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beschatteten Lippen. Er hatte eine zurückhaltende,und ernste Haltung, sprach mit Zuversicht oder beobachtete ein würdevolles Stillschweigen. Gewiß war es, daß er eine hohe Meinung von sich hatte. Er lachte selten und dann nur zwischen den Zähnen, und niemals tanzte er. Im Allgemeinen war er in seinen Bewegungen wenig lebendig; er hatte früher gedient und für einen guten Officier gegolten.

      Welche seltsame Geschichte! dachte ich bei mir, auf meinem Kanapee liegend, und wie ist es nur gekommen, daß ich früher gar nichts davon gemerkt habe! Sei vorsichtig, wie du es bisher gewesen . . . Diese Worte aus Sophiens Briefe kamen mir plötzlich in’s Gedächtniß zurück . . . O arglistiges Mädchen! Und ich glaubte sie so offen, so wahr! Warte, warte, ich will . . . doch hier brach ich in bittere Thränen aus; ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.

* * *

      Am andern Tag um zwei Uhr begab ich mich in Sophiens Wohnung. Ihr Vater war ausgegangen und ihre Mutter saß nicht auf dem gewohnten Platz. i Nachdem sie die Fastnachtsküchelchen verzehrt, hatte sie Kopfweh bekommen und sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen. Barbara stand ihrer Gewohnheitgemäß an das Fenster gelehnt, um die Vorübergehenden zu betrachten. Sophie ging, die Arme über die Brust gekreuzt, im Zimmer aus und ab. Der Papagei schrie.

      »Guten Morgen«, sagte Barbara in gleichgültigem Ton, als sie mich eintreten sah; dann fügte sie, als ob sie mit sich selbst spräche, hinzu: da geht ein Mann mit einer Schale.«

      Es war ihre Gewohnheit, Alles, was sie auf der Straße bemerkte, mit leiser Stimme anzudeuten.

      »Guten Tag,« sagte ich zu ihr; »guten Tag Sophie Nikolajewna, und wo ist Ihre Mutter?«

      »Sie ist in ihr Zimmer gegangen, um sich auszuruhen,« erwiderte Sophie, wie vorher auf und abgehend. »Wir hatten heute Fastnachtsgebäck,« fügte Barbara hinzu, ohne sich nach mir umzusehen. »Warum sind Sie nicht gekommen? Aber wohin geht denn dieser Beamte?«

      Der Papagei ließ fortwährend sein durchdringendes Geschrei vernehmen. – »Wie Ihr Papagei heute so schreit,« – sagte ich zu Sophie. —

      – »Er schreit immer so.«

      Wir blieben eine Weile uns stumm gegenüber.

      »Er hat sich der Thüre genähert,« murmelte Barbara, indem sie plötzlich das kleine Schiebfenster öffnete.

      »Von wem sprichst Du?« fragte Sophie.

      »Von einem Armen, welchen ich eben bemerkte,« erwiderte die Schwester.

      Indem sie dies sagte, warf sie durch das Fenster ein kupfernes, von den Phosphorüberbleibseln eines wohlriechenden Zündhölzchens beflecktes Geldstück, schloß das kleine Schiebfenster wieder und sprang schwerfällig auf den Boden.

      »Ich habe gestern einen recht angenehmen Abend verbracht,« sagte ich zu Sophie, mich auf einen Lehnstuhl niederlassend. »Ich dinirte bei einem meiner Freunde mit Constantin Assanow.«

      Bei diesen Worten heftete ich den Blick auf das junge Mädchen, doch ohne die geringste Regung in ihrem Gesichte zu entdecken.

      »Ich muß schon gestehen,« fuhr ich fort, »daß wir sehr viel getrunken haben . . . acht Flaschen und; es waren Unserer nur vier . . .«

      »Wirklich!« erwiderte sie in ruhigem Tone, den Kopf hin- und herwiegend.

      – »Ja,« sagte ich – einigermaßen gereizt durch ihre Gleichgültigkeit, »und wissen Sie, Sophie Nikolajewna, ich muß die Richtigkeit des Sprichworts: »im Wein ist Wahrheit« anerkennen.«

      – »Wie so?«

      – »Constantin Alexandrowitsch hat uns damit unterhalten, denken Sie nur, daß er plötzlich die Hand an die Stirne legte, um uns zu sagen: »Welch ein Mann bin ich! ich habe einen Onkel, der eine hohe Stellung einnimmt.« —

      Barbara brach in ein stoßweise kurzathmiges schallendes Gelächter aus; der Papagei antwortete ihr mit seinem durchdringenden Geschrei; Sophie blieb vor mir stehen und betrachtete mich aufmerksam.

      »Und Sie, was haben Sie gesagt?« fragte sie; erinnern Sie Sich dessen?«

      Ich erröthete unwillkürlich.

      »Nein,« erwiderte ich, »ich entsinne mich dessen nicht; aber ich war auch etwas munter. Es ist sicher,« fuhr ich nach einer bedeutsamen Pause fort, »daß der Wein gefährlich ist; man läßt sich leicht durch die Wirkung zu vielen Trinkens hinreißen, höchst unbedachtsam Sachen zu enthüllen, welche eigentlich geheim bleiben sollten. Die Reue kommt dann nach. Doch wir sprechen davon ein anderes Mal. Es ist schon spät.«

      »Haben Sie etwa auch etwas Unüberlegtes gesagt?«

      – »Ich redete nicht von mir.«

      Sophie drehte sich um und ging wieder im Zimmer auf und ab; mein Blick folgte ihr und ich dachte:

      Seltsam! Sie ist nur ein junges Mädchen, ein Kind, und wie hat sie sich in der Gewalt! Sie ist geradezu steinern! Aber warte . . .

      »Sophie Nikolajewna« sagte ich laut.

      »Was wollen Sie?« fragte sie.

      »Werden Sie uns nicht etwas auf dem Piano spielen?« »A propos«, fügte ich mit leiser Stimme hinzu, »ich muß Ihnen etwas mittheilen.«

      » Ohne nur ein Wort zu erwidern, schritt sie durch den Salon dem Piano zu. Ich folgte ihr.

      »Was soll ich Ihnen spielen?«

      »Was Ihnen gefällt. Ein Notturno von Chopin.«

      Sie setzte sich und begann. Sie spielte ziemlich ungeschickt, aber mit Gefühl. Ihre Schwester spielte nur Walzer und Polka’s, und zwar selten. Es war für sie ein förmliches Geschäft, sich mit nachlässigem Schritt dem Instrument zu nähern, sich auf einen Sessel zu setzen und den Burnus abzulegen; denn sie trug stets einen Burnus um die Schultern. Es war ihr schwer, in Zug zu kommen, sie brachte niemals eine Polka zu Ende, fing dann eine neue an, unterbrach sich plötzlich seufzend, stand auf und setzte sich wieder an’s Fenster. Seltsames Geschöpf!

      Ich saß neben Sophie.

      »Hören Sie,« sagte ich zu ihr, sie starr ansehend, »ich muß Ihnen eine Entdeckung machen, welche mir sehr schmerzlich ist.«

      »Was für eine Entdeckung?«

      »Hören Sie . . . bis jetzt habe ich mich in Bezug auf Sie vollständig getäuscht.«

      »In wie fern,« erwiderte sie, indem sie fortfuhr zu spielen und die Blicke auf ihre Finger heftete.

      »Ich hielt Sie für aufrichtig, unfähig sich zu verstellen; wie hätte ich geglaubt, daß Sie so ganz anders scheinen können, als Sie sind!«

      Sophie neigte ihr Haupt auf’s Notenheft, dann sagte sie: »Ich verstehe Sie nicht?«

      »Nein, niemals,« begann ich von Neuem, »würde mir der Gedanke gekommen sein, daß Sie in Ihrem Alter der Verstellungskunst so mächtig seien.«

      Sophiens Finger zitterten aus den Tasten.

      »Was sagen Sie,« fragte sie, ohne mich anzusehen, ich mich verstellen . . . «

      »Ja, Sie.«

      Sie lächelte und ich war gereizt.

      »Sie stellen sich gleichgültig gegen einen jungen Mann und . . . und schreiben ihm doch . . .« fügte ich flüsternd hinzu.

      Ich sah sie erbleichen. Aber sie drehte sich nicht nach mir um, sie spielte ihr Notturno zu Ende, dann erhob sie sich und schloß das Piano.

      »Wo wollen Sie hin?« fragte ich, nicht ganz ohne Verlegenheit. »Sie antworten mir nicht?«

      »Was sollte ich Ihnen auch antworten? Ich weiß s nicht, wovon Sie reden, und verstellen kann ich mich nicht.

      Sie ordnete ihre Musikalien.

      Mir stieg das Blut zu Kopf.

      »Sie wissen,« begann ich wieder, indem ich mich ebenfalls erhob, »um was es sich handelt, und ich kann Ihnen, wenn Sie es wünschen, einige Worte aus Ihren Briefen wiederholen: »Sei vorsichtig, wie Du es bis jetzt gewesen.«

      Sophie bebte leise.

      »Ich

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