, ein nicht mehr junger Mann oder, wie er sich nicht ohne Selbstgefallen und gleichsam zu seiner Empfehlung ausdrückte, »mit allen Hunden gehetzt.«

      Er konnte kaum lesen und schreiben und war ziemlich dumm, doch hegte er die heimliche Hoffnung, als Verwalter bei meiner Mutter anzukommen, da er sich für einen guten, »Vollführer« hielt. »Wenn nichts Anderes, doch den Bauern die Zähne auszuschlagen und sie zu zählen, verstehe ich gar fein!« äußerte er, dabei mit den eigenen Zähnen knirschend, »denn daran,« erklärte er, »bin ich eben von meinem früheren Dienst her gewöhnt.« Wäre Gitkoff weniger dumm gewesen, so hätte er längst begriffen, daß es ihm gerade als Verwalter bei meiner Mutter anzukommen rein unmöglich war, denn dazu hätte man erst den wirklichen Verwalter, einen energischen

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