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Thräne ähnlich, blitzte an ihrer Wimper; sich rasch erhebend ging sie aus dem Zimmer.

      »Wohin, Susanne Ivanowna?« rief Herr Ratsch ihr nach.

      »Lassen Sie sie zufrieden, Ivan Demjanitsch,« mischte sich Eleonore Karpowna hinein. »Wenn sie so Etwas im Kopfe hat . . .«

      »Eine nervöse Natur,« sagte Ratsch, sich auf dem Absatze herumdrehend,und versetzte sich einen Schlag auf den Schenkel; – plexus solaris leidet. »Ah, sehen Sie mich nicht so an, Peter Gavrilitsch! Ich habe mich auch mit Anatomie beschäftigt, ha – ha! Ich verstehe mich auch auf die Heilkunst! Fragen Sie Eleonore Karpowna hier ich behandle sie in allen ihren Krankheiten! Solche Mittel habe ich!«

      »Sie müssen immer Scherze machen, Ivan Demjanitsch,« sagte diese unwillig, während Fustoff lächelnd und sich beifällig schaukelnd die beiden Ehegatten betrachtete.

      »Und warum denn nicht scherzen, mein Mütterchen!« nahm Ivan Demjanitsch das Wort.

      »Das Leben ist uns zum Nutzen und noch mehr zur Zierde verliehen, wie ein bekannter Dichter sagt. Kolka! wische Deine Nase ab! Stachelschwein!l«

      IX

      »Ich war heute durch Deine Schuld in einer höchst ungeschickten Lage,« sagte ich an demselben Abende zu Fustoff, als wir zusammen nach Hause gingen.

      »Du hast mir gesagt, daß diese . . . wie heißt sie doch wieder? Susanne – die Tochter des Herrn Ratsch ist, sie ist aber seine Stieftochter.«

      »Freilich! Und ich habe Dir gesagt, daß sie eine Tochter von ihm ist? Uebrigens . . . ist es nicht einerlei?«

      »Dieser Ratsch,« fuhr ich fort . . . – »Ach Alexander! Wie sehr hat er mir mißfallen! Hast Du bemerkt mit welch einem besonderen Hohne er heute von den Juden zu ihr sprach? Ist sie denn . . . Israelitin?«

      Fustoff schritt vorwärts, die Arme hin und her schwingend; es war kalt, der Schnee knisterte wie Salz unter den Füßen.

      »Ja, ich erinnere mich, so etwas gehört zu haben,« sagte er endlich . . . – »Ihre Mutter war, glaube ich, von hebräischer Abkunft.«

      »Also hat Herr Ratsch zuerst eine Wittwe geheirathet?«

      »Wahrscheinlich.«

      »Hm! . . . Ist jener Fictor, der heute Abend nicht nach Hause gekommen war, auch sein Stiefsohn?«

      »Nein . . . Der ist sein leiblicher Sohn. Uebrigens mische ich mich, wie Du weißt, nicht in fremde Angelegenheiten, und liebe nicht, die Leute auszuforschen. Ich bin nicht neugierig.«

      Ich biß mir in die Zunge. Fustoff eilte vorwärts. Als wir zum Hause herankamen, holte ich ihn ein, und sah ihm in’s Gesicht.

      »Sage mir doch,« fragte ich – »ist Susanne wirklich eine gute Klavierspielerin?«

      Fustoff runzelte die Stirn.

      »Ja, sie spielt gut das Klavier,« murmelte er zwischen den Zähnen. – »Aber sie ist sehr schüchtern, darauf bereite ich Dich vor!« setzte er mit einer kleinen Grimasse hinzu. Es war wirklich als wenn er es bereute, mich mit ihr bekannt gemacht zu haben.

      Ich schwieg, und wir trennten uns. «

      X

      Am folgenden Morgen begab ich mich wieder zu Fustoff. Es war mir Bedürfniß geworden, des Morgens bei ihm zu sitzen. Er empfing mich eben so freundlich wie gewöhnlich; aber über unseren gestrigen Besuch – kein Wort. Stumm, als wenn er den Mund voll Wasser hätte! Ich nahm und durchblätterte die letzte Nummer des »Teleskop.«

      Eine neue Persönlichkeit trat ins Zimmer. Er erwies sich als ein Sohn des Herrn Ratsch, und derselbe Fictor, über dessen Abwesenheit der Vater am Abend vorher so ungehalten gewesen war.

      Das war ein junger Mensch von ungefähr 18 Jahren, aber schon dem Trunke ergeben und krank, mit einem süßlich-frechen Lächeln auf dem unreinen Gesichte und dem Ausdrucke der Ermüdung in den entzündeten, kleinen Augen. Er glich seinem Vater, doch waren seine Züge feiner und nicht ohne Annehmlichkeit; aber in dieser Annehmlichkeit selbst war etwas Häßliches. Seine Kleidung war unreinlich, am Uniformrock fehlte ein Knopf, der eine Stiefel war geplatzt und es wehte an ihm ein starker Tabaksgeruch.

      »Guten Morgen,« sagte er mit heiserer Stimme und mit jenem eigenthümlichen Hinausziehen des Kopfes und der Schultern, welches ich stets an verzärtelten und selbstzufriedenen jungen Leuten bemerkt habe.

      »Ich wollte in die Universität gehen, und gerieth hierher. Die Brust ist mir zugeschnürt. Geben Sie mir eine Cigarre.« – Er ging über das ganze Zimmer, die Füße welk nachschleppend, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu ziehen, und warf sich schwerfällig auf das Sopha.

      »Haben Sie sich erkältet?« fragte Fustoff, indem er uns mit einander bekannt machte. «Wir waren Beide Studenten, aber in verschiedenen Facultäten.

      »Nein . . . ah nein! Gestern, aufrichtig gesagt, . . . (Hier lachte Herr Ratsch junior über das ganze Gesicht, wieder nicht ohne Anmuth, zeigte aber dabei sehr schlechte Zähne) . . . hatte ich zu viel getrunken, hatte einen starken Rausch. Ja.« – Er rauchte seine Cigarre an und hustete. – »Wir haben Obichodoff das Geleit gegeben.«

      »Wohin reist er?«

      »In den Kaukasus, und schleppt seine Geliebte mit fort. Sie wissen, die Schwarzäugige, mit den Sommersprossen. Dummkopf!«

      »Ihr Vater fragte gestern nach Ihnen,« bemerkte Fustoff.

      Fictor spie auf die Seite.

      »Ja, ich hebe es gehört. Sie haben sich gestern in unser Lager verirrt. Nun, wie war es? Wurde musicirt?«

      »Wie gewöhnlich.«

      »Und sie . . . hat wohl vor dein neuen Gaste (hier wies er mit dem Kopfe nach mir hin) grimassirt? Hat wohl nicht gespielt?«

      »Von wem sprechen Sie?« fragte Fustoff.

      »Von der verehrungswürdigen Susanne Ivanowna, natürlich!«

      Fictor streckte sich noch bequemer aus, reckte seinen Arm in graciöser Rundung über seinen Kopf, sah in seine flache Hand und schnaubte dumpf.

      Ich blickte auf Fustoff hin. Er zuckte nur mit den Achseln, als wollte er mir zu verstehen geben, daß man von solch’ einem Menschen Nichts erwarten könne.

      XI

      Fictor sing an, langsam, näselnd und zur Decke hinaufsehend, vom Theater, von zwei ihm bekannten Schauspielern, von einer gewissen Serafine Serasimowna, die ihn »angeführt« hatte, von dem neuen Professor R. zu sprechen, den er ein Vieh nannte. »Stellen Sie sich vor, was das Ungeheuer sich ausgedacht hat? Er fängt jede Vorlesung mit einem Abrufen der Namen an! Und dieser Zählt sich noch zu den Liberalen! Sich endlich mit dem Gesicht und dem ganzen Körper zu Fustoff wendend, sagte er, mit halb klagender und halb spöttelnder Stimme:

      »Ich wollte Sie um Etwas bitten, Alexander Daviditsch . . . Können Sie meinen Alten nicht irgend wie zur Vernunft bringen . . . Sie spielen ja Duo’s mit ihm . . . Er giebt mir fünf blaue Zettel monatlich . . . Was nützt mir das? Das reicht ja nicht einmal für den Tabak aus. Und da redet er noch: mache keine Schulden! Ich möchte ihn einmal an meine Stelle setzen, und dann zusehen! Ich erhalte ja gar keine Pensionen, nicht so wie Andere (Fictor hob dieses Wort mit besonderer Betonung hervor). Und er hat viel Geld, ich weiß es. Mir gegenüber den Lazarus spielen hilft Nichts; mich führt man nicht an! Possen! Hat sich schon die Finger verbrannt . . . nur gewandt!«

      Fustoff warf einen Seitenblick auf Fictor.

      »Wenn Sie wollen,« fing er an – ich will es Ihrem Vater sagen. Sonst kann ich auch – unterdessen . . . eine kleine Summe . . .«

      »Nein, wozu? Erweichen Sie lieber den Alten . . . Uebrigens,« fügte Fictor hinzu, sich mit allen fünf Fingern die Nase kratzend – »geben Sie mir, wenn Sie können, 25 Rbl. Sbr. . . . Wie viel bin ich Ihnen eigentlich schuldig?«

      »Sie haben 85 Rbl. Sbr. von mir geborgt.«

      »Ja . . . Also macht das – in Allem 110 Rbl. Sbr. Ich werde Ihnen Alles zusammen abgeben.«

      Fustoff

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